Analyse zur Bundesliga BVB kann Bayern jagen - und was der Saisonstart noch gezeigt hat

Düsseldorf · Nach sechs Spieltagen macht die Bundesliga mal wieder Länderspielpause. Zeit für eine Momentaufnahme. Wer hat überrascht, welche Trends sind zu beobachten und wird die Meisterschaft endlich wieder spannend?

 André Schürrle und der BVB können den Bayern gefährlich werden.

André Schürrle und der BVB können den Bayern gefährlich werden.

Foto: dpa, a hak wst

Trainer und Vereinsfunktionäre bekommen zuverlässig einen Krampf in der ironisch gewölbten Augenbraue, wenn ihnen die Öffentlichkeit nach der ersten Halbzeit des ersten Spieltags die ersten Trends unterbreitet. Auch sechs Spieltage ändern an dieser Haltung nichts Entscheidendes. Am liebsten ist es den Sachverständigen in den Klubs, dass über die wahrscheinlichen Meister, die wahrscheinlichen Absteiger, die Überraschungen und die Enttäuschungen erst am 34. Spieltag diskutiert wird. Man könnte das auch ein bisschen spät finden. Denn es ist durchaus möglich, dass schon nach sechs Partien und mehr als einem Monat in der Saison ein paar Feststellungen getroffen werden können ("Momentaufnahmen", würden die Funktionäre sagen). Der Reihe nach:

Die positiven Überraschungen. Der 1. FC Köln, Hertha BSC und RB Leipzig sind so gut gestartet, dass sie nach allen Regeln der Rechenkunst zumindest bis zum Ende der Hinrunde im oberen Drittel mitspielen werden. Bei den neureichen Leipzigern mit ihrer Auswahl hochtalentierter Sprintkönige, die überdies viel Rückenwind durch den Aufstieg haben, sind die Experten vom Einstieg in die Liga nicht nachhaltig erschüttert. Aber Berlin versiebte die Rückrunde und schied im Sommer aus der Europa League aus. Das traditionell auch jenseits der Wirklichkeit sehr ambitionierte Berliner Publikum murrte bereits. Doch die Treffsicherheit von Vedad Ibisevic und ein starker mannschaftlicher Zusammenhalt trugen bis auf Platz zwei. Pal Dardai ist in solchen Situationen mit seiner freundlichen Begeisterungsfähigkeit genau der richtige Trainer.

Köln hat offensichtlich einen weiteren Entwicklungsschritt getan. Die Elf ist immer noch schwer zu schlagen, sie setzt nun auch vermehrt offensive Akzente. Stürmer Anthony Modeste hat gleich fünfmal getroffen. Natürlich glauben die Fans nun mindestens an einen Zweikampf mit den Bayern um die Meisterschaft. Ebenso natürlich ist die Reaktion des Sportgeschäftsführers Jörg Schmadtke: "In unserer Situation ist es einfach Blödsinn, nach sechs Spieltagen über Europa zu reden."

Die negativen Überraschungen. Schalke 04, der Hamburger SV und der VfL Wolfsburg laufen arg hinter den eigenen Ansprüchen her. Schalke korrigierte am Wochenende den schlechtesten Start der Geschichte. Der Hamburger SV befindet sich allen guten Wünschen zum Ende der vergangenen Saison zum Trotz mal wieder am Tabellenende. Und der VfL Wolfsburg erinnert nur in der Trikotfarbe an jene Mannschaft, die noch vor anderthalb Jahren den Bayern den Kampf ansagen wollte. Schalke hat genügend Substanz und erstaunlich viel Ruhe im Umfeld. Das könnte für den weiteren Saisonverlauf das richtige Signal sein. Es wäre allerdings ein kleines Fußballwunder, wenn die Gelsenkirchener ähnlich wie Mönchengladbach vor einem Jahr nach fünf Auftaktniederlagen zu einer Erfolgsserie aufbrechen würden, die sie noch ins obere Drittel trägt. Das Projekt Weinzierl/Heidel braucht also wohl noch mehr Zeit. Wolfsburg wird kaum auf Platz 13 hängenbleiben. Aber dafür muss Mario Gomez seinen Torinstinkt wieder entdecken, den er vielleicht in Istanbul liegen gelassen hat. Und dafür muss Julian Draxler endlich mal über längere Zeit nachweisen, dass er nicht nur ein herausragend bezahlter 23-Jähriger ist. Alarmierend ist die Lage in Hamburg. Die Vereinsführung lässt sich beständig von einem großen Geldgeber in die Politik hineinreden. Es gibt kein erkennbares Konzept, und das vermeintliche Allheilmittel Trainerwechsel wurde bereits bemüht.

Bayern-Jäger. Seit vielen Jahren sehnt sich die Liga nach Konkurrenz für den Meister. In dieser Saison gibt es wenigstens Anlass zu zarten Hoffnungen. Dafür steht Borussia Dortmund mit einem fröhlichen Angriffsfußball. Noch fehlt dem BVB die (Achtung: Modewort) "Balance" zwischen den Mannschaftsteilen, und ruppige Gegner haben die jungen Zauberkünstler aus Westfalen nicht gern. Sie spielen allerdings einen Stil, der den Bayern gefährlich werden kann. Das Supercupspiel vor der Saison unterstrich das. Und bislang haben die Münchner unter ihrem neuen Trainer Carlo Ancelotti eher routiniert herausgespielte Siege eingefahren und wenig Glanz versprüht. Sie bleiben freilich die am besten besetzte Mannschaft.

Fußballerische Trends. Noch ist der Fußball nicht neu erfunden worden. Das ist auch nicht zu erwarten. Zwei Dinge sind jedoch auffällig. Einige Teams (Mönchengladbach und Dortmund besonders) versuchen, im Laufe ihrer Spiele die taktische Ordnung zu verändern. Sie reagieren auf Spielstände und Gegner. Das erfordert viel Trainingsarbeit und deshalb auch viel Zeit, weil der Rhythmus immer wieder durch internationale Spiele unterbrochen wird. Andere (Leverkusen, Leipzig, Mainz) rennen ihre Gegner einfach nieder. Das erfordert vor allem Kraft. Und es ist deshalb wahrscheinlich nicht das Rezept für eine ganze Saison.

(pet)
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