Affäre um Max Kruse Wie macht man Profis fit fürs Leben?

Düsseldorf · Die Affäre um Max Kruse wirft die Frage auf, ob Fußballtalente ihre Jugend richtig ausleben dürfen. Ex-Gladbach-Trainer Jürgen Gelsdorf wirbt um Verständnis.

Affäre um Max Kruse: Wie macht man Profis fit fürs Leben?
Foto: Uwe Miserius

Joachim Löw machte Max Kruse am Mittwoch Mut. "Ich war der Meinung, dass er einen Denkzettel braucht. Es soll nicht gleichbedeutend sein mit dem Aus für die EM", sagte der Bundestrainer. "Vielleicht lernt er ja was aus dieser Lektion."

Nach mehreren Verfehlungen abseits des Platzes verpasst der Wolfsburger Fußballprofi vorerst nur die Testspiele der Nationalelf gegen England und Italien.

André Hahn zeigte im Gespräch mit unserer Redaktion Verständnis für seinen ehemaligen Mitspieler bei Borussia Mönchengladbach und sagte: "Ich bin froh, dass ich spät in den Profibereich gekommen bin. Ich hatte meine Jugend noch, ich konnte mit 16 noch jedes Wochenende mit meinen Jungs losziehen und machen, was ich wollte. Das hat niemanden interessiert." Nun gehört Kruse mit 28 Jahren nicht mehr zu den Jungspunden, doch Hahns Aussage wirft die Frage auf, ob Talente im immer jünger werdenden Geschäft Profifußball überhaupt noch ihre Jugend ausleben dürfen.

Jürgen Gelsdorf war in den 1990er Jahren Bundesliga- und Zweitligatrainer. Von 2005 bis Ende 2015 leitete der 63-Jährige das Nachwuchsleistungszentrum von Bayer Leverkusen. Schule, Ausbildung, Fußball, Freizeit. "Da kommen viele an ihre Grenzen", sagt Gelsdorf. Sportpsychologen kümmern sich in den Zentren um die Jugendlichen. Entspannung ist eines der zentralen Themen. A-Jugendliche trainieren dort mittlerweile fünf bis sechs Mal pro Woche. Die Anforderungen an die jungen Sportler, die nach DFB-Vorgabe erst mit 15 Jahren aus ihrem privaten Umfeld ins Fußballinternat wechseln sollen, sind dabei sehr hoch. "Die Verantwortlichen müssen aufpassen, das Rad nicht zu überdrehen", sagt Gelsdorf.

Generell sieht der gebürtige Duisburger am Beispiel Kruse das Problem einer immer transparenter werdenden Gesellschaft, an der nahezu alle jungen Leute in zahlreichen sozialen Netzwerken auch teilnehmen wollen. "Es ist nicht mehr so einfach, aus der Rolle des Leistungssportlers auszubrechen", sagt Gelsdorf und fordert: "Es ist wichtig, dass die Jungs auch den Kopf frei bekommen. Dann sollte man Verständnis dafür haben, wenn einer mal über die Stränge schlägt."

Beim Fall Kruse kenne er die Hintergründe zu wenig, der ehemalige Trainer von Leverkusen, Borussia Mönchengladbach und Fortuna Düsseldorf glaubt aber, dass Joachim Löw in der Vergangenheit immer das richtige Fingerspitzengefühl für ein funktionierendes Gemeinschaftsgefühl gezeigt habe. "Auch, wenn die Strafe auf den ersten Blick ein bisschen hart wirkt."

Die Frage, ob sich im gläsernen Fußball-Business überhaupt noch kernige Typen herausbilden können, stellt sich für Gelsdorf nicht: "Schauen Sie sich mal Thomas Müller an. Außergewöhnliche Typen gibt es immer und wird es immer geben."

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