Ultras, DFB und Vereine Der ultimative Krisengipfel

Düsseldorf · Am Donnerstag treffen sich Vertreter des DFB, der Vereine und der aktiven Fanszenen. Erstmals sitzen die drei Parteien gemeinsam an einem Tisch. Es könnte die letzte Chance sein, die großen Problemstellungen im Dialog anzugehen.

Borussia Mönchengladbach - 1. FC Köln: Fans protestieren gegen DFB
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Fans protestieren beim Derby gegen DFB

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Foto: Dirk Päffgen

Zeit für Veränderungen - mit dieser Maßgabe reist die aktive Fußballfanszene am Samstag aus allen Ecken Deutschlands nach Frankfurt. In der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) treffen sich die Anhänger mit Verbandsfunktionären und Vereinsvertretern. Erstmals sitzen alle Parteien an einem Tisch. Das Thema: Die Zukunft des Fußballs und der Umgang miteinander. Es steht zu befürchten, dass die Kluft bereits zu groß ist.

Die Streitparteien haben solch unterschiedliche Auffassungen über die Rahmenbedingungen des Fußballs, dass ein harmonisches Miteinander nicht möglich scheint. Auf der einen Seite der stetig wachsende Verband, der auf allen Ebenen in Gigantismus verfällt, bei dem das Wort Bodenhaftung nur noch als Worthülse für Marketingzwecke Bedeutung findet. Auf der anderen Seite Fanbündnisse und Ultras, als selbst ernannte Beschützer des Volkssports und der ihrer Meinung nach einzig wahren Fankultur, die ihre Werte Jahr für Jahr mit immer größer werdenden Füßen getreten sehen.

Nun also ein runder Tisch. Am Wochenende hatten sich Fans bundesweit mit Bannern und Gesängen auf das Treffen eingestimmt. Das Bündnis "Südtribüne Dortmund" schrieb auf seiner Internetseite: "In unseren Augen sind die bundesweiten Proteste aller Fans die letzte Möglichkeit sich aktiv einzubringen und etwas Substanzielles in Bezug auf Fanbelange im Milliardengeschäft Fußball zu erreichen. Und um die Kluft zwischen den Verbänden und der vielzitierten Basis - uns Fans - nicht noch weiter zu vergrößern und irreparabel zu beschädigen."

Themenschwerpunkte der Anhänger sind dabei vor allem die Zerstückelung der Anstoßzeiten, die Eventisierung - wie der Auftritt von Helene Fischer beim DFB-Pokalfinale -, die DFB-Sportgerichtsbarkeit und die immer weiter zunehmende Kommerzialisierung - speziell mit der Öffnung in Richtung China.

Bereits in den vergangenen Jahren hatte es einen Austausch zwischen Verbänden und Fans im Rahmen verschiedener Arbeitsgemeinschaften gegeben. Dabei fühlten sich die Fans allerdings nicht wirklich ernst genommen. 2010 brach der DFB zum Beispiel Gespräche mit Vertretern der aktiven Fanszenen zur Kampagne "Emotionen respektieren, Pyrotechnik legalisieren" ab. Danach herrschte Funkstille - bis zu diesem Sommer.

Im Juli hatte der DFB erstmals wieder den Kontakt zur aktiven Fanszene gesucht. Eigentlich wollte die DFB-Delegation nur mit Vertretern der Gruppierung "Ultras Dynamo" aus Dresden über deren Camouflage-Auftritt samt Botschaft "Krieg dem DFB" diskutieren. Doch vor Ort warteten rund 50 Ultras - von Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet. Als erstes Zeichen des Entgegenkommens empfahl der Verband kurz darauf seinem Kontrollausschuss, keine Kollektivstrafen mehr zu beantragen. "Bis auf Weiteres" wolle der DFB "keine Sanktionen wie die Verhängung von Blocksperren, Teilausschlüssen oder Geisterspielen mehr", sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel.

Nun gehen die Gespräche in die nächste Runde. Diesmal im Beisein von Vereinsvertretern. Die Fans hoffen auf offene Visiere und Gespräche auf Augenhöhe. "Dieses Treffen kann maßgeblich für den weiteren Verlauf der Saison sein", schrieb die Dortmunder Ultràgruppierung "The Unity" vielsagend in ihrem Spieltagsflugblatt am vergangenen Samstag. "Es wird interessant sein zu sehen, wie sich Verbände und Vereine verhalten, wenn alle Partner am Tisch sitzen und sich positionieren müssen. Viel zu oft wurde in Hintertürgesprächen der Schwarze Peter gespielt und die gerade nicht anwesende Partei als Feigenblatt missbraucht. (...) Die Zeit der Ausreden ist aber jetzt vorbei. Alle sitzen gemeinsam am Tisch und müssen sich offen sagen, was Sache ist."

Es bleibt fraglich, wie sehr das Wirtschaftsunternehmen DFB und die Profiligenvertretung DFL überhaupt Zugeständnisse machen können. Sicher ist aber: Im Gegenzug wird der DFB klare Positionierungen gegen Pyrotechnik, Vandalismus und Gewalt in jeglicher Form erwarten. Und auch hier scheinen die Hürden unüberwindbar. Im Selbstverständnis vieler Ultras gehören diese Vorgänge - auch wenn sie intern kontrovers diskutiert werden - zum Volkssport Fußball.

(erer)
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