Karriereende mit 27 Jahren Reinartz: "Entscheidung fühlt sich richtig an"

Frankfurt · Der frühere Leverkusener Stefan Reinartz beendet mit 27 Jahren seine Karriere, weil der Körper streikt. Aber das Profifußballer-Dasein war für ihn eh nie die einzige Erfüllung. Vielem in der Branche steht er kritisch gegenüber.

Sportler, die ihre Karriere früh beendeten
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Foto: AP/Andy Brownbill

Am Ende war Stefan Reinartz selbst ein wenig überrascht, wie wenig überrascht sein Umfeld auf die Entscheidung reagierte, mit der er jetzt die Öffentlichkeit überrascht hatte: Karriereende mit 27. Das ist doch schließlich auffällig für einen Fußballprofi, oder? Selbst Reinartz' Berater spricht von einer "neuen Erfahrung". Doch ihm wie allen anderen, die Reinartz kennen, musste zumindest unterschwellig klar sein, dass dieser Mann sich nicht so lange wie möglich an den Traumjob klammern würde. Die jüngsten Verletzungen dürften letztlich nur beschleunigt haben, was Reinartz immer im Hinterkopf hatte: andere Projekte als den Leistungssport in den Lebensmittelpunkt zu rücken. "Mir ist bewusst, dass ich auf viele Dinge verzichte, und dennoch fühlt sich diese Entscheidung richtig an", sagt er. Sein Vertrag bei Eintracht Frankfurt wäre noch bis 2017 gelaufen.

Der Blick über den Tellerrand begleitete Reinartz während seiner Profijahre in Nürnberg, Leverkusen und in Frankfurt quasi permanent. Er hinterfragte vieles, gerne und oft. Sich selbst. Die Mannschaft. Den Verein. Das Fußballgeschäft. Ein Denksportler. Nicht immer traf er damit in der Branche auf Gegenliebe. Im Trainingslager von Bayer Leverkusen stieß Reinartz 2013 in einem Gespräch mit unserer Zeitung eine Debatte darüber an, welches Image sein Verein eigentlich haben wolle.

Im vergangenen Jahr sprach sich der Mittelfeldspieler dafür aus, doch ruhig mal über eine Gehaltsobergrenze für Fußballer nachzudenken. Und wer ihn fragte, ob Profis schlechte Leistungen nicht zu oft schönredeten, den ließ er schon mal mit der Antwort zurück: "Letztlich ist es die Frage, ob man sich irgendwann so gut belügt, dass man es wirklich glaubt und trotzdem selbstkritisch genug ist, um Dinge zu verändern."

Dinge zu verändern, als Profi nicht einfach die Komfortzone hinzunehmen und das eigene Tagwerk nach dem Zehn-Uhr-Training nicht als erledigt zu betrachten, das entspricht Reinartz' Naturell. Er ist kein "Homie", kein Social-Media-Liebling. So fing er neben dem Sport dann auch gegen manchen Widerstand ein Psychologie-Studium an ("Das liegt aber leider zur Zeit auf Eis"), er arbeitete nebenbei im Trainerteam von Bayers B-Jugend und realisierte mit Freunden einen Film über Bayer 04, der in der Fanszene sehr gut ankam. Als er sich entschied, 2014 aus Leverkusen wegzugehen, spielte er während des Besuchs der Fußball-WM in Brasilien mit dem Gedanken, in die dortige Liga zu wechseln. Es ging und geht ihm um neue Horizonte.

Dass er wegen der vielen Interessen den Profijob vernachlässigt habe, weist Reinartz allerdings zurück. "Ich habe Fußball mit vollster Überzeugung gespielt", sagt er. Als Jupp Heynckes sein Trainer in Leverkusen war, sagte dieser mal, der Reinartz, der spiele bei ihm eh immer. Reinartz kommt auf 163 Bundesliga- und 15 Champions-League-Spiele. 2010 und 2013 lief er dreimal für die DFB-Elf auf.

Für den Neustart steht Reinartz nun ein eigenes Start-up-Unternehmen zur Verfügung. "Impect" heißt es, 2015 von ihm und seinem Kumpel, Herthas Jens Hegeler, gegründet, soll es die Spieldatenerfassung im Fußball verändern. Während bislang Werte wie Laufleistung oder Ballkontakte im Vordergrund standen, erfasst Impect, wie viele Gegner ein Spieler überspielt. Dadurch soll die Effektivität von Passspiel oder Balleroberungen neu bewertet werden.

Das Interesse an der Methodik ist groß: Bayer 04 hat sie bereits in seine Arbeit integriert, im Mai startete ein Projekt bei RB Leipzig, und BVB-Trainer Thomas Tuchel ist ebenfalls aufgeschlossen.

Denksportler verstehen sich eben untereinander.

(klü)
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