Wettskandal Ex-Profi Schnitzler hat sich verzockt

Bochum · Ex-Fußballprofi Rene Schnitzler muss sich vor Gericht verantworten, weil er Spiele verschoben haben soll. Beim Prozessauftakt in Bochum schweigt er zunächst.

Wettskandal-Prozess: Rene Schnitzler vor Gericht in Bochum
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Rene Schnitzler vor Gericht in Bochum

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Foto: dpa, rwe jhe

Am Sonntag hat Rene Schnitzler (30) noch für den Rheydter SV auf dem Platz gestanden. Er ist Spielertrainer in der Bezirksliga. Bei der SG Kaarst kassierte sein Team eine 0:4-Niederlage. Das war schon nicht heiter, die Umstände waren es gar nicht. Den staubigen Aschenplatz fand der Trainer nicht angenehm, nach 52 Minuten wechselte er sich aus.

Seit Dienstag steht er als Angeklagter vor dem Landgericht Bochum. Er muss sich dort wegen des Verdachts von bandenmäßiger Spielmanipulation in vier Fällen verantworten. Nicht bei den Amateuren, sondern bei den Profis. Schnitzler war nämlich mal Berufsfußballer, ein großes Talent sogar. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, im Jahr 2008 vier Meisterschaftsspiele seines damaligen Arbeitgebers FC St. Pauli verschoben zu haben. Dazu äußert er sich am ersten von mindestens sechs Verhandlungstagen nicht. Dafür spricht der ehemalige Wettbüro-Betreiber aus Holland, der bereits in Bochum in Haft sitzt. Er bestätigt die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Und er belastet Schnitzler mit seinen Aussagen schwer.

"Ich war der Spielsucht verfallen"

Der wiederum spricht freundlich und ausführlich über seine Spielsucht, seine Spielschulden, seine Therapieversuche und ein Leben mit viel Geld. "Ich war der Spielsucht völlig verfallen", sagt er. Das hat er vor Jahren auch den Journalisten Wigbert Löer und Rainer Schäfer erzählt, die daraus das Buch "Zockerliga. Ein Fußballprofi packt aus" gemacht haben.

In der Bochumer Gerichtsverhandlung wiederholt Schnitzler vieles, was er damals preisgegeben hat. Sein Absturz beginnt, als er auf dem Weg nach oben ist. Der 18-Jährige spielt bei Borussia Mönchengladbachs sogenannten Amateuren in der dritten Liga. Er verdient 2500 Euro im Monat. Einmal fährt er mit einem Kumpel nach Aachen ins Spielcasino. Das ist der Anfang vom Ende. "In den ersten 14 Tagen danach war ich neunmal da", bekennt Schnitzler, "ab da hat das Spielen meinen Lebensrhythmus bestimmt."

Zunächst spielt er Roulette, und weil die Öffnungszeiten des Casinos nicht reichen, geht er in illegale Spielclubs, "Spielhöllen" nennt er sie. Er spielt Black Jack und Poker, bald hat er Schulden. Oft fährt er aus den Clubs direkt zum Training.

Trotzdem bleibt er vorerst ein erfolgreicher Torjäger. Ein halbes Jahr darf er bei Bayer Leverkusen ein Stück der großen, weiten Fußballwelt sehen. Aber auch da wird gezockt, weil alle zu viel Geld haben. Im Buch beschreibt er die passende Szene, im Gericht lässt er sich von seinem Verteidiger Rainer Pohlen dazu drängen, sie noch einmal zu schildern. Bei einem Auswärtsspiel warten die Profis am Gepäckband auf ihre Koffer. Ein Hut geht herum, jeder wirft 500 Euro rein. Der, dessen Koffer als erster um die Ecke biegt, sackt den Einsatz ein.

Schnitzler findet solche Spielchen normal. "Mich reizt vor allem der hohe Einsatz, das Kribbeln", erklärt er, "irgendwann war es mir egal, ob ich gewinne oder verliere." Er verliert manchmal sehr ordentlich.

Aber er spielt auch weiter ordentlich Fußball. Der Zweitligist FC St. Pauli verpflichtet den Stürmer, der mit 50.000 Euro Schulden in Hamburg ankommt, aber sicher ist, "das hast du mit drei Monatsgehältern wieder raus".

Schnitzler schweigt zu den Vorwürfen

Natürlich zockt er in Hamburg weiter, manchmal online, manchmal in Klubs. Auch dort kommt er aus den Spielhöllen oft direkt zum Training. Seine Leistungen werden schwächer. Aber ihn interessiert nur noch die Zockerei. Er fährt dicke Autos ("warum soll ich Polo fahren, wenn ich mir einen Mercedes leisten kann"), deren Leasingraten er bald nicht mehr bedienen kann. Er leiht sich Geld — häufig große Summen bei finsteren Gesellen, "die nicht gerne und nicht lange auf ihr Geld warten". Er gerät in die Abwärtsspirale. Sein Konto ist schnell geplündert. Und an der Stelle beginnt die Geschichte der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Die Behörde will belegen, dass Schnitzler von einem holländischen Wettpaten 90.000 Euro bekommen hat, um Spiele des FC St. Pauli zu verschieben. Gleichzeitig habe er bei dem Holländer Wetten auf diese Spiele platziert, die ihm noch mal mindestens so viel Geld eingebracht haben sollen. Der Holländer sagt: "Im Großen und Ganzen stimmt das." Schnitzler schweigt.

Bei den Schilderungen der Spielsucht, "dieser anerkannten Krankheit", bleibt er lebhaft. Inzwischen hat er eine Therapie gegen die Sucht hinter sich. Aber ab und an leidet er an Entzugserscheinungen. Dann lässt er sich von seiner Mutter zehn oder 20 Euro geben, die er in einem Spielautomaten versenkt. Danach hören die Schweißausbrüche auf. Alle zwei, drei Wochen kommt es zu diesen Anfällen. An den großen Spieltisch will er auf keinen Fall zurück. Und in den großen Fußball kommt er nicht zurück. "In zwei Jahren habe ich alles weggeworfen", sagt er. Sein Anwalt nickt zur Bestätigung.

(RP)
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