Irres Revierderby Ein Spiel zum Einrahmen

Dortmund · Das 173. Derby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke seit der Premiere 1925 bietet alles, was den Fußball populär macht: Emotionen, tolle Tore und einen verrückten Spielverlauf, bei dem der Gast aus einem 0:4 ein 4:4 macht.

 Schalke-Trainer Domenico Tedesco.

Schalke-Trainer Domenico Tedesco.

Foto: afp

Schon wieder gibt es Pfiffe. Als Trainer Peter Bosz und seine Spieler zur Hauptversammlung der Dortmunder Borussia den Tagungssaal in der Westfalenhalle betreten, machen die rund 1200 Mitglieder deutlich, was sie von den gut bezahlten Angestellten des Vereins halten. Enttäuschung, Frust, Ärger - all dies hatte sich am späten Samstagnachmittag schon entladen. Da standen die Spieler vor der "Gelben Wand" - unschlüssig, zaghaft, verstört. Wenig später schlichen sie davon.

Zur Halbzeit des Revier-Derbys gegen den nicht gerade beliebten Nachbarn FC Schalke hatte die Profis noch frenetischer Beifall aus der Osttribüne begleitet. Von wegen Verunsicherung nach neun Pflichtspielen mit nur dem Sieg im DFB-Pokal beim Drittligisten Magdeburg. Nach 26 Spielminuten führten die Gastgeber mit 4:0. Selbst die Kritiker von Trainer Bosz genossen den Zwischenstand, der die Dortmunder am Gegner vorbei auf den zweiten Tabellenplatz brachte - eine trügerische Momentaufnahme.

Pierre-Emerick Aubameyang, Benjamin Stambouli mit einem Eigentor, Mario Götze und Raphael Guerreiro sorgten für eine Anfangsphase, in der die Dortmunder Profis Fußball vom Feinsten boten. Die Gastgeber spielten wie zu Saisonbeginn, als alles klappte, als sie 19 von 21 möglichen Punkten in der Liga holten (was allerdings auch den Gegnern geschuldet war) und schon so mancher Fan vom Titel träumte.

Knapp zwei Stunden später verließ Michael Zorc das Stadion. "Wir sind fassungslos, was da in der zweiten Halbzeit passiert ist. Das müssen wir erst einmal verarbeiten", sagte Dortmunds Sportdirektor. Als Schiedsrichter Deniz Aytekin nach der siebenminütigen Nachspielzeit abpfiff, stand es 4:4. Chefcoach Peter Bosz, in den Wochen zuvor längst angezählt, schien nach nur fünf Monaten bereits Geschichte in Dortmund zu sein. Doch am kommenden Samstag in Leverkusen wird der 54-Jährige auf der Bank sitzen, wohl auch, weil kein geeigneter Nachfolger auf dem Markt ist.

In der Hauptversammlung machte Hans-Joachim Watzke allerdings deutlich, was gefordert ist. "Ich habe die klare Erwartung an dich, Peter, dass ihr in dieser Woche alles auf den Prüfstand stellt, jeden Stein umdreht", sagte der Geschäftsführer, der aus seinem Seelenleben kein Geheimnis machte. "Ich fühle mich genauso beschissen wie ihr alle", rief er in den Saal.

"Wenn du 4:0 führst, Aubameyang das fünfte Tor machen muss, darf das niemals passieren", betonte Bosz. Auch die Gelb-Rote Karte für Aubameyang, der ohne Not den Schalker Amine Harit umtrat, war für den Niederländer keine Ausrede für den Zusammenbruch seiner Mannschaft, die in ihre Einzelteile zerfiel. Der Gegner marschierte aus der Hölle, in der sich Domenico Tedesco nach dem 0:4 fühlte, zurück in die Wohlfühloase. Daran hatte Schalkes Trainer seinen Anteil, weil er nach rund einer halben Stunde in Leon Goretzka und Harit zwei Akteure einwechselte, die dem Spiel seiner Mannschaft guttaten.

Er habe den vierten Offiziellen nach dem 0:4 gefragt, ob die Partie nach 70 Minuten abgepfiffen werden kann, erzählte Tedesco. Doch seine Spieler schafften das Comeback gegen Dortmunder Profis, die platt waren. Für Bosz war der Einbruch aber kein körperliches, sondern ein mentales Problem. Eine diskussionsfähige Ansicht. Naldos Treffer zum 4:4 in der Nachspielzeit wurde zum gefühlten Sieg und brachte Schalke in der Tabelle wieder vorbei am Rivalen. Der Klub reagierte schnell und originell. Seit gestern gibt es "Derbysieger"-Shirts.

Nach dem Abpfiff wurde es hektisch, als Schalkes Torhüter Ralf Fährmann die "Gelbe Wand" provozierte (und sich dafür entschuldigte), Dortmunds Nuri Sahin ihn zur Rede stellte und so eine Rudelbildung auslöste. Einige Fans wollten durch ein offenes Tor aufs Spielfeld strömen, und eifrige Ordner auf der anderen Spielfeldseite hinderten Schalker Profis daran, ganz nah mit ihren Fans zu feiern.

Es waren die Schlussakkorde einer Partie, die in Erinnerung bleibt.

(RP)
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