Gianluigi Buffon Der alte Mann will noch mehr

Düsseldorf/Cardiff · Nur der Henkelpott fehlt Gianluigi Buffon noch. Am Samstag steht er mit Juventus Turin im Finale der Champions League. Fast die ganze Fußballwelt gönnt ihm den Titel.

Champions League: Die ältesten Finalisten in der Königsklasse
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Foto: dpa, ms ive sam

Im November 1995 wird in Georgien europäische Geschichte geschrieben. Das Parlament wählt den ehemaligen sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse zum Präsidenten. Die ganze Welt schaut zu. In Parma wird zur gleichen Zeit ein neues Kapitel der europäischen Fußballgeschichte aufgeschlagen. Aber das ahnt noch niemand. Parmas Trainer stellt einen 17-jährigen Schlaks ins Tor, der entscheidende Beiträge zu einem torlosen Unentschieden gegen AC Mailand leistet. Bei Milan spielen Weltstars wie Franco Baresi, Paolo Maldini und George Weah. Der Schlaks im Tor von Parma heißt Gianluigi Buffon. Alle nennen ihn Gigi.

Baresi, Maldini und Weah sind längst Fußballrentner. Buffon, seit 2001 bei Juventus Turin, könnte auch schon auf dem Altenteil sein, denn er ist 39 Jahre alt. Manchmal sieht man ihm das Alter sogar an, sein Gesicht spiegelt die Jahre, aber auf seine Leistungen hat es gar keinen Einfluss. Und er hat noch nicht genug. "Eigentlich wird er immer besser", sagt Oliver Kahn, der deutsche Torwart-Titan. In den vergangenen 22 Jahren hat Buffon fast alles gewonnen, nur die Champions League nicht. Morgen bietet ihm das Finale von Cardiff zwischen Juventus Turin und Real Madrid die dritte Gelegenheit. Vor zwei Jahren verlor Juve gegen den FC Barcelona 1:3 und 2003 nach Elfmeterschießen gegen Milan. "Das tat sehr weh", erklärt Buffon, "aber ich war 2003 erst 25 und überzeugt davon, dass ich den Titel noch viele Male gewinnen würde. Das war der jugendliche Leichtsinn."

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Foto: rtr, saw

Mit seiner Präsenz besetzt er nicht nur den Strafraum

Leichtsinnig ist er schon lange nicht mehr. Nicht erst seit dem WM-Titel von Berlin 2006 gilt Buffon als Charakterdarsteller. Sein leidenschaftliches Mienenspiel ist fast so berühmt wie seine besondere Art, den Job des Torwarts zu erledigen. Aus dem dünnen langen Kerl ist ein Athlet geworden, der Eindruck macht mit seinem Bizeps und dem breiten Kreuz. Wahrscheinlich liegt es in den Genen, denn seine Mutter war italienische Meisterin mit Kugel und Diskus, sein Vater Gewichtheber. Der Torwart Buffon gehört zu denen, die das Feld für die Gegner immer ein bisschen kleiner machen. Mit seiner Präsenz besetzt er nicht nur den Strafraum, sondern eine ganze Hälfte. So groß wirkt im Weltfußball allenfalls noch Manuel Neuer - kein Wunder, dass sich die beiden blendend verstehen.

Neuer ist bei weitem nicht der einzige Fußballer, der mit Buffon bestens auskommt. Der Turiner Schlussmann verdankt seinen Ruf, seine Größe auch dem Umstand, dass er selbst mitten im Wettkampf Zeit für ein nettes Wort, eine freundliche Geste findet. Unvergessen ist die Szene aus dem EM-Viertelfinale gegen Deutschland 2016, als er Thomas Müller vom Baum holte. Der deutsche Stürmer hatte eine Meinungsverschiedenheit mit Giorgio Chiellini, die Buffon mit dem gütigen Lächeln eines damals bereits 38-Jährigen aus der Welt schaffte. Bei Buffons breitem Lächeln konnte weder Müller noch Chiellini im Kampfmodus verharren. Und das heißt etwas in einem Viertelfinale.

An Ehrgeiz mangelt es dem Torwart trotzdem nicht. Er betreibt seinen Job im fortgeschrittenen Alter frei von furchterregender Verbissenheit. Buffon begegnet seinen Aufgaben mit der Entspanntheit, zu der nur außergewöhnliche Sportler im Wissen um ihr Talent in der Lage sind. Das heißt nicht, dass es ihm an Respekt vor wichtigen Spielen fehlt. Auch diesen pubertären Leichtsinn hat er abgelegt. Selbstverständlich habe er Angst vor dem Finale, sagt er dem Sender Premium Sport. Das sei freilich die nötige Angst, "die man hat, wenn solche Wettkämpfe bestritten werden. Man muss den Mut finden, diese Angst zu besiegen, und meistens gelingt mir das. Deswegen fühle ich mich viel stärker als die, die keine Angst haben oder sagen, dass sie keine haben".

Buffon hat in 22 Jahren als Profi gelernt, dass zur Stärke gehört, Schwächen einzuräumen. Das macht ihn so nahbar. Und auch deswegen gönnt ihm die ganze Fußballwelt den Titel, der noch in der Sammlung fehlt. Vielleicht nur der Anhang von Real nicht. Aber der bleibt hier mal außen vor.

(pet)
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