Bundesliga-Hingucker Tierfreund Neuer, Staatsfeind Hummels und ein Eisenschädel

Düsseldorf · Manuel Neuer hat sich am 32. Spieltag der Bundesliga als Tauben-Hüter versucht, Mats Hummels den blanken Hass einiger BVB-Fans ertragen müssen. Und André Hahn versaute den Bayern die vorzeitige Meisterschaft. Das und mehr in unseren Hinguckern des Spieltages.

Borussia Dortmund: Pfiffe und Plakate gegen Hummels
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Pfiffe und Plakate gegen Hummels

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André Hahn genoss die Rolle als Partyschreck. "Wir wollten hier nicht Spalier für die Bayern stehen", berichtete der einmalige Nationalspieler nach dem Gladbacher 1:1 in München. Der 25-Jährige freute sich diebisch über sein Ausgleichstor und die Konsequenzen, die Saisontreffer Nummer fünf hatte. "Es ist natürlich auch schön, gegen Manuel Neuer ein Tor zu schießen", sagte Hahn über den platzierten Flachschuss in der 72. Minute, den auch der Weltmeister-Torwart nicht halten konnte. "Damit haben wir den Bayern ihre Meisterfeier versaut, aber das ist mir ehrlich gesagt egal."

Das Tor und der Punkt waren ja vor allem für die Borussia wichtig. Sie steht nun auf Platz vier, der zur Champions-League-Qualifikation berechtigt. Das ist jetzt das große Gladbacher Ziel in den letzten zwei Partien gegen Bayer Leverkusen und auswärts in Darmstadt.

Hahn könnte dafür ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Nach dem Bruch des Schienbeinkopfes und mehr als vier Monaten Pause ist er wieder voll da. "André kommt unglaublich über die Mentalität", pries ihn Trainer André Schubert. "Er ist durchsetzungsfähig." Das zeigte Hahn in München nicht nur beim Tor. "Wir brauchten unbedingt diesen Punkt. Den kleinen Lauf, den ich derzeit habe, möchte ich nutzen", verkündete Hahn. Er möchte wieder in die Champions League.

Manuel Neuer und die Tauben im Strafraum des FC Bayern München
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Torwart Neuer wird zum "Tauben-Hüter"

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Es war nicht der Tag des FC Bayern. Beim 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach verpasste der Rekordmeister den historischen vierten Titel in Serie. Und auch die Greenkeeper der Allianz-Arena werden das Spiel so schnell nicht vergessen. Denn während der zweiten Halbzeit machte es sich ein Schwarm Tauben im Strafraum von Neuer gemütlich und pickte fröhlich auf dem Grün herum. Dass bei soviel Vogelkunde ausgerechnet Hahn den Ausgleich für die Borussia erzielte, hätte sich kein Drehbuchautor besser ausdenken können.

Tierische Szenen haben bei den Bayern schon Tradition. Die Flugeinlage von Sepp Maier im Mai 1976 darf in keinem Bundesliga-Rückblick fehlen. Im Spiel gegen den VfL Bochum verirrte sich plötzlich eine Ente zu Maier. Mit einem beherzten Hechtsprung versuchte Maier, das Federvieh einzufangen. Doch er hechtete daneben.

Es war mit Abstand das schwierigste Heimspiel in der Karriere des Mats Hummels. Teile der eigenen Fans pfiffen den Dortmunder Kapitän beim 5:1-Erfolg gegen den VfL Wolfsburg bei jedem Ballkontakt aus, auf der Südtribüne war ein Plakat mit der Aufschrift "Der Kapitän geht als erster von Bord, am besten sofort" zu lesen. Als die Dortmunder Spieler sich nach dem Sieg artig bei den Fans bedankten, wünschten einige von ihnen Hummels zum Teufel und wollten ihn wegschicken. Doch Hummels blieb tapfer, verdrückte ein paar Tränen und klatschte.

Ob Uli Hoeneß Schuld an dem Hass der BVB-Fans auf ihren Kapitän Schuld ist? Der frühere Bayern-Präsident hatte vor der Partie erklärt: "Wenn einer an die Tür klopft, dann wird der FC Bayern schlecht beraten sein, die Tür nicht aufzumachen." Dies brachte zunächst endgültig die BVB-Fans gegen ihren langjährigen Kapitän Hummels auf — und dann diesen gegen Hoeneß. "Ich habe mich nirgendwo angeboten. Das ist der größte Humbug, den ich je gehört habe", schimpfte Hummels, ohne von Karl-Heinz Rummenigges Klarstellung ("Angeklopft hat Bayern München, nicht Mats Hummels. Mats ist nicht offensiv auf uns zugegangen, wir haben gefragt, ob er sich einen Wechsel vorstellen könnte.") zu wissen.

Ob der wechselwillige Hummels ohne die Aussagen Hoeneß' nicht ausgepfiffen worden wäre, ist Spekulation. Wahrscheinlich hätten die BVB-Fans Hummels trotzdem ihren Unmut über seinen Wunsch, im Sommer zum FC Bayern zu wechseln, spüren lassen. So oder so: Der Umgang mit dem Kapitän gehört nicht gerade zu den Glanzleistungen der Dortmunder Fans.

Bicakcic muss blutüberströmt behandelt werden
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Bicakcic muss blutüberströmt behandelt werden

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Fast eine Stunde nach Abpfiff berichtete ein Sprecher von 1899 Hoffenheim, dass es eine Weile bei Ermin Bicakcic dauern werde. "Da gibt es noch einiges zu tun." Erst als einer der letzten Profis kam der Innenverteidiger danach aus der Kabine, mit einem großen Pflaster zwischen den Augen. "Sieben Stiche", gab Bicakcic zu Protokoll — und lächelte. Eisen-Ermin, wie der Ex-Braunschweiger genannt wird, machte am Samstag beim 2:1-Bundesliga-Sieg gegen den FC Ingolstadt seinem Namen alle Ehre.

Nach einer Viertelstunde ging Bicakcic nach einem Zweikampf mit Benjamin Hübner zu Boden gegangen, seine Mitspieler winkten hektisch den Mannschaftsarzt herbei. Aufgrund einer Platzwunde musste der Bosnier mit blutüberströmtem Gesicht an der Seitenlinie schon mal provisorisch genäht werden. Hübners Aktion kommentierte der 28-Jährige, als er dann nach dem Abpfiff endgültig geflickt war, mit einer eindeutigen Geste: Bicakcic riss den Ellbogen nach oben.

Mit einem blauen Kopfverband ("Ich sah aus wie ein Zombie") ging's weiter, keine Problem für den Eisenschädel: "Ich war geladen." Sein Trainer hatte daran kaum Zweifel. "Als Ermin am Boden lag und versuchte, die Fans anzufeuern, da war mir klar, dass er weiterspielt", meinte Julian Nagelsmann.

Die Gefühlslage bei Jerome Boateng war zwiespältig. Zum einen war der 27 Jahre alte Innenverteidiger nicht gerade erfreut darüber, dass Bayern München beim 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach den ersten Meister-Matchball vergab. Zum anderen war er aber "glücklich, dass ich endlich wieder auf dem Platz stand".

68 Minuten durfte der Weltmeister spielen, nachdem er drei Monate gefehlt hatte. Nach holprigem Beginn mit zwei, drei Fehlpässen sei er mit seiner Leistung "recht zufrieden" gewesen, meinte Boateng anschließend. Er habe sich "gut bewegt und gute Bälle gespielt", lobte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.

Auch wenn sich Boateng "noch nicht auf dem gleichen Niveau wie vor der Verletzung" sieht: Für das Halbfinal-Rückspiel in der Champions League am Dienstag (20.45 Uhr/Live-Ticker) fühlt er sich auf jeden Fall "bereit. Wenn der Trainer sagt, dass ich spiele, werde ich alles geben". Guardiola ließ sich aber nicht in die Karten schauen. Man müsse abwarten, "wie seine Kondition nach diesem Spiel ist. Wir werden das dann analysieren".

Boateng hatte sich Ende Januar einen Muskelriss im Adduktorenbereich zugezogen und vor knapp zwei Wochen erstmals wieder mit der Mannschaft trainiert und nun sein Comeback gefeiert. Auch Bundestrainer Joachim Löw dürfte sich mit Blick auf die EM in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli) darüber gefreut haben.

"Mats Hummels: Meuterei auf der Borussia" – Pressestimmen
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32. Spieltag: Pressestimmen

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Reden wollte Pierre-Emerick Aubameyang am Samstag nicht, seine gute Laune war dennoch nicht zu übersehen. Mit einem breiten Grinsen tanzte der Borussia-Stürmer nach seinem beeindruckenden Kurzauftritt beim 5:1 (2:0) gegen den VfL Wolfsburg regelrecht durch die Katakomben des Dortmunder Stadions.

Weil er ihm nach anstrengenden Wochen und einer kleinen Blessur etwas Schonung für wichtige Spiele wie das Pokalfinale verordnete, hatte Thomas Tuchel "Afrikas Fußballer des Jahres" zuletzt zum Kurzarbeiter umfunktioniert. Doch gegen Wolfsburg reichten "Auba" selbst 21 Minuten für zwei weitere Treffer.

25 hat der pfeilschnelle Stürmer in der Bundesliga nun auf dem Konto. Zwei trennen ihn im Kampf um die Torjäger-Kanone noch von seinem früheren Mitspieler Robert Lewandowski (heute Bayern München). Aubameyangs Chancen auf den individuellen Titel sind damit höher als die seines fünf Punkte zurückliegenden Klubs auf die Meisterschaft.

Vielleicht lässt Tuchel seinen besten Stürmer, der gegen Wolfsburg innerhalb weniger Sekunden zweimal per Kopf traf, deshalb bald wieder von Anfang an ran. Aubameyang wird es sicher wollen, und er wird es Tuchel sicher auch sagen. In der Öffentlichkeit sagte er dazu aber lieber nichts. Seine Tore waren die besten Argumente.

Die Überschrift für seine famose Torserie lieferte Julian Brandt höchstpersönlich. "Der Schlagzeile 'Läuft bei dir' würde ich voll zustimmen", sagte der Youngster von Bayer Leverkusen nach dem 2:1-Sieg gegen Hertha BSC, bei dem er nach 76 Sekunden die Führung erzielte. In sechs Spielen in Folge hat Brandt nun getroffen, sein Anteil am vorzeitigen Einzug in die Champions League ist enorm.

"Für mich ist das natürlich top. Aber der dritte Platz ist wichtiger als meine sechs Tore", sagte Brandt zwei Tage vor seinem 20. Geburtstag gewohnt bescheiden. Dabei hat der U21-Nationalspieler ein Stück Bundesliga-Geschichte geschrieben: Als Teenager hatte bislang nur Dieter Müller (1. FC Köln) Anfang 1974 eine solche Serie geschafft.

Kurios zudem: Neun seiner 15 Bundesliga-Tore hat der Blondschopf im April erzielt. Fast schon schade, dass der Monat nun endete. Wobei: im Mai könnte ein Highlight warten, gibt Joachim Löw bald doch sein EM-Aufgebot bekannt. "Klar würde ich gerne zur EM fahren", sagte Brandt: "Aber ich bin da relativ gelassen. Was kommt, das kommt."

Was für eine Woche für Änis Ben-Hatira. Zuerst sorgte der Frankfurter mit einem Foto von Dopingmitteln für Wirbel, als er dieses bei Snapchat postete. Am Morgen des wichtigen Spiels der Eintracht bei Darmstadt 98 bestritt Ben-Hatira vehement den Missbrauch von Dopingmitteln. Er habe lediglich den Tisch fotografiert. "Ich war ganz normal zur Behandlung. Ich habe vom Herrn Professor auch keine Medikamente bekommen. Ich habe nur den Tisch fotografiert und nicht darauf geachtet, was da noch für Medikamente stehen. Ich bin doch nicht doof. Ich nehme nichts. Das ist alles Quatsch", sagte Ben-Hatira.

Im Hessen-Derby durchlebte der Mittelfeldspieler dann ein Wechselbad der Gefühle. Zuerst geriet seine Eintracht in Rückstand, die "Lilien" hatten sogar die große Chance auf das 2:0. Doch Ben-Hatira verhinderte dies indirekt. Er gab seinem Keeper Lukas Hradecky einen Tipp, wo Darmstadts bester Torschütze Sandro Wagner hinschießen würde. Und Ben-Hatira behielt recht. Die beiden sind aus ihrer gemeinsamen Zeit bei Hertha BSC noch sehr gut befreundet. Nicht immer ist so eine Freundschaft unter Fußballern von Vorteil. Die Eintracht drehte das Spiel, gewann 2:1 und zog Darmstadt somit noch einmal rein in den Abstiegskampf. Dank Hradecky — und Ben-Hatiras Tipp.

Eine Stadt im Ausnahmezustand! Rund um das Bundesliga-Derby zwischen Darmstadt 98 und Eintracht Frankfurt ist es am Samstag zu zahlreichen Schlägereien und insgesamt etwa 530 vorläufigen Festnahmen gekommen. Die befürchteten ganz schweren Krawalle blieben jedoch aus. Das verhinderte der größte Polizei-Einsatz, den es je bei einem Spiel der "Lilien" gegeben hat.

"Obwohl sich sehr viele Personen mit Gewaltpotenzial in Darmstadt aufgehalten haben, ist aus Sicht der Polizei relativ wenig passiert", erklärte Einsatzleiter Bernd Denninger. Demnach wurden vier Beamte leicht verletzt. Ein Fan, der sich einer Festnahme entziehen wollte, sei durch Pfefferspray verletzt worden und in einem Krankenhaus behandelt worden. Größere Schäden wurden aber nicht gemeldet.

Am Samstagmorgen hatte die Stadt Darmstadt das umstrittene Innenstadt-Verbot für Frankfurter Fans überraschend aufgehoben. Daraufhin versammelten sich zahlreiche Anhänger der Eintracht im Stadtzentrum. Immer wieder wurden Straßen vorübergehend gesperrt, auch der Bus- und Bahnverkehr war zeitweise behindert.

Rund 1700 Einsatzkräfte waren im Einsatz, um Ausschreitungen zu unterbinden oder bereits im Keim zu ersticken. Unter anderem wurden etwa 100 gewaltbereite Frankfurter Fans von der Polizei gestoppt, in deren Fahrzeugen die Beamten Baseballschläger und andere Schlagwerkzeuge, darunter auch Metallstangen, fanden. Die gesamte Gruppe wurde zur Verhinderung von Straftaten in Gewahrsam genommen.

Ins Stadion selbst durften die Anhänger von Eintracht Frankfurt nicht, weil der DFB nach den Ausschreitungen beim Hinspiel einen Ausschluss der Gästefans verfügt hatte. Trotzdem kam es auch dort gegen Ende des Spiels zu Zusammenstößen rivalisierender Fangruppen, da sich einige Frankfurt-Anhänger offensichtlich Karten im Internet besorgt hatten und ins Stadion gelangt waren.

Jetzt hat auch der 1. FC Köln seinen Volleyballer. Bei der öden Nullnummer in Augsburg am Freitagabend spielte Anthony Modeste in der 13. Minute nach einer Augsburger Ecke den Ball klar mit dem Arm. Doch weder Schiedsrichter Tobias Welz noch seine Assistenten sahen das Vergehen, und da auch kein Augsburger wild fuchtelnd auf den Unparteiischen zustürmte, blieb die Pfeife stumm.

Die Köln-Fans empfanden die Szene als ausgleichende Gerechtigkeit für das Hand-Tor von Hannovers Leon Andreasen am 9. Spieltag. Damals erzielte Andreasen den Hannoveraner Siegtreffer im Kölner Stadion ebenfalls mit der Hand, was für viel Wirbel nicht nur bei den FC-Anhängern sorgte. Zwar ist es rein spekulativ, ob Augsburg den fälligen Elfmeter verwandelt hätte, aber nun hat auch der 1. FC Köln seinen Andreasen.

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