Münchens Trainer im großen Interview Van Gaal setzt nicht auf den FC Bayern

München (RPO). Bayern Münchens Trainer Louis van Gaal sieht der Auslosung des Champions-League-Viertelfinales am Freitag (12 Uhr/Live-Ticker)gespannt entgegen. Der Niederländer ist noch lange nicht satt, er will Titel gewinnen. Den FC Barcelona und Manchester United möchte er aber nicht unbedingt als nächsten Gegner haben - und auf die Bayern als Champions-League-Sieger würde er auch nicht setzen.

Louis van Gaal: "Feierbiest" und Erfolgstrainer
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Das ist Louis van Gaal

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Foto: AFP/MAURICE VAN STEEN

Van Gaal redet im Interview über die Aussichten des deutschen Fußball-Rekordmeisters in der Königsklasse, aber auch über die Entwicklung der Mannschaft und über seine Ambitionen, Bundestrainer zu werden.

"Louis van Gaal, am Freitag findet die Auslosung des Viertelfinales in der Champions League ohne Real Madrid und den FC Chelsea statt ..."
Louis van Gaal: "Sie waren nicht gut genug, denke ich. Aber ich war schon überrascht, dass Real und Chelsea ausscheiden. Ich habe auch nicht erwartet, dass Sevilla gegen Moskau rausgeht."

"Sehen Sie Ihre Mannschaft schon auf Augenhöhe mit Barcelona oder Manchester United?"
Van Gaal: "Wenn ich auf einen Sieger in der Champions League wetten müsste, würde ich nicht auf Bayern München wetten. Ich denke, dass Barcelona und Manchester weiter sind. Ferguson ist bei Manchester seit 28 Jahren, Guardiola jetzt zwei Jahre bei Barcelona. Und davor hatte Rijkaard eine ähnliche Philosophie. Dazu kommt noch die Qualität der einzelnen Spieler. Wenn wir uns also gegen solche Mannschaften durchsetzen würden, wäre das unglaublich."

"Auch fast unmöglich?"
Van Gaal: "Es wäre eine Riesenüberraschung. Aber wir könnten das schaffen. In einem Spiel können wir auch gegen so eine Mannschaft gewinnen. In zwei Spielen müssten wir etwas Glück haben - und wir müssten alles abrufen."

"Also würden Sie Barcelona und Manchester im Viertelfinale lieber aus dem Weg gehen?"
Van Gaal: "Ja. Barcelona ist für mich der Topfavorit. Das haben sie gegen Stuttgart eindrucksvoll unterstrichen. Und auch Manchester wäre mir nicht so recht."

"Gibt es einen Wunschgegner?"
Van Gaal: "Den gibt es nicht. Der Unterschied auf dieser Ebene ist nur noch minimal. Da ist sehr viel von der Tagesform abhängig."

"Sie sind jetzt seit neun Monaten Trainer des FC Bayern. Wieviel Louis van Gaal steckt schon in dieser Mannschaft?"
Van Gaal: "Das müssen andere beurteilen. Ich denke, dass Bayern München anders spielt als im letzten Jahr. Aber wir sind immer noch in einem Prozess - und dieser Prozess dauert noch an."

"Warum dauert der so lange?"
Van Gaal: "Weil viele Spieler längere Zeit verletzt waren. Franck Ribery zum Beispiel. Seine Einsätze über 90 Minuten kann man an einer Hand abzählen. Und er ist sehr wichtig für die Mannschaft. Er ist einer der kreativen Spieler, die wir brauchen. Wir müssen ihn noch immer integrieren."

"Sie haben jetzt sieben Spiele in 21 Tagen. Ist in so einer Phase die Integration von Ribery noch schwieriger?"
Van Gaal: "Natürlich ist das schwieriger. Aber er macht alles, um wieder fit zu werden. Mehr kann ich von einem Spieler nicht fordern. Deshalb muss ich als Trainer abwarten, ob er voll belastbar ist."

"Sie haben in den ersten Wochen in München gesagt, dass Sie immer alles gewinnen wollen. Ist das mit dem FC Bayern möglich?"
Van Gaal: "Wir sind auf einem guten Weg. Wir sind noch in drei Wettbewerben vertreten, das ist sehr gut für einen neuen Trainer, zumal wir auch viele neue Spieler integrieren mussten. Aber wir haben bis jetzt noch nichts erreicht. Das ist das Wichtigste am Ende."

"Was muss passieren, dass Sie unabhängig von Titeln zufrieden sind?"
Van Gaal: "Wichtig für mich ist, dass sich die Spieler entwickeln und unser Spiel Fortschritte zeigt. Und wenn wir das schaffen, dann werden wir auch Titel gewinnen. Das ist dann die Konsequenz aus unserem Spiel. Bis jetzt bin ich zufrieden. Wir haben eine Steigerung gesehen."

"Ist der FC Bayern von der Ausrichtung schon so flexibel, wie Sie sich das vorstellen?"
Van Gaal: "Das muss noch besser werden. Aber das ist auch Teil dieses Prozesses. Ideal wäre es, wenn die Spieler selbst das Spiel lesen und dann sofort entscheiden, wie sie spielen müssen. Dann wäre ich auf der Bank nicht mehr nötig. Aber so etwas hat noch nie geklappt, weil Menschen immer Führung brauchen."

"Mussten Sie sich beim FC Bayern umstellen?"
Van Gaal: "Ja, ich habe mich sehr umgestellt, was die Kommunikation mit den Spielern anbelangt. Bei meinen taktischen Erklärungen haben die Spieler am Anfang gedacht, dass sie die Anweisungen exakt so ausführen müssen. Aber die Spieler sollen, wie schon gesagt, anhand der Situation selbst entscheiden. Deshalb ist das etwas unglücklich angelaufen. Inzwischen habe ich meine Besprechungen geändert, jetzt klappt es besser."

"Was muss sich mit Blick auf die kommende Saison noch ändern, auch personell?"
Van Gaal: "Darüber möchte ich jetzt nicht sprechen. Wir sind mit dieser Saison beschäftigt. Ich arbeite mit diesem Kader und versuche, die Ziele zu realisieren. Wir sind schon sehr weit gekommen. Wenn ich jetzt über andere Spieler oder Veränderungen in meinem Stab spreche, habe ich keinen Respekt vor diesen Leuten. Ich habe Vertrauen in diesen Kader, wir ziehen alle am selben Strang."

"Wie sehen die Planungen bezüglich Franck Ribery aus?"
Van Gaal: "Das ist schwierig. Aber wie wir das planen, werde ich jetzt nicht kommentieren."

"Aber hängt nicht viel von der Personalie Ribery ab, wo etwa ein Toni Kroos spielen wird?"
Van Gaal: "Ich sehe Toni Kroos nicht auf der Position von Ribery. Aber ich werde erst einmal mit Toni Kroos sprechen, wenn die neue Saison beginnt. Ich habe vor dieser Saison auch gesagt, dass Ribery meine Nummer zehn ist. Aber er fühlte sich dort nicht so wohl, dann mache ich das auch nicht. Aber das ist alles Zukunftsmusik."

"Sie haben zuletzt immer wieder betont, noch einmal Nationaltrainer werden zu wollen. Ist es als Nationaltrainer aber nicht schwierig, diese Prozesse, von denen Sie immer sprechen, auch umzusetzen?"
Van Gaal: "Ich denke das nicht. Ich habe es auch bei Bayern in einigen Wochen geschafft. Und man hat auch mit einer Nationalmannschaft genug Zeit, um ein System zu entwickeln. Man muss eben anders trainieren. Ich muss auch nicht verletzte Spieler integrieren oder junge Talente heranführen. Ich habe immer die besten Spieler eines Landes zur Verfügung."

"Sie haben auch Deutschland als Option genannt. Ist ein Bundestrainer van Gaal bei der Rivalität zwischen beiden Ländern überhaupt vorstellbar?"
Van Gaal: "Ich denke, dass dies kein Problem sein würde. Es kommt auf die Qualität eines Trainers an, das ist das Wichtigste. Und wenn Deutschland zum Beispiel mit Louis van Gaal Weltmeister werden würde, dann wäre jeder in Deutschland sehr zufrieden."

"Was reizt Sie an so einer Herausforderung?"
Van Gaal: "Ich habe mit meinen Klubs alles gewonnen. Aber ich will noch einmal eine Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft mitmachen. Und wenn ich etwas erreichen kann, dann nur mit den besten Ländern - und da gehört Deutschland natürlich dazu. Deutschland ist ein großartiges Fußball-Land. Aber das könnte auch England, Argentinien oder Spanien sein."

"Hat die Bundesliga im internationalen Vergleich aufgeholt?"
Van Gaal: "Die Bundesliga wird immer noch unterschätzt. Es ist nicht so einfach, eine deutsche Mannschaft zu schlagen. Deutsche Teams bleiben 90 Minuten konzentriert und warten auf ihre Chance. Sie sind physisch stark und halten die Ordnung. Deshalb hat Deutschland bei Turnieren immer etwas geholt. Mehr als die Niederlande - obwohl die Niederlande oft bessere Fußballer hatten."

"Ihr Sportdirektor Christian Nerlinger hat von Wochen der Wahrheit für den FC Bayern gesprochen. Sehen Sie das auch so?"
Van Gaal: "Das ist immer so, wenn es auf das Saisonende zugeht. Und bei Bayern gibt es nur Wochen der Wahrheit. Im November zum Beispiel hieß es, dass für mich die Wochen der Wahrheit beginnen und ich vor der Entlassung stehe. Schon da habe ich gesagt: Wann werden die Preise verteilt? Deshalb sind das natürlich jetzt die Wochen der Wahrheit, weil es die letzten zwei Monate der Saison sind."

"Wie optimistisch sind Sie, dass der FC Bayern einen dieser Preise in der Hand hält?"
Van Gaal: "Wir haben noch drei Optionen. Nur Bordeaux hat in Europa noch diese drei Optionen. Wir sind auf einem guten Weg. Ich denke, dass für den FC Bayern und seine Fans die Meisterschaft wichtig ist. Für mich persönlich wäre das höchste Podium natürlich die Champions League.

"Wie realistisch ist der Champions-League-Sieg?"
Van Gaal: "Das habe ich schon gesagt. Ich würde nicht auf Bayern München setzen. Bei der deutschen Meisterschaft bin ich aber sehr optimistisch."

(SID/rl)
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