Fußball-Lehrer-Präsident Hangartner "Trainer sind nicht die Mülleimer der Nation"

Wiesbaden · Lutz Hangartner ist Präsident von 4900 Fußball-Lehrern in Deutschland. Er beobachtet mit Sorge, dass der Respekt gegenüber den Verantwortlichen an der Seitenlinie immer mehr abnimmt. Jürgen Klopp erteilte er einst einen Rüffel.

 Volkes Stimme wendet sich immer wieder gegen Trainer, wie hier auf diesem Plakat gegen den ehemaligen Gladbach-Coach André Schubert.

Volkes Stimme wendet sich immer wieder gegen Trainer, wie hier auf diesem Plakat gegen den ehemaligen Gladbach-Coach André Schubert.

Foto: Imago

Für Viktor Skripnik war die Bundesligasaison bereits nach dem dritten Spieltag beendet. Der 47-Jährige wurde beim SV Werder Bremen nach einem Fehlstart mit null Punkten und zwölf Gegentoren entlassen. Skripnik war der erste Cheftrainer, der in der laufenden Serie der höchsten deutschen Spielklasse vorzeitig gehen musste. Alleine bis zum Ende der Hinrunde ereilte noch sechs weitere Fußball-Lehrer das gleiche Schicksal wie Skripnik - so viele wie noch nie in der Geschichte der Bundesliga. In der Rückrunde traf es dagegen nur Valérien Ismaël und Roger Schmidt, Schmidts Nachfolger Tayfun Korkut hat indes auch nur eine Zukunft bis Saisonende.

"Wir beobachten diese Entwicklung mit Sorge", sagt Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL). "Wir sind natürlich auch nicht blauäugig. Fußballklubs sind knallharte Wirtschaftsunternehmen, und Trainerentlassungen gehören dazu. Manchmal geht es auch nicht anders, aber wenn man sich ansieht, wie wenig am Ende die Wechsel gebracht haben, dann fragt man sich schon, warum viele Verantwortliche so schnell die Geduld verlieren und sich für eine Umbesetzung entscheiden." Gerade das Beispiel Mainz zeige, dass es sich lohnt, an einem Cheftrainer festzuhalten. Der Schweizer Martin Schmidt durfte trotz sportlich turbulenter Zeiten bleiben und hat den Verein zum Klassenerhalt geführt. Sehr wahrscheinlich gibt es für ihn aber keine Zukunft beim selbst ernannten Karnevalsverein.

Hangartner, 73 Jahre alt, lehrte über 40 Jahre am Institut für Sport und Sportwissenschaft in Freiburg Fußball und trainierte zudem die deutsche Studenten-Nationalmannschaft. Als Vereinstrainer führte er 1985 den Freiburger FC zur Oberliga-Meisterschaft und spielte um den Aufstieg in die Zweite Bundesliga. Zu seinen Spielern gehörte auch ein gewisser Jürgen Klopp. Mit dessen Verhalten als Trainer war Hangartner nicht immer einverstanden. "Wir haben ein sehr enges Verhältnis, aber ich habe ihm gesagt, Kloppo, wenn du wie wild geworden an der Seitenlinie rumspringst, dann werde ich dich hinterher nicht in Schutz nehmen", erzählt Hangartner. "Das hat er auch verstanden. Zum Glück ist die Anzahl der Entgleisungen von Trainern minimal geworden. Das liegt sicher auch daran, dass wir über das Verhalten geredet haben."

Zweimal im Jahr lädt der BDFL alle Trainer aus der 1. und 2. Bundesliga zu einer Tagung ein. "Da kommt alles auf den Tisch. Es ist wichtig, Verständnis füreinander zu entwickeln. Am Ende sitzen alle in einem Boot", findet Hangartner. "Trainer haben eine große Verantwortung. Ihr Verhalten wird genau beobachtet. Allzu oft müssen wir aber leider beobachten, dass der Respekt gegenüber Fußball-Lehrern immer weniger wird. Trainer sind nicht die Mülleimer der Nation."

Unlängst hatte Dieter Hecking einen Schwalben-Gipfel gefordert, um Betrügereien auf dem Platz einzudämmen. "Wir haben darüber geredet, und es gab großen Konsens, dass eigentlich keiner so etwas sehen will", erzählt der Verbandspräsident. Der BDFL wurde 1957 von 129 Profitrainern gegründet - darunter Sepp Herberger und Dettmar Cramer. Mittlerweile sind rund 4900 Mitglieder im Verband organisiert. Davon sind nur 0,7 Prozent Frauen. "Da gibt es sicher noch einen gewissen Aufholbedarf", sagt Hangartner. "Wir sind ganz bestimmt kein verschlossener Männerzirkel. Es ist einfach so, dass noch nicht so viele Frauen als Trainerinnen in höheren Spielklassen arbeiten."

Für Hangartner ist es manchmal nicht leicht, sich als Gewerkschafter vor Vertreter seiner Zunft zu stellen. Auch er erfährt vieles nur aus den Medien. Die Trainer als Ich-AG's klären Probleme lieber im Alleingang. "Ich habe vor ein paar Jahren zuletzt mit Thomas Tuchel geredet. Er ist sicherlich ein wenig individualistischer. Ein regelmäßiger Besucher unserer Tagungen ist er jedenfalls nicht", sagt Hangartner. "Es ist aber ja wohl ganz offensichtlich, dass in Dortmund einiges im Argen liegt. Schwer vorzustellen, dass sich die Parteien noch einmal zusammenraufen können."

(gic)
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