Stuttgart, Bremen, Frankfurt Der selbst verschuldete Absturz der Traditionsklubs

Frankfurt/Main · Gleich drei großen Traditionsklubs droht am Samstag der Bundesliga-Abstieg. Der VfB Stuttgart, Werder Bremen und Eintracht Frankfurt am Abgrund - was ist da nur schiefgelaufen?

Bundesliga 15/16: Das Restprogramm der Abstiegskandidaten
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Das Restprogramm der Abstiegskandidaten

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Foto: dpa, ade hpl

Man muss sich die Ausgangslage vor dem letzten Bundesliga-Spieltag noch einmal genau vor Augen führen. Am Samstag machen der Klub aus der fünftgrößten Stadt Deutschlands (Eintracht Frankfurt), der sechstgrößten Stadt Deutschlands (VfB Stuttgart) und die Nummer zwei der ewigen Bundesliga-Tabelle (Werder Bremen) den zweiten Absteiger unter sich aus.

Parallel dazu wird in Darmstadt, Ingolstadt und vielleicht auch Mainz groß gefeiert, weil deren Vereine sich längst gerettet haben. Das geht nur, weil die einen besonders viel richtig, die anderen teilweise über Jahre aber auch besonders viel falsch gemacht haben. Stuttgart, Bremen und Frankfurt stehen in der Tabelle nicht zufällig so weit unten.

Das Kernproblem ist in Stuttgart das gleiche wie in Bremen: Ein Verein spielt jahrelang im Europapokal, leistet sich einen entsprechend teuren Kader - und kann den nicht mehr bezahlen, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt. Ein Teufelskreis.

Beim VfB kommt aber hinzu: Als er ein sportliches Konzept und eine langfristige Planung besonders dringend gebraucht hätte, gab es nichts davon. Labbadia, Schneider, Veh, Zorniger, Kramny und zweimal Stevens: In weniger als drei Jahren beschäftigte der Verein gleich sechs Trainer völlig unterschiedlicher Prägung. Der Gipfel des vereinspolitischen Chaos' war, dass Sportchef Robin Dutt öffentlich die Arbeit und Transferpolitik seines Vorgängers Fredi Bobic an den Pranger stellte - um danach selbst bis auf wenige Ausnahmen völlig untaugliche Spieler zu holen. "Ich will das ausbügeln", sagt Dutt jetzt. Die Frage ist, ob er auch die Chance dazu bekommt.

Der Verkauf von Marko Marin an den FC Chelsea war 2012 wie ein Symbol für das Ende einer Ära. Mehrere Jahre hatte Werder in der Liga ganz oben mitgespielt, sechs Mal die Champions League erreicht und zuletzt 2009 mit dem DFB-Pokal einen Titel gewonnen. Mit Kauf und Verkauf des damaligen Nationalspielers Marin waren die fetten Jahre vorbei.

Zu viele Millionen-Einkäufe am Ende der Ära Allofs/Schaaf konnten die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Das gilt für Marin, den teuersten Einkauf der Vereinsgeschichte. Das gilt aber auch für die sündhaft teuren Brasilianer Carlos Alberto und Wesley sowie Marko Arnautovic oder Eljero Elia. Die hohen Gehälter, die in den erfolgreichen Jahren auf Champions-League-Niveau vereinbart worden waren, ruinierten vier Mal in Folge die früher so gute Werder-Bilanz. Der Gesamtverlust des einstigen Vorzeigevereins seit der bislang letzten Europapokal-Saison 2010/2011 beträgt 37,5 Millionen Euro. Auch das Eigenkapital ist inzwischen nahezu aufgebraucht. Werder musste und muss sparen - und verlor dadurch immer mehr an sportlicher Substanz.

"Ich möchte ein bisschen träumen können", sagte Armin Veh, als er vor einem Jahr als Trainer nach Frankfurt zurückkam. Und genau dieses Träumen war das Problem. Nicht nur Veh, sondern auch alle anderen Verantwortlichen überschätzten das Potenzial ihres Teams kolossal.
Sie schielten Richtung Europa League, aber sie verpassten es im Sommer, die offenkundigen Schwachstellen im Kader gezielt zu beheben. Als dann im Winter noch einmal fünf neue Spieler kamen, halfen dem Klub bestenfalls zwei von ihnen weiter (Huszti, Ben-Hatira).

Es war ein Fehler, Veh überhaupt zurückzuholen und dann bis März an ihm festzuhalten. Nicht, weil der 55-Jährige ein schlechter Trainer ist. Aber weil mit ihm das Laissez faire regierte. Die Spieler mochten ihn, einige Führungskräfte sind mit ihm sogar befreundet. Veh habe zwar "für eine entspannte Stimmung gesorgt, die harte Arbeit aber trat hinter diese Priorität zurück", schrieb die "SZ". Unter seinem Nachfolger Niko Kovac rennt und kämpft die Eintracht jetzt.
Das fällt auch deshalb so auf, weil sie es vorher kaum tat.

(dpa)
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