Borussia Mönchengladbach Vom Bruch rettete Borussia als Erster vor dem Abstieg

Mönchengladbach · Knapp zwei Jahre war Gerd vom Bruch Cheftrainer Borussia Mönchengladbachs – der erste, der den Verein vor dem Abstieg aus der Bundesliga rettete. Das war 1989/1990. Knapp eineinhalb Jahre später wurde er entlassen. Nun ist er 74, und noch immer im Fußballgeschäft – als Spielerberater.

Das ist Gerd vom Bruch
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Das ist Gerd vom Bruch

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Knapp zwei Jahre war Gerd vom Bruch Cheftrainer Borussia Mönchengladbachs — der erste, der den Verein vor dem Abstieg aus der Bundesliga rettete. Das war 1989/1990. Knapp eineinhalb Jahre später wurde er entlassen. Nun ist er 74, und noch immer im Fußballgeschäft — als Spielerberater.

Der Blick aus dem Fenster des Büros an der Friedrich-Ebert-Straße in Rheydt geht direkt auf das gegenüber liegende Senioren-Zentrum. Und Gerd vom Bruch ist in einem Alter, in dem mancher daran denkt, sich in die Obhut eines Pflegeheims zu begeben. Doch vom Bruch mit seinen 74 Jahren ist noch sehr weit davon entfernt. Sein Leben spielt sich immer noch zu einem guten Teil in den Fußballstadien Europas beziehungsweise auf dem Weg dorthin ab. Etwa 50.000 Kilometer im Jahr legt er am Steuer seines Autos zurück, um Talente zu suchen und zu beobachten, auch im Auftrag von Vereinen, oder seine Klienten zu betreuen. Hinzu kommen die Reisen im Flugzeug.

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Wie zum Beispiel jetzt zum Champions-League-Spiel Leverkusens in Rom. Denn im Bayer-Kader ist Weltmeister Christoph Kramer, einer der 82 Fußball-Profis aus der Ersten bis zur Dritten Liga und den Jugend-Nationalmannschaften, die Gerd vom Bruchs Agentur als Berater haben. So wie ein weiterer Ex-Gladbacher: Marc-André ter Stegen, heute in Diensten des berühmten FC Barcelona. Oder Marcell Jansen, der nun die Fußballschuhe gegen den Job als Experte des Fernsehsenders Sky eingetauscht hat.

Gerd vom Bruch, der 1990 der erste Trainer war, der Borussia vor dem Erstliga-Abstieg rettete, ist privat ein leibhaftiger Opa und in seinem Job ein "Dino", im positiven Sinne. Weil er seinen Beruf nicht wie mancher Kollege als Quelle fetter Provisionen für sich selbst sieht, sondern das Beste für seine Spieler herauszuholen versucht: "Die 15 Prozent, die schon mal gehandelt werden, sind eine Mär. Üblich ist bei seriösen Beratern normalerweise ein Honorar für die Beratung und Vermittlung bei einem Vertragsabschluss in Höhe etwa eines Monatsgehalts des Spielers." Was bei teils siebenstelligen Einkommen der Stars allerdings auch eine erkleckliche Summe für den Berater bedeutet. Vom Bruch: "Doch es sind nur ganz wenige Spieler, die richtig abkassieren. Weniger als zehn Prozent der Erstliga-Profis haben für ihr Leben ausgesorgt, wenn sie die Laufbahn beenden."

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Darum klopft Gerd vom Bruch mit seinen Spielern rechtzeitig, "ab etwa 21 Jahren", ab, ob es sinnvoll ist, ganz auf Fußball zu setzen oder sich eine weitere Chance für das Leben danach zu öffnen. "Ein guter Berater ist Sozialarbeiter, Kritiker und Förderer seiner Spieler", sagt er. "Er muss den Riecher für die Entwicklungschancen seiner Spieler haben, aber auch den Markt, die Interessen und Möglichkeiten der Vereine kennen."

Vom Bruch selbst, Sohn eines einfachen Schreiners aus dem Siegerland, ist immer bodenständig geblieben. Er hat Schlosser gelernt, sich dann bei den Stahlwerken Südwestfalen in Siegen, einem Unternehmen mit 25.000 Beschäftigten, über die Abendschule als Einkäufer qualifiziert. Daneben hat er als Amateur Fußball gespielt, war nach dem Aufstieg des VfL Klafeld-Geisweid 1972 in die Regionalliga (damals die zweite Klasse) eine Saison Vertragsspieler - neben dem Beruf. Und wurde dann Trainer - ebenfalls neben seinem Job im Stahlwerk.

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An eine Karriere im Profifußball dachte er nicht - "nicht einmal im Traum". Als Jupp Heynckes, mit dem er zusammen gerade den Fußballlerlehrer-Lehrgang erfolgreich abgeschlossen hatte ("dafür hatte ich Urlaub genommen, zum Teil unbezahlten") ihn Anfang 1979 fragte, ob er sein Assistent bei Borussia Mönchengladbach werden wolle, wenn er im Sommer Cheftrainer würde, lehnte vom Bruch ab: Der Job im Stahlwerk, dazu der als Trainer der Sportfreunde Siegen in der Oberliga, damals dritte Spielklasse - das war die Sicherheit, die er wollte.

Bis 1987. Da bekam er einen Anruf von Wolf Werner. Auch der hatte mit ihm den Fußballlehrer gemacht, war dann elf Jahre Heynckes' Assistent am Bökelberg gewesen und rückte auf, als Heynckes nun zum FC Bayern wechselte. Und er wollte Gerd von Bruch an seiner Seite. Diesmal lehnte der nicht ab: "Die Verwaltung der Stahlwerke, die mittlerweile zu Thyssen-Krupp gehören, wechselte gerade da aus Siegen nach Bochum. Ich musste also sowieso umziehen. So haben meine Frau und ich beschlossen, ich sollte Borussias Angebot annehmen."

So wechselte er, mit 46 Jahren, dann doch ganz in den Fußball. Knapp zwei Jahre später wurde Wolf Werner entlassen und Gerd vom Bruch sein Nachfolger - eigentlich gegen seinen Willen: "Ich hatte gar nicht den unbedingten Ehrgeiz, Cheftrainer zu werden - dazu noch mit der großen Gefahr, dann auch entlassen zu werden."

Denn Borussia steckte als Tabellenletzter in einer Situation, in den kaum jemand ihr den Klassenerhalt zutraute. Darum winkten etliche prominente Trainer, die Manager Helmut Grashoff gefragt hatte (darunter, wie gemunkelt wurde, auch der Heynckes-Vorgänger und zweimalige "Meistermacher" Borussias, Udo Lattek) dankend ab. Bei einem geheimen Treffen sprach sich schließlich die Mannschaft für Gerd vom Bruch aus, und das Präsidium, noch immer ohne Alternative, folgte dem Votum.

Aber nicht mit wirklicher Überzeugung: "Helmut Grashoff sagte mir, dass er weiter suchen würde. Und mir war das recht. Interims-Trainer gewesen zu sein, hätte mir gereicht", erzählt vom Bruch. Und dann hatte Grashoff Ottmar Hitzfeld, damals noch beim Grasshopper Club Zürich, schon an der Angel. Doch als die RP darüber berichtete und vom Bruch seine Rettungsaktion auch noch erfolgreich startete, brach Grashoff die Gespräche mit Hitzfeld, dem späteren Meistermachen Dortmunds und Bayern Münchens, ab.

Und Gerd vom Bruch schaffte die Rettung aus fast aussichtsloser Lage: "Weil die Mannschaft phanstatisch mitgezogen, wirklich alles gegeben hat." In der Saison 1990/91 wurde Gladbach Neunter. Doch als Borussia dann in der folgenden Spielzeit am zehnten Spieltag wieder auf dem letzten Platz stand, wurde vom Bruch entlassen - nach einem 2:2 im Heimspiel gegen den 1. FC Köln und einem 2:0-Sieg gegen Zweitligist Fortuna Köln im DFB-Pokal. Man traute am mittlerweile krisengeschüttelten Bökelberg Gerd vom Bruch eine erneute Rettungsaktion nicht zu, Nachfolger wurde Jürgen Gelsdorf - für den ein Jahr später ebenfalls Schluss in Gladbach war.

Der Rauswurf hatte vom Bruch getroffen. So sehr, dass er das Angebot eines Erstligisten, das schon zwei Wochen später kam, ablehnte mit der Begründung, es sei noch zu früh. "Das war ein Fehler, das kann man in diesem Geschäft nicht machen, wenn man in der Ersten Liga bleiben will", sagt er.

(RP)
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