Kolumne: Gegenpressing Es gibt Wichtigeres als Fußball

Düsseldorf · Die Debatte um Ärmelwerbung zwingt die Klubs, Ideen zu suchen, wie sie in der Flüchtlingskrise ihrer Verantwortung gerecht werden. Und sie ermutigt starke Typen wie Christian Streich zu starken Worten.

 Unser Kolumnist Martin Beils.

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Foto: Phil Ninh

Christian Streich redete und redete. Darüber, dass es für "diese Leute" wichtig sei, schnell Arbeit zu bekommen. Und dass ein Vater in die Lage versetzt werden müsse, seinem Sohn "einen kleinen Roller" zu kaufen. Und wie wichtig es sei, dass "diese Leute" unsere Sprache lernen. Das hörte sich aus dem Mund des Freiburger Fußball-Trainers niedlich an, schließlich gehört er zu den Badenern, die getreu einem Werbespruchs ihres Landes alles außer Hochdeutsch können.

Streich nutzte die Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Bielefeld, um ausführlich Stellung zu nehmen zur Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Am Ende seines Vortrags stellte der Coach fest: "Nun haben wir gar nicht über Fußball gesprochen." Macht nichts, es gibt Wichtigeres. Und über Fußball wird ja nun wahrlich genug gesprochen. Erfreulich viele Prominente aus der Welt des Sports beziehen in diesen Tagen Stellung zur Situation der Menschen, die ihre Heimat aus Furcht um Leib und Leben verlassen. Christian Streich und Co. nutzen ihre Popularität und ihre Vorbildrolle.

Die etwas aus den Fugen geratene Debatte darüber, ob die Spieler an diesem Wochenende auf ihrem Ärmel Werbung für die "Bild"-Kampagne "Wir helfen" machen sollen, wirkt auf den ersten Blick verstörend. Doch diese Auseinandersetzung zwischen denen, die mitmachen, und denen, die sich weigern, hat im Kern etwas Gutes. Denn jeder Klub (besser gesagt: jedes Unternehmen im Milliardengeschäft Profifußball) steht nun in der Pflicht, etwas für Flüchtlinge zu tun und so seiner oft besungenen gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Jeder muss sich zum Thema verhalten. Klubs, die die Ärmel-Aktion boykottieren, stellen lokale und direkte Hilfsaktionen in der Vordergrund. Geld- und Sachspenden, Einladungen an Flüchtlinge ins Stadion werden zu Selbstverständlichkeiten. An guten Ideen und an gutem Willen mangelt es nicht.

Am meisten helfen die Vereine - ob auf höchster Ebene oder auf Breitensportniveau -, indem sie das anbieten, was sie am besten können: Sport nämlich. Sie stellen Material, senden qualifizierte Trainer und Übungsleiter zu den Menschen, die nach Bewegung suchen und an den elend langen Tagen Abwechslung brauchen. Denn wie zersetzend andauerndes Nichtstun ist, auch darauf hat Christian Streich hingewiesen.

In seinem leidenschaftlichen Acht-Minuten-Vortrag erinnerte der Freiburger zudem daran, dass alle Leute "irgendwann von irgendwoher" gekommen seien. "Wir waren alle mal Flüchtlinge." Starke Worte, starker Typ. Hoffentlich ist er mit seinem Klub bald zurück in der Bundesliga. Dann findet er noch mehr Gehör.

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(RP)
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