FC Bayern München Das verlorene Jahr des Holger Badstuber

München · 2013 plagte sich der Nationalspieler mit zwei Kreuzbandrissen, Operationen und schier unendlicher Reha-Arbeit.

FC Bayern München: Das verlorene Jahr des Holger Badstuber
Foto: dpa, Karl-Josef Hildenbrand

Die bösen Schicksalsmächte scheinen sich gegen Holger Badstuber (24) verschworen zu haben. Denn auch das ist der Jahresrückblick 2013 eines Fußball-Stars von Bayern München: Kein Fußballspiel, zwei Kreuzbandrisse, vier Operationen, zwölf Monate Quälerei in der Reha. Holger Badstuber hat zum Interview-Termin das Reha-Zentrum in Donaustauf verlassen und sich in der Münchner Agentur "Avantgarde" verabredet. Der 1,90-Meter-Athlet trägt eine schwarze Baseballkappe, ein schwarzes T-Shirt, eine graue Jogginghose — und bewegt sich auf Krücken. "In der nächsten Woche darf ich sie wegwerfen", sagt er in freudiger Erwartung.

Die Krückenzeit endet fast auf den Tag genau einem Jahr, nachdem seine Leidenszeit begann. Am 1.Dezember 2012, beim Bundesliga-Gipfel Bayern-Dortmund (1:1), hatte sich Badstuber im Zweikampf mit Mario Götze derart unglücklich das rechte Knie verdreht, dass das vordere Kreuzband riss. "Kreuzbandriss = Operation = sechs Monate Pause = danach ist alles wieder gut."

Badstuber kann über eine solch optimistische Formel nur den Kopf schütteln. Und auch der Augsburger Orthopäde Ulrich Boenisch (52) nennt sie in einem Gespräch mit der "Zeit" "irrig".

"Genug Geduld bewiesen"

Langzeit-Rekonvaleszent Badstube setzt sich nicht unter WM-Druck. Er sagt im "Focus"-Interview: "Brasilien ist für mich in weiter Ferne. Ich freue mich über jeden Tag, an dem es ein wenig aufwärts geht, und glaube daran, dass ich wieder auf mein altes Niveau kommen kann." Unbeirrt von Boenischs Erfahrung, dass "nur 60 bis 70 Prozent" das schaffen. Wann er wieder hundertprozentig fit sein werde, könne er, Badstuber, allerdings nicht sagen. "Entscheidend ist, dass das Knie wieder tipptopp wird, seine alte Stärke erlangt. Ich habe seit einem Jahr genug Geduld bewiesen und werde die auch weiter aufbringen."

Es war am 23.April, als der FC Bayern den FC Barcelona mit 4:0 deklassierte. Badstuber saß auf der Pressetribüne. Er hatte bereits eine zweite Operation im März hinter sich, bei der Narbengewebe hatten entfernt werden müssen. Voller Vorfreude berichtete der Nationalverteidiger, dass er nach viereinhalb Monaten bald mit Lauftraining werde beginnen können. "Ich bin nahe dran, ins Mannschaftstraining zurückzukehren." Doch es kam anders. Auf dem Rückflug vom Rückspiel in Barcelona (1. Mai), wo er lediglich seine Reha-Programme absolviert hatte, wurde das rechte Knie wieder dick. Eine sofortige CT-Untersuchung beim Mannschaftsarzt des FC Bayern, Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, ergab eine sogenannte Reruptur: Das neue Kreuzband war abermals gerissen. Wieso und wodurch, wisse er nicht, sagt Badstuber. Ob bei der ersten Operation etwas schiefgelaufen sei, könne er nicht beurteilen.

Schon am nächsten Tag flog er nach Denver, um sich in Vail, Colorado, nun vom renommierten Spezialisten Richard Steadman (76) operieren zu lassen. Termin: 18. Mai. Zunächst wurde das wieder gerissene Band entfernt. Die Schraubenlöcher im Knochen mussten erst zusammenwachsen. Die eigentliche Implantation konnte daher erst Ende September vorgenommen werden.

Beim Champions-League-Finale im Krankenbett

Als der FC Bayern am 25. Mai in London gegen Borussia Dortmund das Champions-League-Finale gewann, sah Holger Badstuber vom Krankenbett in Vail aus zu. "Komisch, aber durch die räumliche Entfernung war für mich auch das Endspiel weit weg. Das amerikanische Fernsehen schaltete mit dem Schlusspfiff ab. Vom Jubel und Trubel danach habe ich nichts mitbekommen."

Als zweites neues Kreuzband implantierte Steadman ein Drittel der Patellasehne aus dem linken Knie. Badstuber rollt das linke Hosenbein hoch und zeigt die Narbe. Auf die neue amerikanische Methode, das Kreuzband eines Toten zu verwenden, hatte Steadman auf Bitten Müller-Wohlfahrts verzichtet. Ethische Gründe.

Die tägliche Schinderei von neun bis 17 Uhr in Donaustauf zeigt Wirkung: "Das Knie fühlt sich jetzt schon viel besser an als in dieser Phase nach der ersten Operation." Sein Schicksalsjahr hat Badstuber dank seines Willens und seiner Zuversicht durchgestanden. Mit moralischer Unterstützung des FC Bayern, der im Februar den Vertrag bis 2017 verlängerte. Badstuber sagt, das Jahr habe aus ihm einen anderen Menschen gemacht. "Die Zeit war bitter, aber auch sehr lehrreich." Den Gedanken an ein drohendes Ende seiner Karriere habe er nicht an sich herangelassen. "Ich habe jetzt ein anderes Denken. Ich sehe das Leben und den Hype im Fußball mit anderen Augen." Der Kampf ums Knie hat einen positiven Nebeneffekt. Holger Badstuber sagt: "Ich bin vom Kopf her jetzt stärker."

(RP)
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