Warum Frankfurts Ansatz ein Fehler ist Platzverweis für die AfD

Düsseldorf · Eintracht Frankfurt will AfD-Anhänger weder im Verein noch im Stadion haben. Rechtlich möglich wäre es durchaus, sie auszuschließen, praktikabel wohl aber nicht. Vor allem aber ist die Ausgrenzung politisch Andersdenkender ein Fehler.

 Unter Nachbarn: Sven Petke (CDU) reagierte 2016 im brandenburgischen Landtag mit seinem Outfit auf eine Aussage von Alexander Gauland (AfD).

Unter Nachbarn: Sven Petke (CDU) reagierte 2016 im brandenburgischen Landtag mit seinem Outfit auf eine Aussage von Alexander Gauland (AfD).

Foto: dpa

Als Alexander Gauland vor zwei Jahren um Aufmerksamkeit bedacht war, da erzählte er, dass die Deutschen einen wie Jerome Boateng nicht als Nachbarn haben wollten. Gauland schickte hinterher, dass er von Fußball nicht viel verstehe - von einigen anderen Dingen offenbar auch nicht. Gauland, den Mann mit der Hundekrawatte, kann man sich nur schwer in einem Bundesligastadion vorstellen. Das trifft sich insofern ganz gut, als ihn Peter Fischer ohnehin nicht hineinlassen würde. Der Präsident von Eintracht Frankfurt will nicht nur AfD-Mitglieder, sondern auch Wähler und Sympathisanten dieser Partei weder in Verein noch Stadion sehen.

Nicht nur Frankfurt, auch der Hamburger Sportverein will keine AfD-Anhänger mehr in seinen Reihen wissen. "Von unseren Mitgliedern erwarten wir, dass sie die Grundwerte des Vereins teilen und leben. Sollten einzelne Mitglieder mit ihrem Handeln dagegen verstoßen, gehen wir gegen ein solches Verhalten bis hin zu einem Ausschluss aus dem Verein konsequent vor", verlautet es aus Hamburg.

Frankfurts Präsident Fischer hatte zuvor in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt: "Es kann niemand bei uns Mitglied sein, der diese Partei wählt, in der es rassistische und menschenverachtende Tendenzen gibt." Eine Umfrage unserer Redaktion unter sämtlichen 36 Vereinen aus erster und zweiter Bundesliga hat ergeben, dass die meisten Klubs diese Auffassung teilen. Bis auf den FC Bayern, Werder Bremen, Hannover, Nürnberg, Sandhausen, Heidenheim, Kaiserslautern und Erzgebirge Aue äußerten sich alle Klubs. Tenor: Mitglieder hätten die Satzung und Werte zu akzeptieren. Wer privat andere Werte vertrete, sollte sich intensiv Gedanken machen, ob eine Vereinsmitgliedschaft überhaupt Sinn mache.

 Eintracht-Präsident Peter Fischer.

Eintracht-Präsident Peter Fischer.

Foto: dpa, lof

"Eine Gesinnungs- und Werteprüfung findet beim Abschluss einer Mitgliedschaft nicht statt", teilt aber beispielsweise der FC Augsburg mit. Die Gladbacher Borussia behält sich derweil bei "jedem Antrag auf Mitgliedschaft vor, bei bekannten Gründen, diese zu verweigern". Laut den Verantwortlichen des SV Darmstadt dürfte sich eine Mitgliedschaft im Verein aufgrund unterschiedlicher Wertvorstellungen "für Anhänger der AfD fast von selbst verbieten". Und der FC St. Pauli teilt kurz und knapp mit: "An unseren Stadionmauern steht ,Kein Fußball den Faschisten'. Weitere Nachfragen erübrigen sich." Im Ethikkodex des Deutschen Fußball- Bundes heißt es: "Im Fußball spiegeln sich die Vielfalt der Gesellschaft, der Sprachen, Kulturen und Lebensweisen wider. Wir achten und fördern diese Vielfalt auf und abseits des Platzes und dulden keine Diskriminierungen, Belästigungen oder Beleidigungen, sei es aufgrund von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Hautfarbe, Religion, Alter, Behinderung oder sexueller Orientierung."

Leider ist die Welt nicht ganz so einfach, wie es sich Autoren von Ethikkodexen oder Sonntagsreden wünschen. Schon deshalb, weil nicht alle AfD-Anhänger qua Parteimitgliedschaft automatisch Fremdenfeinde, Hetzer und Faschisten sind. Und dass es keine gute Idee ist, heimlichen und bekennenden Sympathisanten der AfD-Welt diese Eigenschaften zu unterstellen, hat die jüngere politische Vergangenheit bewiesen. Noch schlechter ist allerdings die Idee, sie aus Vereinen und Stadien fernhalten zu wollen.

Was wäre schlimm daran, wenn Alexander Gauland im Stadion säße?

Doch was wäre schlimm daran, wenn einer wie Gauland da säße, eingepfercht in das Kollektiv der Frankfurter Eintracht? Wenn er Bratwurst äße und Bier tränke mit Mechatronikern und Lehrern, die Jerome Boatengs Halbbruder Kevin-Prince bejubeln? Rechtlich wäre das zumindest kein Problem. Wer in einen Verein eintreten möchte, muss einen Antrag stellen, den der Verein wiederum annehmen oder ablehnen darf. Das ist ein Vertrag, und in Deutschland gilt die Vertragsfreiheit. Der Verein kann frei darüber entscheiden, welche Mitglieder er haben möchte - und welche nicht. "Grundsätzlich steht jedem Verein das Recht zu, zu bestimmen, wer in ihm Mitglied wird. Selbst wenn das potenzielle Mitglied also alle satzungsmäßigen Anforderungen erfüllt, muss es nicht aufgenommen werden", sagt der Sportrechtler Paul Lambertz. Natürlich gibt es Ausnahmen: zum Beispiel, wenn die Satzung vorsieht, dass Mitglieder aufgenommen werden müssen - oder der Verein vor Ort eine Monopolstellung hat.

Praktikabel wäre ein solcher Ausschluss freilich kaum. Wie genau wollen Eintracht Frankfurt oder der HSV herausfinden, ob die Antragsteller ihr Kreuz bei der AfD machen, geschweige denn Mitglied der Partei sind? Sie könnten sie höchstens zu einer Gewissenserklärung verpflichten, in der die Bewerber versichern, für Toleranz und gegen Diskriminierung zu sein. Gewissheit, dass das neue Mitglied aber dann nicht dennoch die AfD wählt oder vielleicht sogar die NPD oder Kommunisten, gäbe es nicht.

Die Idee, politisch Andersdenkende aus den Vereinen zu werfen, bedient sich letztlich der Mittel der verschmähten AfD. Die will auch rauswerfen, wen sie nicht mag. Auf Ausgrenzung mit Ausgrenzung zu reagieren, mag populär sein - klug ist es nicht. "Verein" kommt sprachlich von "vereinen". Da kommen Menschen zusammen, die sonst nichts miteinander zu tun haben. Die Altenpflegerin im Schichtdienst ist im gleichen Fanklub wie der Professor für Arbeitsrecht. Es begegnen sich stramm Konservative und solche, denen die Linkspartei zu weit nach rechts gerückt ist. Sie unterhalten sich vor allem über Fußball, klar, aber sie unterhalten sich. Das schafft auch Nähe und Vertrauen, viel wichtiger aber: Verständnis füreinander. Es ist einfach, Leute zu verurteilen, die man nicht kennt. Gerade der Sportverein sorgt dafür, dass man mehr Menschen kennenlernt - aus allen sozialen Schichten und gesellschaftlichen Bereichen.

Wenn es einen Weg gibt, die Leute, die sich in ihren digitalen Echokammern immer weiter von dem entfernen, was man politische Normalität nennen kann, dann ist er das Gegenteil von dem, was sie in Frankfurt planen. So viele sind es ja nicht, dass die Vereine vor einer feindlichen Übernahme stünden. Man müsste die AfD-Anhänger in die Sportvereine schicken und auf Sozialisierung hoffen. Dort könnten sie lernen, dass nicht nur Jerome und Kevin-Prince Boateng gute Nachbarn wären.

(RP)
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