Reform der Champions League Die Gier der Reichen

Düsseldorf · Durch die Reform der Champions League droht dem europäischen Fußball eine Zweiklassengesellschaft. Auch in der Bundesliga könnte die Schere nach der Neuverteilung des Fernsehgeldes weiter auseinandergehen.

Federführend bei der Reform der Champions League: Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge.

Federführend bei der Reform der Champions League: Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge.

Foto: dpa

Karl-Heinz Rummenigge gibt sich zufrieden. Es wirkt nach Tiefstapelei. Denn eigentlich müsste seine Gemütslage weitaus ausgelassenere Formen annehmen. "Es ist keine Revolution, sondern eine Evolution", sagt der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München. Rummenigge spricht von den Neuerungen in Champions und Europa League ab der Saison 2018/19. Die Reform betrifft nur geringfügig die Wettbewerbsstruktur. Vielmehr geht es um Geld. Rummenigge und weitere mächtige Klubbosse haben ihre Interessen bei der Europäischen Fußball-Union (Uefa) durchgesetzt. Das Ergebnis: Die Reichen werden noch reicher.

"Wir sind extrem zufrieden, wie sich das Verhältnis zur Uefa seit der Gründung der ECA im Jahr 2008 entwickelt hat", sagt Rummenigge. Die ECA ist die European Club Association. Ein Zusammenschluss europäischer Vereine, dessen Vorsitz Rummenigge innehat und mit dem er seit Jahren einen Machtkampf mit der Uefa pflegt. Mehrmals drohten die Klubchefs, sich unabhängig zu machen, eine eigene Superliga zu gründen, falls sie nicht mehr Mitspracherecht bekommen würden. Diese Pläne haben Rummenigge und die ECA nach der Reform nun erst einmal zurück in die Schublade gelegt.

Finanziell geht es dem Fußball hervorragend. Überall steigen die Einnahmen. Natürlich auch bei der Uefa. Über drei Milliarden Euro sollen die Klub-Wettbewerbe in Zukunft einbringen. Bisher sind es 2,35 Milliarden. Dank eines neuen Verteilerschlüssels, der auch Titel aus längst vergangenen Zeiten berücksichtigt, bekommen die Reichen noch mehr vom Kuchen. Wer viel gewonnen hat, wird mit noch mehr Millionen belohnt.

Dafür wird eine neue Kommission Sorge tragen, die an den Details der Reform arbeiten wird. Der Clou: Die Kommission besteht nicht nur aus Uefa-Offiziellen, sondern zur Hälfte aus ECA-Delegierten. "Das ist ein Beweis dafür, dass die Stimme der Klubs im europäischen Fußball gehört und respektiert wird", sagt Rummenigge.

Einer, der stets die Stimme der kleineren Klubs vertrat, war Ex-Uefa-Präsident Michel Platini. Er wurde im Dezember 2015 für sechs Jahre gesperrt. Es wird wegen Korruption gegen ihn ermittelt. Ein neuer Präsident soll am 14. September gewählt werden. Georg Pangl ist Generalsekretär der Ligenvereinigung EPFL. Der Österreicher greift Rummenigge an: Als ECA-Vorsitzender "vertritt er die Interessen von 220 Vereinen aus insgesamt 53 Ländern Europas. Was ist mit der kollektiven Verantwortung? Die ECA hat das Führungsvakuum, das seit Längerem bei der Uefa herrscht, für ihr Ziel, mehr Geld zu bekommen, taktisch sensationell gut ausgenutzt", sagt Pangl der "Sportbild". Pangl ist nicht alleine, wenn er davon spricht, dass im europäischen Fußball ein riesiges Ungleichgewicht herrscht, welches durch die neuen finanziellen Möglichkeiten noch größer zu werden droht. "Die Konsequenz ist, dass sich die 25 oder 30 größten Klubs praktisch einzementiert haben und es für den Rest schwer bis unmöglich werden wird, in diesen ,closed circle' einzutreten", sagt Pangl.

In einer Simulation wendete der "Kicker" den neuen Verteilungsschlüssel auf die abgelaufene Spielzeit in der Königsklasse an. Sieger Real Madrid hätte 136 Millionen Euro kassiert, Gruppenteilnehmer Maccabi Tel Aviv 19,6 Millionen.

Die Befürchtungen für den Makrokosmos europäische Wettbewerbe treffen auch auf den Mikrokosmos Bundesliga zu. Demnächst wird über die Verteilung der Einnahmen aus dem neuen Fernsehvertrag beraten. Ab 2017 steigen die Einnahmen von jährlich 627,5 Millionen Euro auf 1,16 Milliarden. Die Zweitliga-Klubs pochen auf Einhaltung der 20-Prozent-Klausel fürs Unterhaus. Der Zusammenschluss "Team Marktwert" will eine Bevorzugung von Traditionsklubs. Und die Reichen argumentieren, sie brauchen mehr Geld, um die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich zu gewährleisten. Sollte sich die Reichen durchsetzen, sehen nicht wenige das Interesse am Wettbewerb in Gefahr. "In Deutschland ist die Frage nur noch: Werden die Bayern Anfang März oder schon Mitte Februar Meister?", sagt Pangl.

Der ehemalige DFL-Vorstand Heribert Bruchhagen regte an, sich am US-amerikanischen System ein Beispiel zu nehmen, in dem die schlechtesten Teams zuerst die besten Talente im Draft verpflichten dürfen. Demnach sollte auch der Tabellen-18. mehr TV-Geld erhalten als der Meister. Das könne den Wettbewerb nachhaltig stärken.

Findet kein Umdenken statt, könnte Rummenigge mit seiner Aussage Recht behalten. Denn das Aussterben ist schließlich natürlicher Bestandteil der Evolution.

(erer)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort