Schiedsrichterin im Interview Steinhaus über den Videobeweis und Howard Webb

Frankfurt/Main · Bundesliga-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus ist ein Fan des Videobeweises - trotz aller Diskussionen in der Hinrunde. Die 38-Jährige baut darauf, dass die Streitfälle beim Lehrgang der Spitzenreferees dieser Tage auf Mallorca aufgearbeitet wird.

Bibiana Steinhaus gibt Debüt in der Bundesliga
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Steinhaus gibt Debüt in der Bundesliga

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Foto: afp

Bibiana Steinhaus hatte über den Jahreswechsel so einiges zu verarbeiten. 2017 pfiff sie als erste Frau ein Bundesliga-Spiel der Männer und ist spätestens seitdem eine Person des öffentlichen Lebens. Noch kann sie aber weitgehend ungestört im Supermarkt einkaufen gehen. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht die 38-Jährige aus Hannover über den Unterschied zwischen der 1. und 2. Liga, den umstrittenen Videobeweis, den Schiedsrichter-Streit im DFB und ihren Trainingsaufwand.

Wie sah Ihre Winterpause nach diesem turbulenten Jahr aus?

Steinhaus Erholsam. Und tatsächlich auch mal ganz ohne Fußball. 2017 war aufregend, bewegend, überragend, großartig. Ich glaube, deshalb war es ganz besonders wichtig, über die Feiertage abzuschalten, um jetzt mit viel Elan wieder starten zu können.

Wie und wo haben Sie sich erholt?

Steinhaus Ganz im Familienkreis. Mein Partner...

... der frühere WM-Schiedsrichter Howard Webb...

Steinhaus ... kommt ja aus England, so dass ich über die Feiertage in den Genuss der englischen Weihnachtstraditionen gekommen bin.

Nach Karriereende als Bundesliga-Schiedsrichterin: Das ist Bibiana Steinhaus
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Das ist Bibiana Steinhaus

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Foto: dpa/Torsten Silz

Wie hat sich Ihr Leben durch den Aufstieg in die Bundesliga verändert?

Steinhaus Gar nicht so sehr. Die Medienaufmerksamkeit in der Bundesliga ist natürlich deutlich größer, aber ich kann immer noch völlig entspannt im Supermarkt einkaufen. Aber meine Trainingsintensität hat sich verändert und auch die Balance zwischen Aktion und Regeneration. Ich gehe sehr bewusst mit meinem Körper um.

Wie schaffen Sie es eigentlich, die gleichen Leistungstests wie die männlichen Spitzenreferees zu bestehen?

Steinhaus Ich trainiere inzwischen sehr viel effektiver als früher. Ich mache ganz viele Sprinteinheiten, Intervalltraining, natürlich auch Kraft- und Ausdauertraining. Ja, bei mir gelten die gleichen Maßstäbe - was aber nur fair meinen Kollegen gegenüber ist: Wir wollen ja die gleichen Spiele leiten. Mitzuhalten erfordert ein sehr intensives Training von mir. Ich habe auch ein paar Schiedsrichter-Kollegen, mit denen ich in Hannover häufig um den Maschsee laufe. Und meine Polizeikollegen sind ebenfalls ganz hervorragende Trainingspartner.

Sie hatten vier Einsätze in der Bundesliga-Hinrunde. Nur?

Steinhaus Nein, das ist für einen Neuling ganz normal. Wir Aufsteiger werden in unserer ersten Saison wohl so acht, neun Spiele leiten. Das ist auch ausreichend. Unsere Topleute pfeifen natürlich deutlich mehr, die haben auch viel Erfahrung. Ich genieße einfach jeden Einsatz. Für mich ist es immer noch ein wenig unfassbar, wenn ich als Schiedsrichterin in einem Bundesliga-Stadion stehen darf - da habe ich Gänsehaut.

Kritik gab es nach ihren Einsätzen praktisch nicht. Aber zum Beispiel den Vorwurf von zuviel Nähe, weil sie Kölns Stürmer Claudio Pizarro mit Küsschen im Kabinengang begrüßt haben. Zu Recht?

Steinhaus Erstmal freut es mich, dass es bislang wirklich wenig Nebengeräusche gab. Aus Schiedsrichter-Sicht gab es im Rückblick betrachtet vielleicht das eine oder andere, was ich anders hätte machen können, aber ich glaube, das ist ganz normal in so einer Entwicklung. Das entscheidende Kriterium ist das Fachliche auf dem Rasen. Und das hat bislang recht gut gepasst.

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Foto: dpa, hsc jhe

Was sind die Unterschiede zwischen der 1. und 2. Liga?

Steinhaus Tatsächlich ist die Bundesliga in ihrer Dynamik und Schnelligkeit noch mal deutlich anspruchsvoller. Wenn es da in die Spitze geht - dann mit Vollgas. Außerdem ist die Nettospielzeit deutlich höher. Für mich als Schiedsrichterin ist ein Spiel in der Bundesliga etwas einfacher zu lesen. Die Strukturen und Spielsysteme sind da klarer: Wo geht der nächste Pass hin, wo der übernächste, welcher Spieler nimmt welche Rolle ein.

Ein Dauerthema ist das Thema Videobeweis. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Steinhaus Ich bin ein Fan des Videobeweises. Alles, was den Fußball gerechter macht, kann nur hilfreich sein. Auch für uns Schiedsrichter. Eine hundertprozentige Gerechtigkeit wird es nicht geben. Dass in der Hinrunde noch etwas Sand im Getriebe war, ist bei technischen Neuerungen häufig so. Ich bin jetzt sehr positiv gestimmt, dass wir auf Mallorca das Thema intensiv bearbeiten werden. Jetzt nach einem halben Jahr können wir mit ganz konkreten Situationen arbeiten und diese auch vergleichen.

Was muss verbessert werden?

Steinhaus Die Vergleichbarkeit muss gegeben sein. Es muss für den Zuschauer transparent sein, warum der Schiedsrichter so oder so entscheidet.

Also sind Sie dafür, dass man strittige Szenen auf der Anzeigetafel in den Stadien zeigt?

Steinhaus Das ist ein ganz schwieriger Aspekt. Ich kann da Befürworter und Gegner gut verstehen: einerseits den Wunsch der Fans nach Transparenz, andererseits die mögliche Dynamik, die sich im Stadion entwickeln kann. Aktuell ist das aber aus unterschiedlichen Gründen noch kein Thema.

Wann sollen die Videoassistenten eingreifen?

Steinhaus Das ist müßig, darüber zu diskutieren, weil die Fifa und das IFAB ganz klar vorgeben, in welchen vier Situationen der Videoassistent überhaupt eingreifen darf: nämlich bei der Torerzielung, bei Elfmetern, Roten Karten und Verwechslung eines Spielers. Man darf nicht vergessen: Wir machen das ja in Deutschland nicht völlig alleine und isoliert. Das ist ein weltweites Projekt.

Man hatte aber das Gefühl, dass durch mangelhafte Kommunikation - zumindest nach außen - die Schiedsrichter verunsichert sind. Teilen Sie diesen Eindruck?

Steinhaus Ich finde, dass mit zunehmender Dauer der Hinrunde die Diskussion schon deutlich ruhiger geworden ist. Wir haben einfach gelernt, dass die Entscheidungsgewalt immer der Schiedsrichter behält. Der Unparteiische auf dem Feld hat die Möglichkeit, in der Video-Area noch mal die Szene anzuschauen, und entscheidet nach seinem Ermessen. Und das ist ganz, ganz wichtig und in der öffentlichen Wahrnehmung vielleicht etwas untergegangen. Die Einschätzung, dass da irgendwo in einem Keller in Köln der Videoassistent allein entscheidet, ist nicht korrekt. Er kann höchstens einen Hinweis geben.

Zuletzt gab es viel Unruhe in der Führungsriege der Schiedsrichter im DFB. Manuel Gräfe hat den Verantwortlichen Vetternwirtschaft vorgeworfen, WM-Referee Felix Brych hat sich intern ebenfalls kritisch geäußert. Wie ist Ihre Meinung?

Steinhaus In diesen Diskussionen ist so viel gesagt worden. Ich möchte öffentlich da wirklich keine Position beziehen.

Hellmut Krug wurde entmachtet, Herbert Fandel darf nicht mehr bei den Lehrgängen dabei sein. Haben Sie sich immer gerecht behandelt gefühlt? Hätten Sie schon früher in die 1. Liga gehört?

Steinhaus Die Frage ist mir in den vergangenen Jahren häufig gestellt worden. Aber hätte, würde, könnte - das zählt nicht. Ich bin einfach wahnsinnig froh, dass ich meinen großen Traum von der Bundesliga erfüllen kann.

Dennoch: Muss es eine grundsätzliche Änderung in der Führungsstruktur geben?

Steinhaus Wenn dem so sein sollte, wird das sicherlich intern besprochen. Meine Position ist da absolut deutlich: Ich glaube, dass es nie geholfen hat, Personalien öffentlich zu diskutieren.

(dpa)
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