Karriereende mit 29 Marcell Jansen meldet sich ab

Hamburg/Düsseldorf · Beinahe wäre Marcell Jansen noch Weltmeister geworden. Beim letzten Spiel vor der Kadernominierung für die WM stand er im März 2014 in der Startelf gegen Chile. Ein Tritt von Mauricio Isla beendete den Traum von Brasilien. Denn dabei trug der Außenverteidiger einen Bänderriss davon, von dem er sich nicht mehr erholte. Andere wurden in Rio Weltmeister, auf seiner Position spielte Benedikt Höwedes, ein gelernter Innenverteidiger.

Sportler, die ihre Karriere früh beendeten
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Foto: AP/Andy Brownbill

Marcell Jansen wird ganz sicher kein Weltmeister mehr — jedenfalls nicht im Fußball. Er hört auf, obwohl er gesund und erst 29 Jahre alt ist. "Ich möchte nach Jahren des erfolgreichen Profifußballs ein neues Kapitel in meinem Leben beginnen und an neuen spannenden Projekten außerhalb des Fußballs arbeiten", erklärt er auf seiner Seite im Internet.

Vertrag in Hamburg nicht verlängert

Sein Vertrag beim Hamburger SV ist in diesem Sommer nicht verlängert worden. Er mache aber nicht aus Mangel an geeigneten neuen Arbeitgebern Schluss, beteuert Jansen. "Natürlich könnte ich mir jetzt einen anderen Klub aussuchen, dessen Trikot überstreifen und noch ein paar Jahre mitnehmen", sagt er, "zumal auch einige sehr interessante und vor allem finanziell lukrative Angebote auf dem Tisch liegen." Englische, portugiesische und türkische Vereine sollen an seinen Diensten interessiert gewesen sein.

Statt in der Glitzerwelt des Profifußballs will Jansen sich nun im normalen Leben bewegen. Obwohl er als bodenständig gilt, ist das eine Herausforderung. Schließlich bewohnen Berufssportler und namentlich die außerordentlich gut bezahlten Fußballer ein perfekt möbliertes Paralleluniversum. Kontakte zum Erdboden sind da eher selten. Jansen hat sie sich allerdings in seiner Laufbahn immer selbst verschafft.

Seine Drähte in die Mönchengladbacher Heimat hat er nie gekappt, vor ein paar Jahren träumte er mal laut von einer fernen Zukunft im Altherrenteam seines ersten Klubs, dem SV Lürrip. Diese Zukunft könnte jetzt ein deutliches Stück nähergerückt sein. Damit würde sich auf jeden Fall ein Kreis schließen, denn hier hat alles angefangen. Dass der schlaksige Junge ein begabter Fußballer war, sprach sich in der kleinen Großstadt schnell herum. Schon mit acht Jahren wechselte er vom Stadtteilklub zur großen Borussia. "Da konnte ich noch nicht absehen, dass mein Kindheitstraum in Erfüllung gehen würde", erklärt er in seiner Abschiedsbotschaft an seine Fans.

Der Traum vom großen Fußball ging schnell in Erfüllung. Jansen startete bei Borussia Mönchengladbach durch. Als gerade mal 19-Jähriger machte er sein erstes Bundesligaspiel und wurde schnell Stammspieler in der ersten Liga. Weil er auf der linken Außenbahn für Aufsehen sorgte mit seinem wuchtigen Spiel, und weil der damalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann viel Wert auf jugendlichen Schwung legte, ging es gleich weiter in die Nationalmannschaft.

Teil des Sommermärchens

Jansen war Teil des Teams, das in Deutschland bei der WM 2006 ein Sommermärchen schrieb, das mit Platz drei und einer bis dahin unvorstellbaren Fußball-Euphorie im Land endete. Es wundert niemanden, dass er "von diesem Highlight meiner Karriere" bis heute ausgiebig schwärmt. "Das war und ist das größte Turnier, das ich bisher erlebt habe", sagt der Gladbacher Jung. In seinem Lebenslauf stehen noch zwei weitere große Turniere: die EM 2008 und die WM 2010. Platz zwei bei der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz und Rang drei bei der Weltmeisterschaft in Südafrika machen sich ebenfalls gut in der Vita. Aber sie bleiben hinter dem Erlebnis der Heim-WM zurück. "Davon träumt jeder fußballbegeisterte kleine Junge und jeder Profi", versichert Jansen.

Das Sommermärchen schien ihm die Tür für die ganz große Karriere zu öffnen. Die Bayern holten den Verteidiger in die bunte Medienwelt von München. Das war keine so gute Idee. Jansen wurde weder den eigenen Ansprüchen noch der Ablösesumme von geschätzten zwölf Millionen Euro gerecht. Nach nur einem Jahr zog er weiter zum HSV. Hamburg wurde zu seiner zweiten sportlichen Heimat. Trotz der bemerkenswerten Turbulenzen im Klub schaut der 29-Jährige mit früher Altersmilde zurück auf sein Engagement. "Ich bin stolz, zweimal mit dem HSV in der Relegation den erfolgreichen Kampf um den Klassenerhalt erlebt haben zu dürfen", schreibt er auf seiner Internetseite. So bescheiden geht eine Laufbahn dann zu Ende.

(RP)
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