Kolumne: Gegenpressing Temporäre Erscheinungen

Zwei Jahre seines Lebens ist der bundesdeutsche Durchschnittsmensch erkältet. Das entspricht fast der Verweildauer eines Bundesliga-Trainers bei einem Verein.

RP-Sportchef Robert Peters.

RP-Sportchef Robert Peters.

Foto: Peters

Durchschnittlich 2,1 Jahre infiziert ein Fußballlehrer einen Klub, dann teilt er in der Regel das garstige Schicksal seiner Kollegen, die nach einem unsterblichen Wort des früheren Leverkusener Geschäftsführers Wolfgang Holzhäuser "temporäre Erscheinungen" sind, und muss sich ein neues Betätigungsfeld suchen.

Beide statistischen Werte passen wunderbar in den Herbst. Denn in dieser Jahreszeit wird traditionell viel gehüstelt und geschnieft. Und ein fast ebenso unsterbliches Wort behauptet: "Wenn die Blätter von den Bäumen fallen, müssen die ersten Trainer gehen." In der Bundesliga werden das der ehemalige Wolfsburger Coach Dieter Hecking und der frühere HSV-Trainer Bruno Labbadia bezeugen können. Labbadia gehört zur größeren Gruppe der Fußballlehrer, die mit ihrer stets erfreulich überschaubaren Verweildauer in einem Verein maßgeblich dazu beitragen, dass der Schnitt in einem ebenso überschaubaren Rahmen bleibt. Labbadia erreicht nur sehr selten überhaupt die Schallmauer der zwei Jahre.

Ohnehin bestätigen die zurückliegenden Spieljahre Holzhäusers profunde Einschätzung. Als durchaus langfristige Zusammenarbeit gelten erfüllte Verträge über drei Jahre. Und an die Zeiten des großen Maler-Gesellen und Fußballtrainers Otto Rehhagel, der bei Werder Bremen in 14 Jahren eine sprichwörtliche Ottokratie errichtete, erinnert heute allenfalls noch Christian Streich, der es in Freiburg schon fünf Jahre als Cheftrainer aushält. Er zählte bereits als Jugendchef zum Inventar, und er wird vermutlich die Pensionsgrenze erreichen. Entlassen kann er sich nur selbst.

Dieses Recht reklamieren in den anderen Klubs die Vorstände für sich. Sie erzählen bei der Verpflichtung von Fußballlehrern zwar gern, dass "der Trainer der wichtigste Mann im Verein ist". Sie glauben das aber nicht. Denn für die Wichtigsten halten sie sich selbst. Mindestens so wichtig wie die Kollegen in den großen Wirtschaftsunternehmen. Die Vorstandschefs bei den börsennotierten deutschen Firmen bringen es im Schnitt übrigens auf 5,1 Jahre im Amt. Sie erleben also in ihrer Amtszeit durchschnittlich 2,4 Trainer bei ihrem Lieblingsverein. Nur beim HSV stimmt die Quote nicht. Dort gab es in fünf Jahren neun Trainer. Aber der HSV ist ja auch ein Traditionsverein.

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(RP)
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