Kritik von Ex-Kollegen Gräfe verschärft den Schiri-Streit beim DFB

Frankfurt · Nach einem Krisentreffen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) hat Schiedsrichter Manuel Gräfe in einer persönlichen Erklärung nochmals nachgelegt und vorhandene Defizite angeprangert. Von ehemaligen Kollegen gibt es Zustimmung und Kritik.

 Manuel Gräfe kritisiert - und steht in der Kritik.

Manuel Gräfe kritisiert - und steht in der Kritik.

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Die E-Mail, die den "Friedensgipfel" der Bundesliga-Schiedsrichter endgültig scheitern ließ, kam um 20.47 Uhr. Hatten die Verantwortlichen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) bis dahin noch die Hoffnung, den verfahrenen Streit zwischen Manuel Gräfe und den früheren Schiri-Bossen Hellmut Krug und Herbert Fandel irgendwie einzufangen zu können, war diese spätestens mit Gräfes nächstem öffentlichen Aufstand dahin.

"Der Einfluss von Herbert Fandel und Hellmut Krug" sorge "immer noch" dafür, dass im Schiedsrichterwesen von Gerechtigkeit und Transparenz keine Spur sei, teilte der 44-Jährige mit. Nachdem er "diese gesamte Problematik seit 2015 immer wieder intern" und bis in die höchsten DFB-Ebenen angesprochen habe, "obliegt es nun dem DFB, für Veränderungen zu sorgen". Heißt: Krug und Fandel sollen gehen - oder gegangen werden.

Bei der im vergangenen Jahr gegründeten DFB-Ethikkommission ist bislang noch keine "Anzeige" eingegangen. Nach SID-Informationen prüft das Gremium des früheren Außen- und Justizministers Klaus Kinkel den Fall aber.

Gräfe wirft den beiden einflussreichen Funktionären schlechten Führungsstil und Vetternwirtschaft vor: "Wo dieses hinführt, haben wir zum Beispiel leider an den Leistungen der Saison 2015/16 sehen müssen und sehen es nun auch bei der unzulänglichen Behandlung des Themas Videobeweis."

Für die neue Technik ist Krug als DFB-Projektleiter verantwortlich, Fandel ist Vorsitzender des DFB-Schiedsrichterausschusses. Der eigentliche Chef von Gräfe und den anderen "Elite"-Schiedsrichtern ist Lutz Michael Fröhlich, der 2016 diesen Posten von Fandel übernommen hatte.

Der frühere FIFA-Schiedsrichter Markus Merk sieht im Schiedsrichter-Streit indes Fehler auf beiden Seiten. "Es ist nicht unbedingt etwas Neues, was Manuel Gräfe anführt, es ist ein schwelender Prozess, die Kommunikationsebene zwischen der Führung und den Aktiven - diese war in den letzten Jahrzehnten nie stimmig", sagte der einstige Weltklasse-Referee bei Sky Sport News HD.

Gräfe hatte nach dem vermeintlichen "Friedensgipfel" am Dienstag in Frankfurt/Main den Abschied von Krug und Fandel gefordert, die beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) die Positionen des Vorsitzenden des Schiedsrichterausschusses und DFB-Schiedsrichtermanagers bekleiden. Gräfe wirft den beiden fehlende Transparenz, schlechten Führungsstil und Vetternwirtschaft vor.

"Wer Manuel Gräfe kennt, der weiß, er wird hier keine Ruhe geben", sagte Merk: "Beim DFB hat man eben hier nicht gehandelt, man hätte die Kommunikation suchen müssen. Man muss das ganze Geschehen analysieren. Zu sagen 'Manuel, sei jetzt mal bitte still', führt zu nichts."

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Schiedsrichter Gräfe sorgt für Schrecksekunde

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Der Einfluss von Fandel und Krug scheint nach wie vor groß. Der DFB teilte nach dem vierstündigen Gespräch in Frankfurt/Main zunächst nur mit, dass "die verschiedenen Sichtweisen und Vorwürfe in aller Offenheit angesprochen" worden seien. "Die Eindrücke aus dieser Unterredung werden wir im nächsten Schritt analysieren", sagte der zuständige DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann.

Merk kritisierte, dass der DFB nicht rechtzeitig gehandelt habe. "Es gab auch ganz andere Probleme, die man versucht hat, auszusitzen", sagte er: "Die muss man angehen, da kann man nicht abwarten. Sonst gibt es viele Verlierer."

Der Zeitpunkt für Gräfes Kritik sei aber falsch gewählt gewesen. "Manuel hat auch eine Position erreicht, bei der er jetzt nicht mehr weiterkommt als Schiedsrichter", sagte Merk: "Im Ranking der FIFA ist er reduziert worden und andere Schiedsrichter sind an ihm vorbeigezogen. Das tut ihm besonders weh. Das ist der bittere Beigeschmack, dass genau zu diesem Zeitpunkt seine unglaublich öffentliche Kritik kommt. Da ist auf jeden Fall Frust dabei."

Auch der frühere Bundesliga-Schiedsrichter Peter Gagelmann kritisierte die Art und Weise von Gräfes Vorgehen. "Ich finde es sehr unglücklich, dass das in der Öffentlichkeit ausgetragen wird", sagte der 49-Jährige bei Sky Sport News HD. Dass der Streit so eskaliert, "ist sehr unfein".

"Tatsächlich scheint es unterschiedliche Meinungen bei den Schiedsrichtern zu geben", sagte Gagelmann, der im Mai 2015 sein letztes Bundesligaspiel geleitet hatte. Es habe sich aber auch "einiges getan". Seit 2016 ist offiziell Lutz Michael Fröhlich der Chef der Elite-Schiedsrichter. "Er hat ein sehr hohes Ansehen", sagte Gagelmann.

Wohl aber nicht mehr bei Gräfe. Dessen Darstellung des gemeinsamen Treffens und die des Verbandes unterscheiden sich seit Tagen. Der DFB hatte betont, dass das Gesprächsangebot aus Frankfurt gekommen sei. Gräfe erwiderte, es sei gar nicht nur um ihn gegangen. "Ich war in erster Linie beim DFB, um den Ausführungen von Felix Brych beizuwohnen, der seine ähnlichen persönlichen Erfahrungen in den letzten Jahren mit Hellmut Krug und Herbert Fandel sowie als Sprecher der Bundesliga-Schiedsrichter den Eindruck etlicher Schiedsrichter geschildert hat", sagte der Unparteiische.

Brych, der im Sommer das Finale der Champions League geleitet hatte, äußerte sich zunächst nicht öffentlich. Wessen Version stimmt, ist offen. Gräfe betonte: "Der durchschaubare Versuch, die von uns aufgezeigten Fehlentwicklungen auf persönliche Empfindlichkeiten von mir oder anderen abzustellen, geht fehl."

(cbo/sid)
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