Bielefeld empfängt Wolfsburg Eine Region steht auf

Bielefeld · Arminia Bielefeld trifft im Pokal-Halbfinale auf Wolfsburg. Für viele Ostwestfalen endlich ein Grund zur Freude.

Der Ostwestfale ist mürrisch, humorlos, und überhaupt regnet es ständig in der Region. Das Glas ist in der Regel halb leer, und wenn man sich nach dem allgemeinen Wohlbefinden seines Gegenübers erkundigt, kommt oft als Antwort: "Muss ja." In diesen Tagen ist alles etwas anders in und um Bielefeld. Eine Stadt ist in kollektiver Verzückung ob der großen Taten ihres Fußballvereins. Arminia, immer-mal-wieder-Skandalnüdelchen der Branche, steht im Halbfinale des DFB-Pokals — am Mittwoch ab 20.30 Uhr (Live-Ticker) gegen den VfL Wolfsburg. Das ist, als wenn der schmächtige Bruder von David gegen eine aufgerüstete Version von Goliath anträte. Die Karten waren bereits nach wenigen Stunden vergriffen, vor der Geschäftsstelle des DSC Arminia kampierten die Anhänger selbst in der Nacht, um sich auf jeden Fall ein Ticket zu sichern. Der Stolz auf das Erreichte ist größer als die Angst vor einer erwartbaren Niederlage des Dritt- gegen den Bundesligisten.

Vor geraumer Zeit hat sich der Landschaftsverband Westfalen-Lippe beim Schulministerium beschwert. Nach einer Untersuchung komme die Region in Erdkundebüchern kaum vor - allenfalls als dörfliches Hinterland. Immerhin ist sie dort überhaupt erfasst. Im Internet kursiert seit Jahren die sogenannte Bielefeldverschwörung. Dabei wird humorig in Abrede gestellt, dass die Stadt überhaupt existiert. Bielefelder selbst finden den Spaß nicht ganz so überraschend nur mäßig lustig.

Hans Milberg war lange Sprecher von Arminia Bielefeld. Das Imageproblem der Region hat er seit Jahren beobachtet. Auch für viele Medienschaffende sei OWL schlicht "Ausland". "Bielefeld bringt Kilometergeld", habe es bei einem TV-Sender im Ruhrgebiet früher geheißen. "Noch vor fünf Jahren wurde telefonisch nach der Bahnstation gefragt. Ist Bielefeld bei Hannover oder näher an Dortmund?", sagte er der "Neuen Westfälischen".

Millionen verbrannt

Arminia ist immer wieder als Werbebotschafter ausgefallen. Sieben Bielefelder Bundesliga-Aufstiegen stehen sieben Abstiege gegenüber, nur den 1. FC Nürnberg hat es einmal mehr erwischt. Immerhin haben die Franken als Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte den Gewinn des DFB-Pokals (2007) vorzuweisen. Die Ostwestfalen haben das vergleichsweise einfachere Kunststück fertig gebracht, ein paar Millionen in den Sand zu setzen und ins sportlich Bedeutungslose abzustürzen.

Es gibt vermutlich kein Unternehmen im Einzugsgebiet, bei dem der Klub nicht schon einmal vorstellig geworden ist. Unternehmen wie Dr. Oetker, Gerry Weber und Schüco mit Sitz in Bielefeld sind als große Unterstützer in der Vergangenheit aufgetreten. Selten wurden finanzielle Mittel nachhaltig eingesetzt. Eines dieser ambitionierten Projekte hätte die Arminia fast die Existenz gekostet. Der Bau einer neuen Tribüne verschlang dann doch ein paar Milliönchen mehr als vorher veranschlagt. Aus ursprünglich 15 Millionen D-Mark wurden am Ende 19 Millionen Euro. Immerhin erbarmten sich ein paar edle Spender, dem Intensivpatienten Arminia nicht die Geräte abzuschalten, sondern wieder ein wenig Geld zu geben.

Seit ein paar Jahren fällt rund um die Alm tatsächlich wieder das Wort "Seriosität" in Zusammenhang mit den handelnden Personen des Fußballvereins. In Bielefeld versucht man große Träume nun mit kleinem Geldbeutel zu ermöglichen. Der Etat liegt bei etwas mehr als vier Millionen Euro. So viel, spöttelte die "Süddeutsche" unlängst, verdiene beim VfL Wolfsburg, dem Halbfinal-Gegner, das Maskottchen "Wölfi".

"Wir können Historisches erreichen"

In Ehrfurcht erstarren will man in Ostwestfalen beruhigender Weise allerdings nicht vor der prominent besetzten Delegation aus Niedersachsen. "Für dieses Finale reißen wir uns schon das ganze Jahr den Arsch auf. Jetzt können wir Historisches erreichen", sagt Torjäger Fabian Klos. "Wenn man im Halbfinale steht, will man ins Finale, alles andere wäre gelogen." Und Manuel Junglas, in den vergangenen beiden Runden gegen Werder Bremen (3:1) und Borussia Mönchengladbach (5:4 i.E.) insgesamt dreifacher Torschütze, erzählt: "Wir werden um unser Leben rennen."

Der Norddeutsche Norbert Meier, geboren in Reinbek, muss sich nicht besonders verstellen, um als ostwestfälischer Ureinwohner durchzugehen. Der Trainer hat immer wieder angemahnt, den Fokus trotz der Erfolge im Pokal auf die Liga zu legen. Schließlich ist der Aufstieg für den hoch verschuldeten Klub elementar wichtig. Er wisse zwar "nicht, was meine Spieler träumen. Ich liege dann in meinem eigenen Bett", erklärte der 57-Jährige. "Aber ich werde ihnen das Träumen nicht verbieten."

(RP)
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