Innenminister de Maizière "Abschaffung der Relegation keine Lösung"

Berlin · Für Bundesinnenminister Thomas de Maizière wäre die Abschaffung der Relegation angesichts der jüngsten Fan-Ausschreitungen keine Lösung. Auch Fanforscher sehen die Relegation nicht grundsätzlich als Übel. Vereinsverantwortliche sind da kritischer.

 Innenminister Thomas de Maizière

Innenminister Thomas de Maizière

Foto: rtr, HAN/

"Gewalt durch angebliche Fußballfans ist in jeder Hinsicht inakzeptabel", sagte der für den Sport zuständige CDU-Politiker de Maizière dem "kicker": "Ich habe Zweifel, dass eine Änderung der sportlichen Abläufe und Regeln eine Lösung ist."

In beiden Relegationen hatte es zum Abschluss der Saison erhebliche Sicherheitsprobleme gegeben. Nach der Partie zwischen Eintracht Braunschweig (2. Liga) und Bundesligist VfL Wolfsburg war es zu einem Platzsturm gekommen. Im entscheidenden Spiel zwischen Zweitligist 1860 München und Jahn Regensburg (3. Liga) hatten Randalierer eine Spielunterbrechung provoziert. Sitzschalen und Eisenstangen flogen auf den Platz.

"Wer Ordner und Polizisten attackiert, ist in Wahrheit kein Fußballfan und gehört nicht ins Stadion, sondern hinter Schloss und Riegel. (...) Die Täter schaden ihrem Verein, und sie schaden dem gesamten Fußball", sagte de Maizière, für den eine "noch stärkere Vernetzung aller Beteiligten" ein Lösungsansatz ist.

Gewaltproblem nicht auf den Fußball zu reduzieren

"Wichtig ist die konsequente Strafverfolgung. Es handelt sich in diesen Fällen um Gewalttaten und um Gewalttäter und somit Straftäter. Die Vereine müssen konsequent sein im Aussprechen von Stadionverboten und in deren Kontrolle", sagte er: "Ein weiterer Baustein, auf den ich setze, sind die Selbstregulierungsprozesse innerhalb der Fanszenen."

Das Gewaltproblem sei aber nicht nur auf den Fußball zu reduzieren. "Wir sind hier alle als Gesellschaft gefragt und gefordert, der zunehmenden Verrohung und vor allem jeder Form von Hass und Gewalt entschieden entgegenzutreten, auf unseren Straßen und im Internet", sagte er: "Ich möchte den Anstieg der Gewaltdelikte im letzten Jahr als einen Weckruf nutzen. Einen Weckruf an uns alle, Respekt, Maß und Gewaltlosigkeit in unserer Sprache und unserem Handeln wieder mehr zur Geltung zu bringen und das Problem nicht nur allein Polizei und Justiz zu überlassen."

Zudem bekräftigte der Innenminister, dass weiterhin der Staat für die Polizeikosten aufkommen müsse. "Wir bleiben dabei: Der Staat, im Fall von Veranstaltungen konkret das jeweilige Bundesland, ist für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zuständig. Das gilt selbstverständlich auch für die Sicherheit bei Fußballspielen", sagte er.

Das Bundesland Bremen verschickte zuletzt Gebührenbescheide an die Deutsche Fußball Liga (DFL), um die Mehrkosten bei Risikospielen in Rechnung zu stellen. Das Bremer Verwaltungsgericht hatte das Mitte Mai in erster Instanz als "rechtswidrig" verurteilt.

Einführung der Relegations als "Rückkehr eines Spannungsfaktors"

Für Fanforscher Gunter A. Pilz sind die Relegationsspiele aufgrund der "hochemotionalen Stimmung" zwar risikobehaftet, eine Abschaffung oder Modusänderung sei für ihn aber keine Lösung. "Es wäre ein Eigentor, wenn man sich von den Chaoten diktieren lässt, in welchem Format man spielt. Das wäre eine Kapitulation vor der Gewalt", sagte Pilz dem SID.

Als die Relegation 2009 wieder eingeführt wurde, begründete der damalige DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus dies mit der "Rückkehr eines Spannungsfaktors". Vor allem die TV-Partner waren darüber glücklich. Drei Jahre später kam es zum Skandalspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC, als Fortuna-Anhänger Bengalos gezündet und aus Freude über den bevorstehenden Aufstieg zwei Minuten vor dem Schlusspfiff den Platz gestürmt hatten. Hertha legte Protest gegen die Wertung ein, scheiterte aber vor Gericht. Ein Jahr zuvor hatten Krawallmacher von Dynamo Dresden trotz der erfolgreichen Zweitliga-Relegation in Osnabrück mit Tritten und Schlägen gegen Polizisten, Ordner und Fotografen gewütet.

Unter den Fans ist die Meinung gespalten

In England spielen vier Zweitligisten im Play-off-Format den dritten Aufstiegsplatz untereinander aus, das Endspiel findet auf neutralem Boden im Wembley-Stadion statt. In diesem Jahr schaffte so der deutsche Trainer David Wagner mit Huddersfield Town den Sprung in die lukrative Premier League.

"Die Idee ist nicht so verkehrt. Der Kampf um den Aufstieg ist dort positiver besetzt, weil alle aus der gleichen Liga kommen und eigentlich nur gewinnen können", sagte Marc Arnold, Sportchef beim Zweitligisten Eintracht Braunschweig, dem SID.

Er ist der Meinung, dass die Zuspitzung in der Relegation "nicht von der Hand zu weisen" sei, denn sie "weckt Emotionen und schürt Brisanz". Sportdirektor Rouven Schröder vom FSV Mainz 05 meinte: "Wenn Fehlentscheidungen kommen, wenn Ausschreitungen kommen, dann sollte man die Relegation zumindest hinterfragen."

Unter den Fans ist die Meinung so gespalten wie bei den Klub-Verantwortlichen. In einer SID-Umfrage durch bundesligabarometer.de sprachen sich 60 Prozent der 5800 befragten Teilnehmer für eine Beibehaltung der Relegation-Duelle aus. 40 Prozent hingegen plädierten für eine Abschaffung.

(sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort