Eklat bei 2:2 gegen Tschechien Kroatischer Trainer bezeichnet Anhänger als "Terroristen"

Saint-Etienne · Die EM in Frankreich ist um einen Eklat reicher. Beim 2:2 (1:0)-Remis zwischen Kroatien und Tschechien haben die kroatischen Fans Böller und Leuchtraketen auf das Spielfeld geworfen und sich wilde Prügeleien untereinander geliefert. In der 86. Minute wurde das Spiel für vier Minuten unterbrochen. Kroatien führte zum Zeitpunkt der Unterbrechung mit 2:1.

EM 2016: Kroatische Anhänger werfen Bengalos auf Ordner
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Kroatische Anhänger werfen Bengalos auf Ordner

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Die EM in Frankreich ist um einen Eklat reicher. Beim 2:2 (1:0)-Remis zwischen Kroatien und Tschechien haben die kroatischen Fans Böller und Leuchtraketen auf das Spielfeld geworfen und sich wilde Prügeleien untereinander geliefert. In der 86. Minute wurde das Spiel für vier Minuten unterbrochen. Kroatien führte zum Zeitpunkt der Unterbrechung mit 2:1.

Mario Mandzukic stand mit ausgebreiteten Armen ratlos vor den tobenden kroatischen Fans, zischend flogen ihm die bengalischen Feuer entgegen. Auch sein Kapitän Darijo Srna versuchte vergeblich, die skandalösen Szenen im Block zu unterbinden. Trotz einer 2:1-Führung lieferten sich Teile des kroatischen Anhangs wüste Schlägereien auf der Tribüne, ein herbeigeeilter Ordner wurde von einem Feuerwerkskörper getroffen und anscheinend verletzt.

"Das war Terror. Ich nenne diese Leute Hooligans, nicht Fans, das sind Terroristen!", schimpfte der erschütterte Nationaltrainer Ante Cacic: "Ihr Platz ist nicht im Stadion. Gegen Italien in Split gab es Nazi-Zeichen, die ruinieren alles, was wir tun. Das ist eine Schande vor den Augen ganz Europas!"

Selbst Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic schaltete sich ein. Sie bezeichnete die Randalierer am Abend als "Staatsfeinde, die ihre Mannschaft und ihr Land hassen. Schämt euch!"

Die Kroaten haben eine Vorgeschichte. Wegen des andauernden Fehlverhaltens seines Anhangs wurde der kroatische Verband bereits mehrfach bestraft — auch im Verlaufe der Qualifikation für die Endrunde in Frankreich. Ende März 2015 gab es in Zagreb bei der Quali-Begegnung mit Norwegen rassistische Gesänge. Das Duell mit Italien im darauf folgenden Juni in Split musste deshalb vor leeren Rängen gespielt werden — und brachte doch den nächsten Eklat: Auf dem Rasen war ein Hakenkreuz zu erkennen, das sich nicht entfernen ließ. Kroatien fürchtete daraufhin sogar den Ausschluss von der EM.

Kroatische Fans prügeln sich nach Pyro-Eklat
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Kroatische Fans prügeln sich nach Pyro-Eklat

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Das Uefa-Exekutivkomitee könnte den Kroaten wie schon Russland und England nach den schweren Krawallen von Marseille mit dem EM-Ausschluss drohen. Russland spielt in Frankreich nur noch auf Bewährung.

"Es geht hier um sechs, sieben, vielleicht zehn Einzeltäter, ich hoffe, dass wir sie schnappen können. Aber es ist unmöglich, sowas zu verhindern, das sind wirklich gefährliche Leute", sagte Cacic.

Als Schiedsrichter Mark Clattenburg (England) das Spiel nach vier Minuten wieder fortsetzte, waren die kroatischen Spieler vollkommen aus dem Konzept. Den späten Ausgleich zum 2:2 (1:0) durch einen Handelfmeter von Tomas Necid (90.+3) und das Nachsitzen auf dem Weg ins EM-Achtelfinale haben sie auch dem skandalösen Verhalten ihrer Fans in St. Etienne zu "verdanken". Eine heftige Strafe der Uefa wird folgen. Am Samstag wird der Verband die Ermittlungen aufnehmen.

Erschütterter Rakitic glaubt bei Elfmeter nicht an Zufall

Chronologie der kroatischen Fan-Randale
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"Das richtige Wort für diese Leute ist im Fernsehen nicht erlaubt!", sagte der erschütterte Ex-Schalker Ivan Rakitic im ZDF. "Ich möchte mich bei der Uefa und der tschechischen Nationalmannschaft entschuldigen." Dem Schiedsrichter unterstellte er dann aber, er habe sich beeinflussen lassen: "Es ist kein Zufall, dass dann noch ein Elfmeter kommt, um uns einen mitzugeben."

Rakitic hatte nach dem Führungstreffer des früheren Wolfsburgers Ivan Perisic (37.) das 2:0 erzielt (59.), Kroatien schien mit einer grandiosen Leistung zu einem Titelanwärter aufzusteigen, ehe das Spiel kippte. Die lange überforderten Tschechen kamen durch Milan Skoda (76.) heran. In der 85. Minute begann wie aus dem Nichts die Randale im kroatischen Block.

Nach dem Sieg gegen die Türkei zum Auftakt (1:0) hat der WM-Dritte von 1998 dennoch beste Chancen, das Achtelfinale zu erreichen. Die Tschechen, die ihr erstes Spiel 0:1 gegen Spanien verloren hatten, verbesserten ihre Ausgangsposition in der Gruppe C ein klein wenig: Mit einem Sieg gegen die Türkei könnten auch sie noch weiterkommen.

Darijo Srna weint bei Nationalhymne um toten Vater

Einen bewegenden Moment gab es im Stade Geoffroy Guichard, als die Nationalhymnen gespielt wurden. Srna weinte hemmungslos, seine Mitspieler nahmen ihn danach in den Arm. Am vergangenen Sonntag war Srnas Vater Uzeir verstorben, der Sohn war daher nach dem Sieg gegen die Türken nach Hause geflogen, auch Nationaltrainer Ante Cacic wohnte dem Begräbnis am Mittwoch bei.

Srna spielte gewohnt solide als rechter Außenverteidiger, er trieb an, munterte auf. Im Mittelpunkt stand auf dem Feld aber eher Luka Modric, der Schütze des Treffers beim 1:0 gegen die Türkei. Während Rakitic eine Art hängende Spitze spielte, ließ sich Modric immer wieder zwischen die beiden Innenverteidiger zurückfallen, um das Spiel seiner Mannschaft von hinten anzukurbeln.

EM 2016: Kroatiens Vedran Corluka spielt mit Wasserball-Kappe
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Kroatiens Corluka spielt mit Wasserball-Kappe

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Tschechien musste sich auf Petr Cech verlassen, der beim 0:1 gegen Spanien im ersten Gruppenspiel so prima gehalten hatte - und der Routinier machte seine Sache zu Beginn sehr gut. Nach 75 Sekunden schon wehrte er einen wehrte er einem Kopfball von Mario Mandzukic ab. Dann verpasste Perisic knapp bei einer Hereingabe von Mandzukic (21.), Cech rettete mit dem Fuß bei einem Solo von Rakitic (36.).

Beim Schuss von Perisic war Cech machtlos, er musste vor allem verärgert sein über seine Vorderleute, die den Torschützen nur mit deutlichem Sicherheitsabstand verfolgten. Auch beim Treffer von Rakitic kamen sie nicht in die Zweikämpfe, die sie hätten gewinnen müssen. Vor allem, weil die Kroaten gut kombinierten. Dann fühlten sie sich offensichtlich zu sicher, und die Fans nahmen Einfluss auf das Spiel.

(seeg/sid)
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