Borussia Mönchengladbach Spitzenteams müssen auch mal unromantisch sein

Meinung | Mönchengladbach · Für Borussia beginnt die zweite Phase der Saison mit höchst unterschiedlichen Aufgaben. In Freiburg gilt: Verlieren darf Gladbach beim Aufsteiger nicht wirklich.

 André Schubert plant gerne, Serien interessieren ihn nicht.

André Schubert plant gerne, Serien interessieren ihn nicht.

Foto: afp

Statistiken sind romantisch. Auch solche, die unschön sind, wie die Sieglos-Serie der Borussen in Freiburg. Das ist eine Statistik aus der Kategorie "Angstgegner" und gehört daher zu den Unerklärlichkeiten des Fußballs. Schließlich geht es um viele Jahre und viele verschiedene Freiburger und Gladbacher Teams, die sich in dieser Zeit getroffen haben. Doch gab es immer wieder dasselbe Problem für die Gladbacher: Es war nichts zu holen. Warum und wieso? Unerklärlich. Geschichten, die nur der Fußball schreibt.

André Schubert, der Borussen-Trainer, mag Unerklärliches nicht. Er hat gern einen Plan für jede Situation, und auch einen Plan B, C, vielleicht sogar D und E. Jeder Plan ist darauf ausgelegt, zu gewinnen. Weswegen er nun nach Freiburg gereist ist mit seinem Team, um dort die Sieglos-Serie zu beenden. Das ist ein logischer Schluss, kein romantischer. Schubert ist nicht romantisch. Ihn interessieren Serien nicht, weder schöne noch schlechte. Sie liegen in der Vergangenheit und er schaut lieber auf das Hier und Jetzt. Und in dem ist seine Mannschaft ein Romantik-Killer. Denn sie hat schon die eine oder andere Serie, die Borussia mit sich herumschleppte, zu den Akten gelegt.

Unromantisch zu sein, das ist ein typisches Merkmal von Spitzenteams. Sie scheren sich nicht um Unerklärlichkeiten, sie machen ganz einfach ihren Job, und der heißt Erfolg. Borussia hat sich zu einem Spitzenteam entwickelt in den vergangenen Jahren. Stammgast im oberen Tabellenbereich und sogar um Europapokal - das sind weitere Merkmale einer Top-Mannschaft. Als solche nimmt sie heute in Freiburg einen Rolle ein, die eine Folge des Aufschwungs ist: die Favoritenrolle. Gern genommen ist diese noch nicht in Gladbach, denn daraus ergeben sich Begehrlichkeiten. Als Champions-League-Teilnehmer bei einem Aufsteiger sollte man eigentlich nicht verlieren. Damit ist der Arbeitsauftrag des Tages aus romantischer Sicht, aber auch ganz unromantisch derselbe: gewinnen.

Das würde nicht nur drei Punkte bringen, sondern auch Selbstvertrauen. Dieses sei grundsätzlich eminent wichtig, sagte nun Andreas Christensen, der Abwehrchef, im Gespräch mit unserer Redaktion und erklärte damit den krassen Aufschwung der Vorsaison nach dem krassen Fehlstart. Das ist indes keine sonderlich überraschende Erkenntnis, weil nicht neu, sondern Alltagspsychologie. Doch geht es darum, den zweiten Block dieser anstrengenden Hinrunde, der am 2. Oktober mit dem Spiel bei Schalke 04 endet, gut zu beginnen, um daraus Energie zu saugen für die weiteren sechs Spiele. Es wird eine Phase, in der Weichen gestellt werden: in der Bundesliga, die genau genommen ebenso wie die Champions League erst jetzt beginnt.

In Freiburg geht es am Samstag darum, zu bestätigen, was die Borussen mit dem Sieg gegen Leverkusen angesagt haben: Ja, wir sind wieder bereit für große Aufgaben. Dann in Manchester steht am Dienstag ein Herkulesjob an. Vergangenes Jahr der Start in die Königsklasse in Sevilla mit dem 0:3 gründlich danebengegangen im Zuge des Start-Blues der Borussen, da wurde schon eine Menge verspielt. Nun wird Borussia erfahren, wo sie steht und wo es hingehen kann in der Meisterliga: Geht es nur um Rang drei oder sogar mehr?

Dass Guardiola als Bayern-Trainer eine wenig erbauliche Serie gegen die Borussen hat, sollte nicht überbewertet werden, ebenso wenig wie die beiden starken Auftritte gegen "City" in der Vorsaison. Neue Saison, neue Teams, alles auf null. Andererseits: Ein bisschen Romantik kann nicht schaden, wenn sich daraus süßer Honig namens Mut saugen lässt. Da wird auch André Schubert nichts dagegen haben. Er ist ein Motivator, der auch auf Emotionen setzt.

Am besten jedoch wäre es, mit dem guten Gefühl eines Sieges in Freiburg auf die Insel zu reisen. Dort wird dann besonders Andreas Christensen im Fokus stehen. Als Abwehrchef, aber auch als Spekulationsobjekt. Chelsea oder Gladbach — es gibt keine Entscheidung. Bei Christensen. Das heißt aber nicht, dass der Deal nicht stattfinden kann. Denn was die Klubs ausbaldowern, ist eine andere Sache. Borussias Sportdirektor Max Eberl ist dafür bekannt, dass er gern schnell Nägel mit Köpfen macht. Und, dass er ein hartnäckiger Kämpfer ist. Chelsea hat die Zügel in der Hand, sicher. Aber wer weiß, was kommt in der nächsten Zeit. Vielleicht nichts, vielleicht ein klares "No!" aus London. Aber vielleicht eben auch die Vollzugsmeldung. In der besten aller Welten würde sich Borussia aber noch ein wenig Raketenantrieb für den Manchester-Trip besorgen, indem sie kurz zuvor den Deal mit Christensen hinkriegt. Das wäre eine Ansage — Borussia würde damit zeigen, dass sie nicht nur sportlich bereit ist für große Herausforderungen.

Romantik und andere "weiche" Kriterien sind aber auch nur Bausteine, die den Erfolg bestenfalls begünstigen können. Wo es wirklich wichtig ist, ist auf dem Platz. Am Samstag in Freiburg und am Dienstag im Etihad-Stadion von Manchester City, erst als Favorit, dann als Außenseiter. Auf dem Platz ist immer noch alles möglich, das ist Warnung (für Freiburg) und Hoffnung (für Manchester) zugleich. Die Borussen müssen in den nächsten Tagen unromantisch (die Serie in Freiburg kühl beenden) und romantisch (Underdog überrascht) sein, wenn sie Erfolg haben wollen. Manchmal ist der Fußball paradox. Ach, wie romantisch!

(kk)
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