Spielerberater Die Strippenzieher der Bundesliga

Düsseldorf · Ein Führungszeugnis reicht, um im Fußball als Spielerberater arbeiten zu dürfen. Dadurch tummeln sich auch viele schwarze Schafe in der Branche und mischen mit im Milliardengeschäft. Ex-Nationalspieler Simon Rolfes fordert einen Führerschein für Berater.

Gut vernetzt ist halb gewonnen: Die Spielerberater Volker Struth (l.) und Dirk Hebel (r.) bei einer Firmenfeier mit dem ehemaligen Leverkusen-Manager Reiner Calmuznd.

Gut vernetzt ist halb gewonnen: Die Spielerberater Volker Struth (l.) und Dirk Hebel (r.) bei einer Firmenfeier mit dem ehemaligen Leverkusen-Manager Reiner Calmuznd.

Foto: imago sportfotodienst

127,73 Millionen Euro — so viel haben die Fußball-Bundesligisten in der vergangenen Saison an Spielerberater gezahlt. Zum Vergleich: Das sind knapp 18 Millionen Euro mehr als Borussia Dortmund für Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan zusammen eingenommen hat. Spitzenreiter der Berater-Tabelle ist der FC Schalke 04 mit 16,86 Millionen Euro. Die Branche der Berater ist undurchsichtig und von negativen Vorurteilen überlagert. Eine Momentaufnahme.

Dass in diesem Jahr erstmals überhaupt offizielle Zahlen zum Geldfluss veröffentlicht wurden, ist auf die neue Vorschrift des Fußball-Weltverbandes, "Fifa-Reglement zur Arbeit mit Vermittlern", zurückzuführen, die seit 1. April gilt. Damit will die Fifa mehr Transparenz schaffen. Spielerberater werden in Deutschland bei einem Vertragsabschluss vom Verein bezahlt. Je nach Verhandlungsgeschick gehen dann jährlich fünf bis zwölf Prozent des Brutto-Jahresgehalts des Spielers an den Berater.

Jörg Neblung behauptet sich seit Ende der 1990er Jahre in diesem Geschäft. Zu seinen Klienten gehörten Robert Enke, Timo Hildebrand und Bastian Reinhardt. Sein aktuell wertvollster Klient ist Robin Himmelmann, Torhüter beim Zweitligisten FC St. Pauli. Neblung sagt in einem Fernsehbeitrag: "Es gibt eine Kultur des Mitverdienens von Brüdern oder Kumpels von Spielern. Das macht das alles nicht leichter."

Immer mehr Leute wittern schnell zu verdienendes Geld und drängen in den Markt. Denn: Seit dem 1. April 2015 ist die Lizenzprüfung für Spielerberater abgeschafft worden. Damit ist jede Person, die ein entsprechendes Führungszeugnis vorweisen kann, in der Lage, Spielerberater zu werden. Ende 2014 lag die Zahl der lizenzierten Berater bei 450, mittlerweile sind es viel mehr. Der Wettbewerb um die 527 Spieler, die in der Bundesliga derzeit unter Vertrag stehen, ist groß.

Simon Rolfes, Ex-Profi von Bayer Leverkusen, hat noch während seiner aktiven Karriere 2012 mit Finanzexperte Markus Elsässer die Rolfes&Elsässer Career Company gegründet. Rolfes sieht es nicht kritisch, dass die Lizenzierungsprüfung in ihrer alten Form abgeschafft wurde. "Dieser Multiple-Choice-Test hat es auch nicht besser gemacht", sagt der 34-Jährige, dessen Agentur sich derzeit vor allem auf die Unterstützung junger Talente unter 18 Jahren spezialisiert hat. "Es ist schwierig, aber so wie es eine Trainerausbildung gibt, sollte es auch eine Ausbildung für Berater geben, um Qualitätsunterschiede auch in diesem Bereich noch sichtbarer zu machen." Solch eine Pflicht gibt es noch nicht. Hochschulen bieten mittlerweile aber den Studiengang "Athletenmanagement" an.

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Der Wunsch des Großteils der Branche: schwarze Schafe aussortieren. Das gestaltet sich aber schwierig. Neblung hat schon häufig angedeutet, dass manche Vereine mit gewissen Beratern Einigungen haben — so genannte Kickback-Deals. Dabei zahlen die Vereine verdeckte Provisionen. Ein Interessenskonflikt entsteht, da der Berater nicht mehr nur im Sinne des Spielers handelt.

Für Rolfes ist der geschädigte Ruf der Branche aber nicht nur auf die teils miesen Geschäfte seiner Kollegen zurückzuführen. "Die Vereine machen es sich auch manchmal einfach und schieben in den Medien die Schuld auf die Berater. Drei Minuten nach dem Interview rufen sie den Berater dann an und fragen, wo sie noch schnell einen Linksverteidiger herbekommen", sagt er. "Das Geschäft wird immer transparenter. Es wird ein Prozess, der nicht von heute auf morgen geht, aber die schwarzen Schafe werden weniger werden."

Was die Wahl des richtigen Beraters angeht, rät die Spielergewerkschaft zur sorgsamen Umsicht. Denn das Tätigkeitsfeld beschränkt sich meist nicht nur auf den Verhandlungstisch. Vor allem der Job des Seelenklempners wird nach Ansicht der Berater häufig unterschätzt. Gespräche über die Beziehung zum Trainer, zur Freundin, über den Ernährungsplan, Trainingseinheiten und die Leistung in den Spielen sind demnach mit entscheidende Kriterien für eine funktionierende Spieler-Berater-Beziehung. Dabei fällt immer wieder das Wort Vertrauen. "Es geht darum, einen Vertrauten zu finden. Vereine, Manager, Trainer - das alles ändert sich während einer Karriere. Der Berater bleibt im besten Fall die ganze Zeit an der Seite."

Aus Neblungs Sicht übernehmen diese Tätigkeiten aber zunehmend Familienangehörige oder Freunde, die dem Spieler noch näher stehen. Und nicht selten führen diese dann auch irgendwann die Verhandlungen. Gregor Reiter, Anwalt und Geschäftsführer der "Deutschen Fußballspieler-Vermittler Vereinigung", sagt in einem Interview mit der "Welt": "Die Vereine freuen sich, denn sie machen bei Verhandlungen mit Familienangehörigen fast immer ein Plus. Die Spieler aber verlieren." Rolfes stößt ins selbe Horn: "Grundsätzlich sollten Karrieren nicht am Küchentisch besprochen werden. Wenn die Eltern gleichzeitig Manager sind, ist das keine gute Konstellation. Da sollte man aus einer Unprofessionalität herauskommen. Wenn wir krank sind, operieren wir uns ja auch nicht selbst, sondern gehen zum Arzt."

(erer)
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