Borussia Mönchengladbach Stindl: "Es steckt knallharte Arbeit dahinter"

Mönchengladbach · Borussias Mittelfeldspieler spricht vor dem Treffen am Sonntag mit Werder Bremen über die Gründe für den missglückten Start in der Bundesliga, die Eingewöhnungszeit in Gladbach, seine Rolle im Team und die Gründe für seinen Langzeit-Vertrag.

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Die bisherige Karriere von Lars Stindl

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Foto: Dirk Päffgen Paeffgen (dirk)

Es gibt etwas, das Lars Stindl im Borussia-Park ändern würde. Im Treppenaufgang gibt es ein Bild von einem Spiel gegen Hannover 96, seinen Ex-Verein. 3:0 prangt da auf der Anzeigetafel und fast wäre in der Szene, die das Bild zeigt, das vierte Tor gefallen. "Das war ein bitteres Spiel. Und ich muss es mir jeden Tag anschauen. Schön ist das nicht. Vielleicht sollten wir das mal austauschen", sagt der 27-Jährige mit einem Grinsen. Er ist nun auf der anderen Seite, ein Borusse. Und als solcher sprach er mit Karsten Kellermann über den misslungenen Start in der Bundesliga, die Zusammenarbeit mit Granit Xhaka vor der Abwehr, Krisenmanagement, Führungsspieler und die Arbeit mit Trainer Lucien Favre.

Herr Stindl, mal ehrlich: Sie hätten sicher nicht damit gerechnet, dass Sie nach zwei Spieltagen mit Borussia Tabellenletzter sind.

Stindl Das haben wir uns alle etwas anders vorgestellt. Die ersten beiden Spiele sind sehr unglücklich gelaufen. Im Pokal bei St. Pauli haben wir eigentlich gut reingefunden, haben dann aber in Dortmund kein gutes Spiel gemacht und verdient verloren. Gegen Mainz haben wir gehofft, dass wir die richtige Richtung einschlagen. Die erste Hälfte war nicht so gut, dann haben wir aber den Ausgleich gemacht und eine richtig gute Phase mit großen Chancen gehabt. Da hätten wir das 2:1 machen und das Spiel gewinnen können. Dann kriegen wir bei der ersten Chance der Mainzer nach der Pause das 1:2. So stehen wir jetzt mit leeren Händen da. Aber: Wir haben das Spiel analysiert und abgehakt. Jetzt gilt es, sich voll auf Bremen zu konzentrieren.

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Sie selbst hatten beim Pokalspiel in St. Pauli einen perfekten Einstand mit zwei Toren. Sie haben da auch zum ersten Mal mit Granit Xhaka zusammengespielt - aber ganz rund läuft die Doppelchef-Sechs noch nicht.

Stindl Das sehe ich etwas anders. Natürlich ist es vor allem für mich eine Umstellung, diese Position zu spielen. Aber es hat ganz ordentlich funktioniert im Pokalspiel. Dann hatten wir in den beiden Bundesligaspielen ein paar Probleme, das ist richtig. Aber es gab viele Passagen, Aktionen und Phasen, in denen es gut lief.

Granit Xhaka und Sie sind beide eher strategische und offensiv ausgerichtete Sechser. Ist es daher schwer, gleich die nötige Balance zu finden?

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Foto: dpa, pse nic

Stindl Wir haben beide den Drang, nach vorn zu gehen. Aber es muss natürlich ein Wechselspiel sein. Wenn der eine nach vorn geht, sichert der andere ab und umgekehrt. Man darf es aber nicht auf unsere beiden Positionen beschränken. Es geht um die Balance im Team zwischen defensiver Kompaktheit und offensiven Impulsen. Die Mischung und das Gefüge müssen stimmen, um das Spiel, das Borussia in den vergangenen Jahren ausgezeichnet hat, wieder spielen zu können.

Ist es schwer für neue Spieler, sich ins Borussia-System einzufinden? Auch über Josip Drmic wird gesagt, dass er noch ankommen muss.

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Stindl Es ist doch klar, dass es viel Neues gibt, andere Abläufe und Inhalte. Jeder Trainer hat seine Philosophie. Das ist normal im Fußball. Es braucht eben ein wenig Zeit, sich daran zu gewöhnen. Wir hatten sicherlich gehofft, dass alles schon eingespielter ist, wenn die Pflichtspiele losgehen. Wir müssen jetzt dranbleiben, schleunigst Punkte holen und erst mal da unten raus kommen. Ich mache mir aber keine Sorgen, dass wir das nicht hinkriegen.

Als Krisenmanager haben Sie zuletzt während des Abstiegskampfes in Hannover einige Erfahrung gesammelt. Was können Sie davon nun einbringen?

Stindl Erst mal muss sich sagen, dass ich in Hannover ja auch zwei, drei sehr erfolgreiche Jahre hatte, in denen wir auch durch Europa getourt sind. Damit hat damals auch niemand gerechnet. Die letzten zwei Jahre waren allerdings schwierig, als es um Alles oder Nichts ging. Das war mental für alle sehr anstrengend. In solchen Phasen ist es wichtig, dass man die Dinge, die nicht gut sind, klar anspricht, aber trotzdem die Ruhe behält und an dem Weg, den man eingeschlagen hat, festhält und daran glaubt. Das ist hier in Gladbach so. Die Qualität im Team ist extrem hoch und wir haben den Teamgeist und den Charakter, um schnell wieder zu punkten.

Müssen die Leute im Umfeld nach einer so erfolgreichen Saison, wie Borussia sie jetzt gespielt hat, erst wieder lernen, wie es ist zu verlieren?

Stindl Borussia hat vor ein paar Jahren entschieden, einen Weg zu gehen. Das wurde erfolgreich umgesetzt. Man muss sich ja nur die Endplatzierungen der vergangenen Jahre anschauen. All das bekommt man aber nicht geschenkt, sondern es steckt knallharte Arbeit dahinter. Das wissen die Leute schon zu schätzen, das ist jedenfalls mein Eindruck. Natürlich haben sich die Fans, wie wir auch, den Start anders vorgestellt. Aber sie stehen hinter uns und ermutigen uns amTrainingsplatz. Jeder kann die Situation richtig einschätzen. Es kann immer wieder vorkommen, dass Spiele gegen Mainz zu Hause auch mal verloren gehen. Die Gegner haben sich auf unser Spiel eingestellt, entsprechend treten sie gegen uns auf. Wir müssen ganz einfach die passenden Lösungen finden.

Wo kann Lars Stindl Borussia am besten helfen: Im defensiven Mittelfeld oder eher vorn?

Stindl Ich habe ja immer gesagt, dass ich mich im Zentrum am wohlsten fühle. Und, dass ich aus der defensiven Zentrale heraus am meisten Einfluss auf ein Spiel nehmen kann. Aber die Option, dass ich vorn spiele, bleibt natürlich. Für mich selbst muss es ja nicht negativ sein, flexibel zu sein.

Erklären sie mal, wie die Absprachen mit Granit Xhaka ablaufen. Setzt man sich da vor dem Spiel zusammen und spricht ab, dass der eine dies und der anders jenes macht. Oder passiert das auf dem Rasen situativ?

Stindl Man muss daraus gar nicht so ein großes Thema machen. Es gibt Momente, in denen ein Sechser absichert und der andere nach vorn geht. Beim nächsten Mal wieder umgekehrt. Wir trainieren die Situationen - und das spiegelt sich im Spiel wieder.

Stabilität ist ein großes Thema in diesen Tagen. Dafür sind vor allem auch die Sechser verantwortlich. Fehlt da noch die Stabilität vor der Abwehr, weswegen es dann Lücken und Gegentore gibt?

Stindl Ich weiß, dass Borussia in der vergangenen Saison kaum Gegentore zugelassen hat, vor allem in der Rückrunde. Das hatte aber mit der gesamten Mannschaft zu tun, es geht immer um den Verbund. Darum finde ich es auch nicht gut, einzelne Spieler raus zu picken, wenn etwas nicht klappt. Tony Jantschke hat es gut gesagt: Wir haben insgesamt nicht gut verteidigt. Es waren einfache Fehler bei den Gegentoren. Das müssen wir abstellen, hinten geordnet sein - und darüber können wir dann unsere Offensive in Szene setzen.

Spielt tatsächlich auch die Champions-League-Thematik eine Rolle? Beeinflussen diese Gedanken die Leistungen in der Liga?

Stindl Gerade in der Vorbereitung war das ein Thema, das wir um uns herum wahrgenommen haben. Das ist auch gut so, Borussia hat schließlich etwas Tolles geschafft. Aber in der Kabine war das nie groß ein Thema. Wir haben immer gesagt, dass die Bundesliga das Tagesgeschäft ist und, dass uns das bewusst ist. Das war nicht nur Gerede. In dieser Woche haben natürlich alle über die Auslosung der Gruppen gesprochen. Der gesamte Verein hat darauf hingefiebert. Wir freuen uns auf diese schwere, aber spannende Gruppe mit tollen Gegnern. Aber das ist es auch schon. Was zählt, ist das Spiel am Sonntag in Bremen. Darauf konzentrieren wir uns.

Trotzdem ist die Champions League auch eine große Bühne, auf der auch Sie sich präsentieren können - vielleicht auch mit Blick auf das deutsche Nationalteam?

Stindl Wir haben in Deutschland auf meinen Positionen sehr gute Spieler. Für mich ist die Champions League zunächst mal ein tolles Erlebnis, das ich genießen werde. Ich habe in meiner Karriere schon einiges mitgemacht, aber das ist für mich etwas Neues und Besonderes - wenn es soweit ist.

In Hannover waren sie Kapitän. Auch in Gladbach sollen sie Führungsspieler sein. Wie wird man das in einem neuen Team?

Stindl Es gibt in der Mannschaft eine gesunde Hierarchie. Es wird kein großes Tamtam um die Kapitänsbinde gemacht, die Spieler, die in der Verantwortung sind, regeln die Dinge, die zu regeln sind. Nichtsdestotrotz sage ich meine Meinung, wenn diskutiert wird. Und ich kann mit meiner Erfahrung den jungen Spielern Tipps geben. Ich bin keiner, der reinkommt und auf den Tisch haut, das habe ich auch in Hannover nicht gemacht. Aber ich mache den Mund auf, wenn es etwas zu sagen gibt.

Borussia ist wichtig für die Stadt Mönchengladbach. Spüren Sie das schon? Ist das anders als in der Landeshauptstadt Hannover?

Stindl Der Fußball hat nun mal einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Borussia wird in Gladbach intensiv gelebt, man sieht, dass sie für die Menschen hier eine Herzensangelegenheit ist. Ich kann das nachvollziehen. Es ist doch sensationell (deutet auf die Bilder der großen Ex-Borussen an den Wänden), was für Spieler hier schon waren. Ich bin glücklich, jetzt ein Teil davon zu sein. Aber ich möchte nicht nur ein Teil davon sein, sondern die Zukunft mitgestalten.

Es war zu lesen, dass Sie sich angesichts Ihres Fünf-Jahres-Vertrages vorstellen können, dass Borussia Ihre letzte Profistation ist.

Stindl Ich bin jetzt 27, am Ende des Vertrages bin ich 32. Es ist ja leider so, dass man nicht ewig spielen kann. Aber wir haben im Team in Martin Stranzl und Roel Brouwers gleich zwei sensationelle Beispiele, dass man auch weit länger auf hohem Niveau spielen kann. Das imponiert mir. Aber vorerst freue ich mich auf die fünf Jahre. Was dann kommt, werden wir sehen. Aber ich habe den langen Vertrag schon mit Bedacht abgeschlossen. Viele Spieler haben hier einen langfristigen Vertrag. Es wird kontinuierlich gearbeitet. Das hat auch mich überzeugt, hierher zu kommen. Ich will als Mensch und Fußballer den nächsten Schritt machen.

Für Letzteres ist Trainer Lucien Favre zuständig. Ist es tatsächlich so, dass er Spieler besser macht.

Stindl Er ist sehr detailversessen und akribisch. Das sind Dinge, auf die es im Fußball mehr und mehr ankommt. Lucien Favre filtert gut heraus, was man als Spieler verbessern kann. Ich erhoffe mir durch das tägliche Training neue Sichtweisen, durch den Trainer, aber auch durch das Trainerteam. Ich bin immer offen für etwas Neues. Ich habe im taktischen und defensiven Verhalten noch Potenzial, das will ich ausschöpfen. Manchmal hinterfragt man als Spieler natürlich die Anregungen des Trainers. Aber wenn man sieht, dass es funktioniert, ist man überzeugt. Borussias Entwicklung ist überzeugend. Lucien Favre hat Gladbach in einer schwierigen Phase übernommen und sie kontinuierlich entwickelt. Das haben wir ja auch in dem Borussia-Film im Kino gesehen. Da haben auch wir Außenstehende, die noch nicht dabei waren, Gänsehaut bekommen.

Sie durften oder mussten in dem Film auch Juan Arangos Freistoßtor in Hannover noch mal sehen.

Stindl (grinst) Da kam mir das ganze Spiel in den Kopf, das wir nach einer 2:0-Führung noch 2:3 verloren haben. Das war sehr ärgerlich. Arango ist natürlich ein großartiger Kicker. Aber wir haben jetzt auch viele tolle Spieler. Raffael zum Beispiel. Der ist richtig klasse. Es macht Spaß, mit solchen Jungs zusammenzuspielen.

Karsten Kellermann führte das Gespräch.

(RP)
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