Dortmunds Champions-League-Gegner Tottenham Hotspur — der Klub der großen Torjäger

London · Tottenham Hotspur tritt heute in der Champions League bei Borussia Dortmund an. Die Spurs setzen auf Torjäger Harry Kane. Er ist einer der Nachfolger von Gary Lineker und Jürgen Klinsmann.

Harry Kane trifft doppelt gegen Huddersfield
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Kane trifft doppelt gegen Huddersfield

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Foto: rtr, saw

Im Sommer 1994 knallten in der Geschäftsstelle von Tottenham Hotspur nicht gerade die Sektkorken. Die Manager hatten sich in der Vorsaison ein paar Tricksereien erlaubt, und der englische Fußballverband reagierte ziemlich streng. Er zog dem Londoner Klub vor dem Auftakt zur nächsten Meisterschaftsserie nicht nur zwölf Punkte ab. Er belegte den Verein auch mit einer für damalige Verhältnisse sehr ordentlichen Geldstrafe von 600.000 Pfund und einem einjährigen Ausschluss aus dem lukrativen FA-Pokal.

Harry Kane bekam von all dem nichts mit. Denn er war erst ein Jahr alt. Später hat er es sich erzählen lassen. Da war er längst ein wesentlicher Spieler im Hotspur-Universum. Und es ist überhaupt kein Zufall, dass er als Mittelstürmer und Torjäger zu einem Aushängeschild von Tottenham wurde.

Der Klub aus dem Norden der englischen Hauptstadt, heute Gast in der Champions League bei Borussia Dortmund (20.45 Uhr), ist nämlich berühmt für seine großen Torjäger. Zwei der allergrößten (vor Kane) waren Gary Lineker und Jürgen Klinsmann.

Lineker gilt nicht nur wegen seiner ausgeprägten Beweglichkeit und seiner Schnelligkeit im Strafraum als einer der besten Spieler des vergangenen Jahrhunderts. Er bereicherte den Fußball auch durch eine außerordentliche Fairness. In 540 Spielen als Profi hat er nicht einmal eine Gelbe Karte kassiert, einen Feldverweis schon gar nicht. Und in seiner zweiten Karriere als Fußball-Sachverständiger im Fernsehen hat er den britischen Humor auch in einem Sport Geltung verschafft, dem nicht unbedingt so viel Gespür für den Witz an sich nachgesagt wird.

Von Lineker stammt der zum Sprichwort aufgestiegene Satz: "Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen." Er hat das mehrmals miterlebt. Am schmerzlichsten war wahrscheinlich die Niederlage im WM-Halbfinale 1990, als die Deutschen im Elfmeterschießen besser waren. Wieder mal. Da fiel ihm dieser Satz ein. Und der Humor hat ihn nicht verlassen. Inzwischen ist er so etwas wie der ungekrönte König der Twitterszene. Als die U21 im Sommer die EM gewann und eine B-Mannschaft den Confed Cup, da schrieb er über die Deutschen: "Es wird langsam langweilig." Ein paar Minuten später: "Aber im Cricket sind sie ganz schlecht."

Über Jürgen Klinsmanns Cricket-Künste ist nichts bekannt. Dafür wendete der deutsche Weltmeister von 1990 das Blatt im anfangs so tristen Sommer 1994 für Tottenham. Er tat es mit Toren, noch mehr aber beeindruckte der Weltenbummler durch seine Haltung. In England ging ihm seinerzeit der Ruf eines Freistoß-Schinders und Schwalbenkönigs voraus. "Diver" (Taucher) nennen sie auf der Insel solche Athleten. Seinen ersten Treffer für den neuen Klub feierte der Mittelstürmer mit einer bäuchlings ausgeführten Rutschpartie auf dem Rasen, einem klassischen Taucher. Die Fans verstanden diese Anspielung. So viel Selbstironie hatten sie dem Schwaben gar nicht zugetraut. Und als er trotz eines Brummschädels, der ihn in diesem Spiel gegen den FC Sheffield (4:3) zum Ausscheiden zwang, in der nächsten Partie gegen Everton wieder auf dem Platz stand und zwei Tore erzielte, da hatten die Tottenham-Anhänger einen neuen Liebling. Neben Witz zählt auf der Insel natürlich Kampfgeist.

Die Geschichten über Klinsmann haben sich bis zu Harry Kane herumgesprochen. Als der auf den ersten Metern einer schon jetzt großen Karriere unterwegs war, zeigte ihm jemand ein Video mit Klinsmanns Toren und mit seinem Torjubel. Kane war und ist schwer beeindruckt. Vor der Abreise nach Dortmund zum Champions-League-Spiel verneigte er sich in der "Bild am Sonntag" vor einem seiner Vorgänger. "Klinsmann ist eine Spurs-Legende", sagte Kane, "er war ein großartiger Spieler, der aus allen Winkeln getroffen hat. Ich habe viel von ihm gelernt." In Erinnerung an sein Vorbild feierte der englische Mittelstürmer seinen ersten Premier-League-Treffer für die Spurs mit dem Taucher auf dem Rasen. Auch diese Anspielung haben die Spurs-Anhänger sehr gut verstanden.

Kane darf schon lange für sich in Anspruch nehmen, ein kompletter Torjäger zu sein, der sein Vorbild in Fragen der Ballbeherrschung und der Eleganz inzwischen sicher übertroffen hat. Bei der Wahl des Vereins ist er im Vergleich zu Klinsmann eher langweilig. "Mein Ziel ist es, in meiner gesamten Karriere für Tottenham zu spielen", erklärte er. Klinsmann spielte auf seiner langen Wanderschaft für elf verschiedene Klubs. 56 Meisterschaftsspiele für Tottenham reichten ihm für den Legendenstatus. Kane hat bereits mehr als doppelt so viele Premier-League-Begegnungen für die Spurs auf dem Konto. Eine Legende ist er trotzdem (noch) nicht.

Aber das wird schon.

(pet)
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