Eurosport und Videobeweis Systemabsturz in der Bundesliga

Düsseldorf · Eurosport hat für viel Geld die TV-Rechte der Fußball-Bundesliga erworben. Der Versuch, ein Spiel ausschließlich im Internet zu zeigen, endet im Desaster. Und auch der DFB erleidet mit dem Videobeweis wegen technischer Probleme Rückschläge.

Fans klagen über Eurosport-Player
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Foto: Screenshot Twitter

In einem Land, in dem der Flughafen in der Hauptstadt niemals fertig wird, verwundert es nicht weiter, dass es im Jahr 2017 misslingt, eine Fußball-Partie ausschließlich über das Internet zu übertragen. Und auch der Videobeweis war bislang technisch ein Reinfall erster Güte trotz jahrelanger Planung und einer mehrmonatigen Testphase. Es überrascht auch nicht weiter, dass niemand im Vorfeld die Warnungen vernehmen wollte, dass es holpern könnte. Es überrascht noch viel weniger, dass sich hinterher alle öffentlich ganz betroffen zeigen. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL), verantwortlich für die TV-Rechte, hat sich in den vergangenen Monaten lieber für ihre Vermarktung des Hochglanzprodukts Bundesliga gefeiert. Und auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB), verantwortlich für den Videoschiedsrichter, war sehr überzeugt davon, nicht scheitern zu können. Nun sind alle hektisch darum bemüht zu retten, was noch zu retten ist.

Um die Vermarktung finanziell anzukurbeln, hat die DFL neue Anbieter eingebunden. Neben dem etablierten Bezahlsender Sky nun auch Eurosport. Die beiden Sender konnten sich indes nicht über eine engere Zusammenarbeit einigen. "Eurosport" hat ein Paket von 45 Spielen erworben, die überwiegende Anzahl davon eben am Freitag um 20.30 Uhr. Man verhandelte darüber, ob Sky diese Begegnungen in sein Programm einspeisen durfte, der Versuch misslang. "Eurosport" entschied sich, die erste Übertragung des Duells zwischen dem 1. FC Köln und dem Hamburger SV ausschließlich über den sogenannten EurosportPlayer zu zeigen. Einen Jahrespass gibt es für 29,99 Euro. Für diesen Streamingdienst muss man eine App runterladen und sich einloggen. Am vergangenen Freitag haben es tausende Kunden eifrig versucht. Doch sie erhielten nur diverse Fehlermeldungen in verschiedenen Sprachen: Netzwerk nicht erreichbar, prüfen Sie ihre Internetverbindung, ein unerwarteter Fehler ist aufgetreten. Und so weiter.

Discovery entschädigt Fans

Eurosport, das zum US-Medienkonzern Discovery gehört, hat schnell eingeräumt, massive technische Probleme zu haben. Die blieben beim überwiegenden Teil der Kundschaft bis zur Nachspielzeit, da war der Zugang für die Hartnäckigen plötzlich wieder möglich. Bis dahin war nur ein kleiner Kreis in den Genuss gekommen. Discovery hat sich schon einen Tag später für die Schlappe entschuldigt und den betroffenen Kunden einen Zehn-Euro-Gutschein versprochen. Wie es zu der Panne kommen konnte, darüber herrscht angeblich noch Ratlosigkeit. Man arbeite mit den eingebundenen Dienstleistern an einer Fehleranalyse.

Für die DFL ist es der schlimmste anzunehmende Fall, dass niemand oder nur wenige ihr so schön aufgehübschtes Produkt sehen können. Es gibt in Deutschland traditionell Vorbehalte gegen Abo-Dienste wie Sky und nun Eurosport, weil man sich auch lange nicht ernsthaft damit beschäftigen musste. Zeitnah und in ausreichendem Umfang wurden die Bundesligapartien bei den Öffentlich-Rechtlichen aufbereitet. Dieses Angebot wurde immer weiter beschnitten, um mehr Exklusivität zu schaffen. Die hat ihren Preis: Der neue Vertrag, den die DFL im vergangenen Jahr für die Jahre 2017 bis 2021 abgeschlossen hat, sorgte für ein Rekordergebnis: die nationalen TV-Rechte gingen für 1,16 Milliarden Euro über den Tisch. Zuvor waren es 628 Millionen Euro. Eurosport hat sich ohne Not ausschließlich auf das Streamingangebot festgelegt, man hätte die Möglichkeit, die Partien auch über die vorhandenen konzerneigenen Sender auszustrahlen - doch dann würden die Erlösmodelle nicht funktionieren. Mit Werbung allein können die horrenden Ausgaben nicht refinanziert werden. Doch auch andere Anbieter wie Dazn sind vom Ansturm der Massen schon in die Knie gezwungen worden - ein Armutszeugnis für den Digitalstandort Deutschland. Mit ganz normalen Kinderkrankheiten ist das nur unzureichend beschrieben.

Auch der Videobeweis zickt rum

Es wurde intensiv diskutiert, ob die Einführung des Videobeweises den Untergang des Fußballs bedeuten würde. Viel zu sehr, mahnten die Tradionalisten, würde durch den Video-Schiedsrichter (VAR) in den Spielfluss eingegriffen. Der DFB wurde in Schulungen nicht müde zu betonen, Anbieter Hawkeye habe alles im Griff. Am ersten Spieltag war davon nicht viel zu sehen. Gleich bei mehreren Begegnungen kam es zu technischen Störungen — eine kalibrierte Linie, um zweifelsfrei feststellen zu können, ob eine Abseitsposition vorliegt, konnte ein paar Mal nicht eingesetzt werden, weshalb man sich dazu entschied, sie am zweiten Spieltag vorsichtshalber nicht mehr anzubieten.

Man merkt nur deutlich, dass es noch an der Erfahrung mit der neuen Möglichkeit unter Wettkampfbedingungen mangelt. Es ist noch zu oft unklar, wann ganz genau der Videobeweis eingesetzt wird. Es gibt schon Klagen, die Unparteiischen seien nur noch Marionetten, die von den Kollegen am Bildschirm in der VAR-Zentrale gelenkt werden. Dort hält der umstrittene Projektleiter Hellmut Krug alle Fäden in der Hand. "Der DFB und seine Schiedsrichter unterstützen ausdrücklich die Entscheidung, den Videoassistenten weiter einzusetzen, da er bereits bewiesen hat, dass er eine wichtige Unterstützung für die Unparteiischen sein kann", erklärt Krug. Das Problem: Es gibt quasi keine Alternative zu dem englischen Dienstleister Hawkeye, jedenfalls keinen, der im laufenden Betrieb übernehmen würde.

Gestern dann die nächste Panne. Bei der Partie RB Leipzig gegen den SC Freiburg fehlte in den ersten Spielminuten bei "Sky" der Ton — der Kommentator war nicht zu hören.

Das wiederum konnte man durchaus als Wohltat empfinden.

(gic)
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