Hingucker des Spieltags Gar nicht geizige Schwaben und eine Nachspielzeit mit Folgen

Düsseldorf · Eine höchst prominent besetzte Ersatzbank, ein unrühmlicher Eigentor-Rekord und durchgebrannte Sicherungen in Minute "90.+6": Das waren nur einige der Hingucker des 29. Bundesliga-Spieltags.

1. FC Köln: Leonardo Bittencourt sieht nach Frust-Foul Rot
12 Bilder

Bittencourt sieht nach Frust-Foul in der Nachspielzeit Rot

12 Bilder
Foto: dpa, ve hpl

Nach dem sechsten Eigentor in dieser Saison blieb Jürgen Kramny nur die Flucht in den trockenen Humor. "Also, trainieren tun wir es nicht", sagte der Trainer des VfB Stuttgart verbittert. Sein Abwehrspieler Georg Niedermeier (31. Minute) hatte das 1:3 gegen den FC Bayern München am Samstag mit seinem Selbsttor eingeleitet. Nach einer flachen Flanke von Münchens Franck Ribéry hatte er den Ball eigentlich klären wollen, lenkte ihn aber ins eigene Netz. Nie zuvor war es einer Mannschaft in 53 Jahren Bundesliga gelungen, sechs Eigentore in einer Spielzeit zu schießen.

"Letztlich ist es einfach nur dumm gelaufen", meinte Niedermeier. "Das war einfach unglücklich." In der aktuellen Spielzeit war es das zweite Eigentor des 30-Jährigen. Niedermeier hatte den Ball in der Hinrunde beim 1:4 in Dortmund schon mal ins eigene Tor befördert und befindet sich beim VfB damit in guter Gesellschaft. Denn außer ihm haben auch Adam Hlousek, Kevin Großkreutz, Timo Baumgartl und Kapitän Christian Gentner ins eigene Netz getroffen. "Jeder, der das Spiel gesehen hat, weiß, dass so ein Tor nicht alle Tage fällt", sagte Niedermeier zu seinem erneuten Eigentor. Eine Seltenheit sind die unglücklichen Aktionen bei den Schwaben aber nicht mehr.

VfB Stuttgart: Georg Niedermeier mit Rekord-Eigentor gegen FC Bayern München
9 Bilder

Niedermeier erzielt Rekord-Eigentor gegen Bayern

9 Bilder
Foto: dpa, mut hpl

Über 90 Minuten war es ein munteres, aber faires rheinisches Derby (oder rheinisches Duell, wie der 1. FC Köln es über seinen offiziellen Twitter-Kanal verkaufte). Dann aber brannten in der Nachspielzeit, als das Spiel längst entschieden war, erst dem Kölner Leonardo Bittencourt, dann seinem Teamkollegen Filip Mladenovic und dem Leverkusener Wendell die Sicherungen durch. Mit seinem harten Einsteigen von hinten gegen Admir Mehmedi löste Bittencourt eine Rudelbildung aus. Mladenovic und Wendell gerieten dabei aneinander, Wendell sah für seine Griff an die Gurgel des Serben seine zweite Gelbe Karte des Spiels, Bittencourt sogar direkt Rot (90.+6).

"Die Platzverweise am Ende waren unnötig. Aber sowohl die Rote Karte als auch die Gelb-Rote Karte waren in Ordnung. Das haben die Schiedsrichter gut gelöst", kommentierte Bayer-Trainer Roger Schmidt die Entscheidungen von Schiedsrichter Manuel Gräfe. Sein Gegenüber Peter Stöger sah es ähnlich. Wendell wird Bayer 04 genauso wie André Ramalho (5. Gelbe) gegen Eintracht Frankfurt fehlen. Wie lange Bittencourt gesperrt wird, ist noch offen.

Mehr Prominenz auf der Bank als auf dem Platz gab es am Sonntag im Revierderby auf Seiten von Borussia Dortmund zu bestaunen. Trainer Thomas Tuchel ließ unter anderem Marco Reus, Ilkay Gündogan und zunächst auch Henrich Mchitarjan und Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang draußen. Das Spiel endete 2:2, mit der Meisterschaft war es das wohl für den BVB.

Auch das traditionell hohe Prestige des Derbys konnte Tuchel nicht davon abhalten, sein Team mächtig umzubauen. Mit Blick auf das Viertelfinal-Rückspiel in der Europa League am kommenden Donnerstag beim FC Liverpool liefen nur drei Profis auf, die auch beim Hinspiel gegen die Engländer drei Tage zuvor dabei gewesen waren. "Wir spielen im Drei-Tagesrhythmus, dem muss man Rechnung tragen, da muss man schlau sein", meinte Sportdirektor Michael Zorc später zur Aufstellung.

BVB-Stars sitzen beim Derby auf der Bank
5 Bilder

BVB-Stars sitzen beim Derby auf der Bank

5 Bilder
Foto: ap

Nach drei Fouls in 26 Minuten war für Arturo Vidal Schluss. Der "Krieger", wie der Chilene vom FC Bayern genannt wird, hatte es im Bundesliga-Spiel beim VfB Stuttgart (mal wieder) übertrieben. Und weil Pep Guardiola die Begegnung nicht mit zehn Mann zu Ende spielen wollte, nahm der Trainer ihn vom Platz. Eine Maßnahme, die jeder der 60.000 in der Mercedes-Benz Arena verstand - außer Vidal.

Der 28-Jährige bockte wie ein Kleinkind, dem man sein liebstes Spielzeug wegnimmt. Er trottete vom Platz, obwohl Guardiola ihn mit wilder Gestik zu schnellerem Gang aufforderte. Vidal ignorierte den Coach und setzte sich am anderen Ende der Bayern-Bank schmollend auf den nasskalten Boden.

Dort blieb er, zunächst von Kapitän Philipp Lahm mit einer Jacke und warmen Worten, später von Thiago getröstet, bis zum Pausenpfiff sitzen. Ein großer Junge, der seinen strengen Vater nicht verstehen wollte. "Ich wollte kein Risiko eingehen", erklärte Guardiola seine Maßnahme. Außerdem habe er früh erkannt, dass seiner lange umständlich angreifende Mannschaft ein Offensivspieler gefehlt habe — für Vidal kam Weltmeister Thomas Müller, die weiterhin elf Bayern gewannen 3:1 (1:0).

Der Blick auf die Tabelle dürfte bei Thomas Schaaf ein merkwürdiges Gefühl auslösen. Drei Teams hat der 54 Jahre alte Coach in der Bundesliga bisher trainiert, und seine Ex-Klubs Werder Bremen, Eintracht Frankfurt und Hannover 96 liegen nach dem 29. Spieltag auf den drei letzten Plätzen 16, 17 und 18.

Hannover 96, wo der frühere Bremer Meistercoach am 3. April entlassen worden war, steht so gut wie sicher als Absteiger fest. Möglicherweise müssen am Saisonende aber zwei oder drei ehemalige Schaaf-Klubs absteigen.

"FC Schalke 04 schlägt gegen den BVB doppelt zurück" – Pressestimmen
25 Bilder

29. Spieltag: Pressestimmen

25 Bilder
Foto: qvist /Shutterstock.com/Retusche RPO

Es läuft die fünfte Minute der Nachspielzeit im rheinischen Derby zwischen dem 1. FC Köln und Bayer Leverkusen. Die Hausherren liegen 0:2 zurück, die Werkself trägt noch einmal einen letzten, eher halbherzigen Angriff vor. Dann sieht Leonardo Bittencourt plötzlich schwarz. Der Kölner Mittelfeldspieler, bei der Pleite gegen Bayer noch der beste seiner Mannschaft, senst Admir Mehmedi von hinten um. Die Folge: Rudelbildung und eine Rote Karte. Damit ist Bittencourt mindestens in den kommenden beiden Spielen in Mainz und zu Hause gegen Darmstadt gesperrt. Und das, wo der Schuh des FC gerade in der Kreativ-Abteilung drückt.

Dass Schiedsrichter Manuel Gräfe mit der Roten Karte richtig lag, wollte auch Kölns Trainer Peter Stöger gar nicht abstreiten. "Die Rote Karte war berechtigt, Leo passiert das normalerweise nicht", sagte der Österreicher, der am Montag seinen 50. Geburtstag feiert. Ob er ihn genießen kann, ist nach der Derby-Pleite und dem Verlust seines derzeit besten Spielers eher fraglich.

Auf Aytac Sulu angesprochen geriet Dirk Schuster regelrecht ins Schwärmen. "Er ist einer der besten Innenverteidiger der Bundesliga, bei Standards auch sehr torgefährlich", sagte der Trainer von Darmstadt 98 über seinen Kapitän, der sich im Abstiegskampf immer mehr zum Torjäger entwickelt. Den 2:1 (1:0)-Sieg beim Hamburger SV leitete Sulu in gewohnter Manier ein (38.) - natürlich mit dem Kopf!

Schon sechs seiner sieben Saisontreffer erzielte der Deutsch-Türke mit dem Haupt, längst ist er als Kopfballungeheuer ligaweit gefürchtet. "Standards gehören ein Stück weit zu unserem Erfolgsrezept", sagte der 30-Jährige, der seinen Klub zum sechsten Mal in dieser Saison in Führung brachte: "Wir haben Jungs, die die Bälle gut vors Tor bringen können." Und neben Stürmer Sandro Wagner mit Sulu einen zweiten Zielspieler im Zentrum zum Veredeln.

Der verdiente Punktgewinn bei seiner Bundesligapremiere freute Daniel Stendel nur kurz. "Es hat sich nicht so wirklich viel verändert für uns", sagte der Trainer von Hannover 96 nach dem 2:2 (1:1) bei Hertha BSC. Die Nichtabstiegsplätze sind für das abgeschlagene Schlusslicht in unerreichbarer Ferne, trotzdem wollen sich die Niedersachsen in den verbleibenden fünf Spielen mit Würde in die 2. Bundesliga verabschieden.

Der 42 Jahre alte Stendel, der erst am vergangenen Wochenende den gescheiterten Hoffnungsträger Thomas Schaaf abgelöst hatte, lobte sein Team nach zuvor fünf Niederlagen in Serie. "Wir haben gemerkt, dass wir uns belohnen können. Der Punkt ist eine tolle Geschichte, und wir werden uns jetzt hoffentlich noch öfter belohnen", sagte Stendel, der bislang die U19 von 96 betreute.

Für seinen beeindruckenden Blitzstart hatte Nadiem Amiri ein simple Erklärung parat. "Dieses geile Stadion, diese geile Stimmung - ich war schon extrem heiß", sagte der U21-Nationalspieler, der mit seinem Treffer den wichtigen 2:0-Erfolg von 1899 Hoffenheim beim Abstiegskonkurrenten Eintracht Frankfurt eingeleitet hatte. Und wie!

Nur eine Minute nach seiner Einwechslung (61.) schnappte sich der 19 Jahre alte Offensivspieler den Ball, zog aus knapp 20 Metern ab - und erlöste damit die Kraichgauer. "Ich habe mir vorgenommen, dass ich Gas geben werde", sagte Amiri, dem unmittelbar vor der Führung "sehr viele Gedanken" durch den Kopf gegangen waren. "Zum Glück habe ich die richtige Entscheidung getroffen", sagte er.

Dies hatte am Samstag vor allem Trainer Julian Nagelsmann getan. Der jüngste Chefcoach der Bundesliga hatte zuvor schließlich schon Stürmer Mark Uth eingewechselt, der in der 90. Minute den Schlusspunkt markierte.

Moritz Hartmann war bester Laune. "Viel besser" könne es ja nicht laufen, sagte der 29 Jahre alte Angreifer vom FC Ingolstadt. Er bezog sich auf die komfortable Situation seiner Schanzer, aber auch auf seinen eigene Serie.

Der späte Siegtreffer (88.) beim 1:0 gegen Borussia Mönchengladbach war bereits Hartmanns neuntes Saisontor. Er ist damit bester Schütze des FCI. Dies habe er sich natürlich nicht erträumen lassen, "zweistellig wäre jetzt super", sagte er, fügte aber gleich an: "Über allem steht die Mannschaft und über allem schwebt der Klassenerhalt."

Doch darüber muss sich der starke Neuling mit 39 Punkten keine Gedanken mehr machen. "Offiziell ist es noch nicht, aber es fühlt sich schon verdammt nach Klassenerhalt an", sagte Hartmann. Die Mannschaft habe einen "super Charakter und wir haben uns weiterentwickelt".

Dies gilt auch für den früheren Kölner selbst. Er ist Ingolstadts Punktegarant. Von seinen neun Toren - sechs davon per Elfmeter erzielt - brachten sieben direkt 16 Zähler ein. Zudem gelang dem 29-Jährigen beim 3:3 gegen Stuttgart und beim 3:0 gegen Schalke jeweils die Führung.

Der Hauptprotagonist der 29. Minute im Spiel zwischen dem FC Ingolstadt und Borussia Mönchengladbach wollte anschließend nichts sagen. Das kommt bei Granit Xhaka selten vor. Nach den allermeisten Einsätzen steht der Schweizer Rede und Antwort, nach guten wie nach schlechten Spielen, ob bei den TV-Kollegen oder in der Mixed Zone. Oder er ist halt gesperrt und gibt in der Halbzeitpause ein Interview bei "Sky".

Sechsmal, inklusive Champions League, musste Xhaka bislang in dieser Saison zusehen. Am kommenden Freitag gegen Hannover 96 wird er gelbgesperrt fehlen, was im Normalfall kein großes Thema ist, am Samstag in Ingolstadt aber aus diversen Gründen wieder eines war.

Erstens sah Xhaka die fünfte Gelbe sechs Monate nach seiner vierten. Zweitens sah er sie gegen seine alten Spezies aus Ingolstadt, im Hinspiel war er nach Dauer-Provokation vom Platz geflogen. Drittens nahm ihn Trainer André Schubert nach 45 Minuten vorsorglich aus dem Spiel. Viertens war vorab ausführlich thematisiert worden, dass Xhaka ruhiger geworden sei. Fünftens griff Ingolstadt genau diese Aussage in einem polarisierenden Tweet nach der Gelben Karte auf.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort