Borussia Mönchengladbach Zwischen Vorbild und Feindbild

Mönchengladbach · Was Borussia und den VfL Wolfsburg verbindet, ist nicht viel. Die aktuelle Saison in der Europa League, vielleicht ab Sommer die Spielzeit in der Champions League, Erinnerungen ans Pokalfinale 1995, Gladbachs Rettung 1998 und das 1:7 in der Abstiegssaison. Das war's. Einfacher gestaltet sich die Suche nach Unterschieden. Weil sie gerne betont werden, besonders von den Fans. Entlang der Trennlinie zwischen Traditionsklubs und Werksvereinen.

Borussia Mönchengladbach: Lucien Favre am Mittwoch zurück beim Training
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Favre am Mittwoch zurück beim Training

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Wolfsburg, Leverkusen, Leipzig, Hoffenheim — aus einem gängigen Blickwinkel heraus sind sie Totengräber der Fußballkultur, Wettbewerbsverzerrer mit Mäzen im Rücken. In der Tat braucht sich ein VfL Wolfsburg nicht wie verrückt um Einnahmen zu bemühen, wenn er als hundertprozentige Volkswagen-Tochter vom Konzern mit üppigen Millionenbeträgen gefüttert wird. Wie viele Millionen, weiß niemand, weil die VfL Wolfsburg GmbH (2001 aus dem e.V. ausgegliedert) — wie auch die Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH (1999 ausgegliedert) — keine Jahresbilanz ausweist und von einem entsprechenden Passus im Handelsgesetzbuch Gebrauch macht. Die Schätzung einer jährlichen 100-Millionen-VW-Spritze wies man in Wolfsburg 2011 mal zurück. Alles andere bleibt Schätzung.

Feindbilder für Traditionalisten

Das sind naturgemäß andere Voraussetzungen als bei einem Verein wie Borussia (deren Profibereich 2003 als GmbH ausgegliedert wurde), der Ausgaben über Einnahmen abdecken muss. Wo Wolfsburg 2013/14 46 Millionen Euro für Transfers ausgeben konnte, musste Lucien Favre konstatieren, dass Kevin de Bruynes Berater das Gladbacher Angebot im Vergleich zu dem aus der Autostadt belächelt habe. Für die Fans sind Werksklubs in der Regel eh Gebilde, Feindbilder für Traditionalisten.

Doch Fakt ist eben, dass Wolfsburg, Leverkusen und Co. sich in einem Rahmen bewegen, den die DFL erlaubt — den diese indes immer mal wieder passend erweiterte. In jedem Fall müssen sich Borussias Macher Max Eberl und Stephan Schippers mit der Existenz dieser finanzstarken Konkurrenz auseinandersetzen. Und diese Erkenntnis resultiert auch in Gladbach im Gebot, neue Geldquellen zu erschließen. Wolfsburg quasi als Vorbild. Schippers regte zwar unlängst im Interview mit unserer Redaktion an, auch in der Bundesliga ein Financial FairPlay einzuführen, er sagte an selber Stelle aber eben auch: "Der deutsche Fußball wird sich weiter entwickeln. Wir als Borussia müssen das beobachten und uns Gedanken machen, wie wir damit umgehen, welche strategischen Partnerschaften es geben kann. Wir müssen uns aufstellen für die Zukunft."

Der Sporthistoriker Dr. Nils Havemann sagt: "Das Unbehagen vieler Fans über die so genannten Werksvereine ist nur vor dem Hintergrund der ständig voranschreitenden Kommerzialisierung und des ausbleibenden sportlichen Erfolgs so genannter Traditionsvereine zu verstehen." Und er sagt auch: "Alle Vereine, die in der Spitze spielen wollen, haben keine andere Wahl, als mit finanzstarken Partnern zusammenzuarbeiten." Letztlich, so der Soziologe Dr. Ronald Gebauer, gehe es nur um die Frage, "welche Formen [der Kommerzialisierung, Anm. d. Red.] von den Fans akzeptiert werden". Für Borussia liegt die Schwierigkeit also darin, finanziell konkurrenzfähig zu bleiben, erforderliche neue Geldquellen aber stets möglichst akzeptabel für die Anhängerschaft zu drapieren.

(RP)
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