Kolumne Gegenpressing Weihnachten bei den Fußball-Trainern

Tuchel denkt über Taktik und Ernährung nach, Schubert hat viel Zeit, Ancelotti lässt ein siebengängiges Menü auffahren, Streich spricht hochdeutsch, und Stöger schaut sich im Fernsehen an. So muss es sein.

RP-Sportchef Robert Peters.

RP-Sportchef Robert Peters.

Foto: Phil Ninh

Wie Weihnachten bei Hoppenstedts ist, wissen wir seit Jahren aus dem Fernsehen. Es wird geklagt, dass früher mehr Lametta gewesen sei, Dicki sagt ein Gedicht auf ("Zicke-Zacke-Hühnerkacke"), und der Opa wird als Weihnachtsmann enttarnt. So weit Loriot.

Aber wie ist Weihnachten bei Tuchels, bei Ancelottis, bei Schuberts, bei Streichs oder bei Stögers? Noch ist das nicht verfilmt, aber erfinden kann man es jetzt schon.

Thomas Tuchel wird zehn Minuten sehr besinnlich, aber spätestens, wenn Tochter Emma stolz ihren mit Schokolade überzogenen Reisriegel präsentiert, schaltet der dünne Mann von Dortmund das Ernährungsberater-Programm ein. "Das ist furchtbar ungesund", sagt er, "schau mal den Papa an. Der sieht nur so gut aus, weil er kein Getreide isst." Die Tochter läuft ratlos aus dem Zimmer. Und in den nächsten Stunden stellt Tuchel auf dem Tisch mit Salzstreuern, Weihnachtskerzen und Wassergläsern die wichtigsten Taktik-Systeme nach. Zu seinem Glück fehlt ihm nur Pep Guardiola, der sicher mitmachen würde.

Er könnte auch den ehemaligen Mönchengladbacher André Schubert anrufen, der in seiner nun großzügiger bemessenen Freizeit am liebsten die schönsten Gegenpressing-Situationen auf dem Laptop nachzeichnet. Aber Tuchel hat Schuberts Nummer nicht. Deshalb schickt er Guardiola eine SMS mit diesen Zeichen: 3-1-2-3-1, 4-1-4-1, 3-2-2-2-1, 3-2-3-2? Zehn Minuten später hat er die Antwort: 3-1-3-2-1. Darüber ist er so glücklich, dass er Emma ein Stückchen Reisriegel mit Schokoladenglasur gestattet und sich selbst ein Mineralwasser mit einem Schuss Zitronensaft.

Bei Ancelottis wuchten zur gleichen Zeit drei muskulöse Küchenkräfte den dritten Gang eines siebengängigen Weihnachtsmenüs auf den Tisch. Hausherr Carlo, seit einem halben Jahr Übungsleiter der Bayern, hat aus München ein Fässchen Bier mitgebracht, das zu den Vorspeisen geleert wird. Zum Hauptgang gibt es schweren Rotwein aus der Emilia-Romagna. Während die Gäste langsam unter den Tisch sinken, futtert Carlo die Reste. Danach wird eine Käseplatte gereicht.

Im fernen Breisgau freut sich Christian Streich darüber, endlich mal nach Herzenslust hochdeutsch zu sprechen. In der Familie wundert man sich seit Jahren, warum der Freiburger Trainer im Fernsehen so einen seltsamen Dialekt spricht. Was bis heute niemand weiß: Den hat ihm der persönliche Berater verpasst, ein Schamane aus dem Schwarzwald, der in seiner Jugend mit Jogi Löw Fußball gespielt haben soll. An Streichs Weihnachtsbaum hängt eine Grußkarte von ihm.

Der Kölner Trainer Peter Stöger feiert mit seiner Lebensgefährtin Ulrike Kriegler. Nach dem Essen schauen sie sich in Endlosschleife die ungeschnittene Fassung ihres großen Hits "Die Düsseldorferin" an, den sie mit der österreichischen Band "Kaiserschmorrn" aufgenommen haben. Nächstes Jahr soll das Filmchen Heiligabend im Kölner Stadtfernsehen gezeigt werden - statt Loriot.

(RP)
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