Trainerduell beim Revierderby Sündenbock trifft Taktikfuchs

Dortmund · Vor dem Revierderby stehen die Trainer im Blickpunkt: Domenico Tedesco holt beim FC Schalke 04 aus einem durchschnittlichen Team das Maximum heraus, Peter Bosz gilt bei Borussia Dortmund als der Hauptschuldige für den Absturz.

 Peter Bosz und Domenico Tedesco: Die Gefühlslage der beiden Trainer vor dem Derby könnte kaum unterschiedlicher sein.

Peter Bosz und Domenico Tedesco: Die Gefühlslage der beiden Trainer vor dem Derby könnte kaum unterschiedlicher sein.

Foto: dpa

Wie schnell Peter Bosz vom Hoffnungsträger zum Sündenbock geworden ist, verwundert Domenico Tedesco. "Das ist ein bisschen übertrieben", sagte der Schalker Trainer vor dem Revierderby am Samstag (15.30 Uhr/Live-Ticker). "Vor sechs Wochen hat noch jeder gefragt: Wie will man Dortmund stoppen?"

Jetzt ist der BVB vom Bayern-Konkurrenten zum Krisenklub mutiert, und der neue Coach, dessen Offensivfußball in den ersten Wochen noch bejubelt wurde, muss um seinen Job bangen. Auf der anderen Seite ist der Bundesliga-Novize Tedesco nach dem Sprung auf Platz zwei mit Schalke plötzlich der Shootingstar der Branche. "Höhen und Tiefen in einem kleinen Zeitfenster - das gehört zum Trainerjob", sagte Tedesco erstaunlich abgebrüht - und betonte mit Blick auf seinen Kollegen und dessen Probleme beim BVB: "Eine Krise sehe ich nicht."

"Natürlich ist er Stur", sagt Huub Stevens

Das empfinden nach nur einem Sieg in den letzten neun Pflichtspielen und einem Punkt in den vergangenen fünf Bundesligarunden in Dortmund viele ganz anders. Und der Hauptschuldige für den Absturz scheint gefunden: Bosz, der an seinem Überfallfußball mit extrem hohem Aufrücken festhält, obwohl die Abwehr überfordert ist. "Natürlich ist er stur", sagte Schalkes Ex-Trainer Huub Stevens über seinen Landsmann, "aber das musst du als Trainer auch sein. In gewissen Situationen ist es allerdings gefährlich.

Sollte Bosz nach einer Pleite im Derby tatsächlich entlassen werden, sieht Stevens die Klubführung in der Verantwortung. "Dann müssen sich die Leute selbst hinterfragen. Sie wussten doch, wie Bosz tickt, welchen Fußball er spielen will", sagte er: "Da muss man auch mal durchhalten."

Der BVB hatte im Sommer den Niederländer als Nachfolger für Thomas Tuchel geholt, nachdem sich eine Verpflichtung des Wunschkandidaten Lucien Favre zerschlagen hatte. Der "Voetbal total", mit dem Bosz Ajax Amsterdam ins Europa-League-Finale geführt hatte, blendete offenbar die Dortmunder. "Bei Ajax ist der Erfolg ganz langsam gekommen", betonte Stevens.

Tedesco lässt variabel agieren

Ganz anders als Bosz ging Tedesco seine erste Bundesliga-Aufgabe an. Der 32-Jährige hatte kein starres taktisches Konzept in der Tasche, nach dem sich alle richten sollten. "Man muss sich seinen Spielern anpassen", sagte er: "Und der Gegner spielt ja auch noch mit."

Der Musterschüler, der die Ausbildung beim DFB 2016 mit einer 1,0 abschloss, lässt sein Team taktisch variabel spielen. Nachdem er zunächst auf Balleroberung und schnelles Umschaltspiel Wert gelegt hatte, arbeitete er zuletzt daran, den Ballbesitz und die Spielkontrolle zu erhöhen.

Sein bislang größter Coup: U21-Europameister Max Meyer, für den er als Zehner keinen Platz hatte, schulte er zum Sechser um. Seitdem ist Schalke in fünf Runden ungeschlagen und hat im Aufbau deutlich mehr Spielkultur. "Schalke spielt nicht überragend, aber mit einer guten Organisation", lobte Stevens.

Ein Verdienst Tedescos, den Kapitän Ralf Fährmann für "einen der komplexesten Trainer, denen ich jemals begegnet bin", hält, "er hat es im Gen, die Leute in den Bann zu ziehen." Ähnliche Lobeshymnen sind in Dortmund derzeit nicht zu hören.

(sid)
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