Borussia Mönchengladbach Weltmeister Kramer droht die Bank
Mönchengladbach · Am Dienstag kehrt der Mittelfeldspieler ins Teamtraining von Borussia Mönchengladbach zurück. Die Konkurrenz ist groß.
Es war am Dienstag voll in der guten Stube des Mönchengladbacher Rathauses. Um 12.30 Uhr war Christoph Kramer, der Weltmeister, zu Besuch beim neuen Oberbürgermeister Hans-Wilhelm Reiners, um sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen. Die Honoratioren der Stadt waren dabei. Und natürlich Borussias Präsidium.
Einen Weltmeister gibt es nicht alle Tage zu ehren. Kramer ist erst der sechste Borusse, der den Titel geholt hat. Der 23-Jährige reiht sich in eine Reihe illustrer Namen ein, die für die große Zeit Borussias stehen: Berti Vogts, Rainer Bonhof, Jupp Heynckes, Herbert Wimmer und Wolfgang Kleff. Sie gehörten 1974 zum deutschen Weltmeister-Team. Kramer steht für die Jetztzeit-Borussia. Am Nachmittag beginnt für ihn dann der Alltag. Er steigt in die Vorbereitung auf die neue Saison ein.
Kramer war schon das eine oder andere Mal im Borussia-Park während seines WM-Urlaubs. Er hat also die meisten Glückwünsche schon entgegengenommen. Nun ist er gefordert, das zu tun, was Trainer Lucien Favre seinen Spielern auch auf dem Spielfeld aufgetragen hat: Kramer muss schnell umschalten. Vom WM-Modus auf die die Arbeit im Klub. Die rauschhaften Wochen in Brasilien, seine Einsätze bei der WM, vor allem der im Finale, an den er sich wegen des Bodychecks des Argentiniers Ezequiel Garay nicht erinnern kann, dann die ewige Party der Weltmeister danach — die ganze märchenhafte Geschichte, die Kramer in den vergangenen Monaten erlebte, "das ist jetzt Schnee von gestern", sagt Bonhof, Borussias Vizepräsident.
Er war 1974 wie Kramer ein Neuling im DFB-Team und kam als Weltmeister zurück. "Man freut sich total auf die Mannschaft und auf die neue Saison", sagt Bonhof. Die Lust auf Fußball ist da, doch es gilt zurückzukehren aus dem Traum in die Realität. "Bei mir hat es zwei Monate gedauert, bis ich wieder auf Wolke null, war. Die Ablenkungen sind groß, es prasselt so viel auf einen ein", erklärt der Vizepräsident. Heute, da die mediale Ausleuchtung des Fußballs um ein Vielfaches größer ist als vor 40 Jahren, ist das eine noch größere Herausforderung.
Kramer nach WM-Titel heiß begehrt
Kramer hat das schon zu spüren bekommen. Kaum ein Tag verging seit dem WM-Finale, an dem er nicht Spekulationsgegenstand war. Zwar ist seine Vertragssituation eindeutig: Bis 2015 ist er an Gladbach ausgeliehen, dann soll er zu Bayer Leverkusen zurückkehren. Dennoch haben mehr als ein Dutzend Vereine Interesse bekundet. Kramer ist der Rummel fast schon zu viel. "Ich will nur Fußball spielen und freue mich extrem auf die Saison mit Borussia", sagt er.
Es ist seine zweite in der Bundesliga. Vor einem Jahr kam er als Zweitligaspieler aus Bochum nach Gladbach, nun kehrt er als Weltmeister zurück. Er kommt spät, die Kollegen sind seit geraumer Zeit bei der Arbeit. Und der Konkurrenzkampf ist groß. Trainer Lucien Favre schätzt Kramers Qualitäten sehr: die unglaubliche Laufstärke, die verblüffende Passsicherheit, seine Qualitäten im Umschaltspiel. Doch bleiben dem Sechser nur elf Tage bis zum ersten Pflichtspiel. Das könnte zu wenig sein, um sich nachhaltig zu positionieren. Möglich, dass Kramer zunächst die Bank droht. Dieses Szenario ist zumindest keine Utopie.
Denn Kramers Konkurrenten haben sich gut aufgestellt während seiner Abwesenheit. Havard Nordtveit, der im vergangenen Jahr später ins Training einstieg und dann seinen Stammplatz an Kramer verlor, "ist 110 Prozent fit" und "total bereit". Granit Xhaka hat sich vorgenommen, künftig "über 90 Minuten konzentriert zu sein". Und dann ist da noch der gerade 18 Jahre alte Mo Dahoud. Der Bursche ist ein großartiger Fußballer, Favre ist begeistert von ihm. Kramer indes ist ein Kämpfer. Er wird alles dafür tun, dass sein ganz persönliches Märchen weitergeht. Er hatte durchaus genug Zeit, das WM-Erlebnis zu verarbeiten. "Wichtig ist, sich sofort wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Aber das wird Christoph schaffen. Er ist hausgemacht und weiß, worauf es ankommt", sagt Rainer Bonhof.