Bundesliga geht in die Winterpause Die Bilanz einer bemerkenswerten Hinrunde

Düsseldorf · Der Meistertitel und der erste Abstiegsplatz in der Bundesliga scheinen vergeben. Dazwischen geht es eng zu. Ein Trainer feierte ein grandioses Comeback, ein anderer fand in nur einer Woche einen neuen Job. Die Hinrunden-Bilanz der Bundesliga.

Bundesliga 2019/2020: Die Tops und Flops der Hinrunde
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Die Tops und Flops der Hinrunde

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Für Michael Zorc ist die Geschichte schon entschieden. "Ich will niemandem die Illusionen oder die Spannung nehmen", sagte Borussia Dortmunds Sportdirektor beim Fußballtalk des Senders Sky, "aber ich sehe keinen Klub, der die Bayern über 34 Spieltage gefährden kann." Das ist eine fachkundige Einschätzung. Auch die ersten 17 Spiele der Bundesliga-Saison lassen den Schluss zu, dass Titelverteidiger Bayern München erneut in einem eigenen Wettbewerb unterwegs ist.

Davon konnte im Herbst noch keine Rede sein. Der Meister wirkte matt, überspielt, ohne Spielidee. Er unterlief die traditionell hohen eigenen Ansprüche grandios. Bis Jupp Heynckes kam. Mit 72 Jahren ließ er sich von seinem Freund Uli Hoeneß noch einmal vom Altenteil im Schwalmtaler Ortsteil Fischeln nach München locken. Mit ihm kamen Teamgeist, taktische Ordnung, körperliche Frische, Lust auf Fußball und Erfolg zurück. In zehn Bundesligaspielen gab es nur eine Niederlage. Weil sie in der alten Heimat des neuen Trainers bei Borussia Mönchengladbach hingenommen werden musste, schmerzte sie Heynckes vielleicht nicht so sehr. Sein Comeback war jedenfalls eine der bemerkenswertesten Geschichten dieser Hinrunde.

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Aber auch die in Dortmund verdient Erwähnung. Der BVB legte einen glänzenden Start hin, den besten seiner Bundesliga-Historie. In sieben Spielen gab es sechs Siege und nur zwei Gegentore. Die Fans träumten bereits vom nächsten Titel. Doch dann geriet die Mannschaft des holländischen Trainers Peter Bosz in eine regelrechte Abwärtsspirale. In der Vor-Heynckes-Tabelle war sie den großen Bayern um fünf Punkte enteilt. Am zweiten Advent, nach der 1:2-Heimniederlage gegen Werder Bremen waren daraus 13 Punkte Rückstand auf die Münchner geworden. Damit war aus Dortmunder Sicht auf jeden Fall der vermeintliche Zweikampf mit dem Rekordmeister endgültig erledigt. Und die kurze Beziehung Bosz/BVB ebenfalls.

Wie gut, dass sich der nordrhein-westfälische Bundesliga-Nachbar 1. FC Köln eine Woche vorher von seinem Coach Peter Stöger getrennt hatte. Dortmund verpflichtete den Österreicher und darf nach zwei Siegen in Folge damit rechnen, ernsthaft um einen Platz im europäischen Geschäft mitzuspielen.

Weniger darf es allerdings im zweitreichsten deutschen Klub auch nicht sein. 405 Millionen Euro setzte der BVB im vergangenen Geschäftsjahr um, da sind Plätze auf der Europatournee Pflicht. So ähnlich ist das auch auf Schalke. Dort scheint es nach einem sehr mageren Jahr in dieser Saison wieder richtig aufwärts zu gehen. Trainer Domenico Tedesco hat der Mannschaft ein Gesicht gegeben. Sie spielt nicht die Sterne vom Himmel, aber sie tritt gut organisiert und geschlossen auf. Konstanz, früher auf Schalke ein Fremdwort, brachte Königsblau stabil in die Spitzengruppe.

So sicher, wie die Bayern dem nächsten Titel zustreben, ist eine Schalker Rolle im Europapokal aber noch nicht. Denn hinter den Münchnern und vor den deutlich abgeschlagenen Kölnern raufen sich 16 Teams. An guten Tagen kann jedes dieser Teams die anderen 15 schlagen, an schlechteren gegen jedes andere Team verlieren. Das haben diese Mannschaften allesamt bewiesen. Trainer wie der Mönchengladbacher Dieter Hecking sehen darin den Beleg dafür, "dass die Liga unheimlich eng und schwierig ist". Böse Menschen behaupten, es sei viel Mittelmaß am Start. Wer es schön ausdrücken will, der sagt: Es bleibt spannend.

Das würden die Kölner ebenfalls gern sagen. Aber es gehört schon sehr viel rheinischer Frohsinn dazu, sich einen Kölner Erstligisten im Herbst 2018 vorzustellen. Mit sechs Punkten geht der Meister von 1978 in die Winterpause. Und die Jubelfeiern vom vergangenen Sommer, als sich der Effzeh zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder für den Europapokal qualifiziert hatte, sind längst vergessen. Sportgeschäftsführer Jörg Schmadtke musste ebenso wie Trainer Stöger gehen. Die Klubführung erinnert an schwere Zeiten, in denen Profilneurosen und Verschwendungssucht zur Fahrstuhl-Bewegung zwischen erster und zweiter Liga führten. Immerhin haben die Kölner zum Ende der Hinrunde tatsächlich mal ein Bundesligaspiel gewonnen (1:0 gegen den VfL Wolfsburg). Sie müssen sich nun nicht noch hinter der schon sprichwörtlichen Tasmania Berlin einsortieren, die bei ihrem einjährigen Bundesliga-Gastspiel in der Saison 1965/66 alle Negativrekorde aufstellte. Vergleichbar ist das ohnehin nicht. Die Tasmania war für die gesperrte Hertha nachgerückt, hatte jedoch überhaupt keine Struktur für die erste Liga. Köln zahlt zumindest gut. Und es hat auch mehr Zuschauer. Zu den Heimspielen von Tasmania kamen am Ende nur noch ein paar hundert Fans. Das ist in Köln nicht zu befürchten.

Zu den negativen Überraschungen zählt, mal wieder, die Mannschaft, die Köln den bislang einzigen Sieg gestattete. Trotz großer Stars und angemessener Spitzengehälter ist für das VW-Werksteam aus Wolfsburg der Abstieg näher als der Europapokal. Auch ein zeitiger Trainerwechsel änderte das nicht. Als Martin Schmidt Mitte September Andries Jonker ablöste, war Wolfsburg Tabellenvierzehnter. In die Winterpause geht der VfL mit nur vier Punkten Vorsprung auf den Vorletzten.

Auf diesem, dem 17. Rang liegt der einst so ruhmreiche Hamburger SV. Trotz einer im Vergleich zu den trüben Vorjahren spielerisch deutlichen Verbesserung stimmt die Punktausbeute überhaupt nicht. "Ich habe keine Lust mehr, das so zu erzählen. Ganz ehrlich! Woche für Woche spielen wir anständig und machen uns die Spiele dann selber kaputt. Dann holst du gar keine Punkte", klagte Trainer Markus Gisdol. Statt Weiterentwicklung heißt das Programm in Hamburg erneut Abstiegskampf.

Ein Trost für Gisdol und den HSV: Das Mittelmaß (siehe oben) ist nicht weit entfernt.

(RP)
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