Borussia Mönchengladbach "Ich finde alles super hier in Gladbach"

Mönchengladbach · Borussias schwedischer Linksverteidiger spricht über Kaffee, Astrid Lindgren, sein Rotations-Problem und die Arbeit von Lucien Favre.

 Ein Schwede außer Rand und Band: Oscar Wendt schreit nach seinem 28-Sekunden-Treffer gegen Borussia Dortmund seine Freude in die Welt hinaus.

Ein Schwede außer Rand und Band: Oscar Wendt schreit nach seinem 28-Sekunden-Treffer gegen Borussia Dortmund seine Freude in die Welt hinaus.

Foto: Päffgen

Herr Wendt, lassen Sie uns über ihre Leidenschaften sprechen.

Wendt Leidenschaften, das klingt gut. Womit fangen wir an?

Kaffee.

Wendt (grinst) Kaffee ist wichtig, sehr wichtig.

Wie kommt das?

Wendt Gute Frage. Warum ich so gern Kaffee trinke, weiß ich eigentlich gar nicht. Ich glaube, das liegt daran, dass ich Schwede bin. Schweden ist das Land, in dem am meisten Kaffee getrunken wird. Frag mich nicht warum. Aber es ist so. Vielleicht hat das damit zu tun, dass wir in Schweden mehr dunkle Monate haben. Das wäre eine Erklärung. Ich brauche jedenfalls zwei, drei doppelte Espresso vor einem Training, damit ich auf Touren komme. Und ein guter Kaffee schmeckt mir einfach gut.

Sind Sie ein Kaffee-Experte?

Wendt Nein, das würde ich nicht sagen. Ich kann sagen, ob ein Kaffee gut ist oder nicht, aber ich bin kein Experte. Ein Kaffee muss stark und heiß sein, das ist wichtig. Am liebsten nehme ich Espresso, der ist stark und klein. Das ist genau das Richtige für mich.

Ab und an sollen Sie auch mit Trainer Lucien Favre über Espresso diskutieren.

Wendt Ab und zu. Es ist ein gutes Thema. Wir haben auch schon die zweite oder dritte Kaffeemaschine in der Kabine. Die muss gut sein - und wenn sie kaputt ist, habe ich Panik. Das geht gar nicht.

Also haben Sie daheim auch eine richtig gute Maschine.

Wendt Natürlich. Sie ist auf die höchste Stufe eingestellt, damit der Espresso richtig stark ist.

Wo gibt es in Krefeld, wo Sie wohnen, den besten Espresso?

Wendt (überlegt) Ich muss gestehen: Ich kann es nicht sagen. Ich bin gar nicht so viel in der Stadt. Wir sind mit Borussia immer sehr viel unterwegs, deswegen bin ich froh, wenn ich zu Hause bin, wenn wir frei haben. Wie jetzt, nach dem Dortmund-Spiel.

Damit wären wir bei Ihrer nächsten Leidenschaft: Ihre Familie.

Wendt Das ist natürlich meine erste Leidenschaft. Ich habe in den letzten beiden Tagen von morgens bis abends mit meiner Tochter draußen im Garten gespielt, das war toll, denn das Wetter war ja herrlich. Ich habe das sehr genossen. Ich habe als Kind auch immer draußen gespielt, das macht Spaß. Heute sind die Kinder ja anders, sie spielen vor allem mit iPhones und iPads, das gab es damals ja noch nicht. Aber ich gehe mit meiner Kleinen immer raus.

Und abends vor dem Einschlafen wird noch Pippi Langstrumpf vorgelesen.

Wendt Ja, immer. Aber nicht nur Pippi, sondern alles, was Astrid Lindgren gemacht hat. Es ist das Größte meiner Kinderzeit und der meiner Frau. Eigentlich für jeden Schweden. Es gehört bei uns dazu. Ich hatte alle Lindgren-Bücher zu Hause, auch die Musik dazu und die Filme. Aber ich habe vor allem die Bücher verschlungen. Astrid hat eine tolle Sprache, sehr schönes Schwedisch mit höflichen Wörtern. Es ist sehr gut, Astrid Lindgren zu lesen, wenn man gutes Schwedisch sprechen will.

Wer ist Ihre Lieblingsfigur bei Astrid Lindgren? Michel von Lönneberga, der im schwedischen Original Emil heißt?

Wendt Nein, meine Lieblingsfiguren waren die Brüder Löwenherz. Das ist einfach die größte Geschichte von Astrid Lindgren. Die beiden machen immer alles füreinander, es ist eine tolle Geschichte von Gut und Böse. Es gibt viele spannende Szenen, es wird gekämpft, es ist auch traurig - es ist super.

Hat Sie diese Geschichte auch als Fußballer geprägt?

Wendt Vielleicht. Meine Mentalität ist, dass ich immer gewinnen will - mit dem Team. So ist es auch bei den Brüdern Löwenherz. Ich will immer gewinnen, auch, wenn wir im Training ein kleines Turnier spielen. Wenn ich da verliere, ist der ganze Tag hin (grinst).

Beim 3:1 gegen Dortmund haben Sie Ihre Gewinnermentalität schon nach 28 Sekunden ausgelebt. Schon als der Angriffszug vor dem 1:0 anfing, haben Sie im Hintergrund gewinkt und schließlich kamen Sie angerauscht und haben den Ball ins Tor geknallt.

Wendt Oh, es war ein schöner Start. Wir waren alle total heiß vor dem Spiel. Wir hatten ein Superspiel in Hoffenheim gemacht, dann gab es die Riesenenttäuschung in Bielefeld im Pokal. Und jetzt haben wir zu Hause gespielt, das Wetter war toll - es konnte nicht besser sein. Natürlich wollten wir uns wegen des Spiels in Bielefeld auch rehabilitieren. Alle waren von der ersten Sekunde bereit, das hat man auch gesehen, als wir gejubelt haben. Einen besseren Start kann es nicht geben.

Was sagt Ihre Tochter, wenn Sie Tore machen?

Wendt Sie ist ja erst zwei und kriegt das noch nicht so richtig mit. Wenn Sie mich im Fernsehen siegt, sagt sie "Papa, Papa", mehr noch nicht. Aber sie und meine Frau sind immer im Stadion. Das ist auch wichtig. Die beiden sind meine größte Stütze, mein Fundament, die zwei wichtigsten Menschen in meinem Leben.

Das war sicherlich gerade in der Hinserie dieser Saison wichtig, als es nicht ganz so lief, wie Sie es sich erhofft hatten.

Wendt Wir hatten diese Rotation, und ich bin kein großer Fan davon. Aber es lief sehr gut in der Hinrunde, wir sind im Pokal weitergekommen, auch in der Europa League und standen in der Bundesliga oben. Da ist es schwer zu klagen, wenn es so gut läuft. Aber natürlich wollte ich mehr spielen, als nur jedes zweite Spiel. Jetzt ist es zum Glück anders.

In Frankfurt werden Sie am Freitag wohl zum elften Mal in Folge in der Startelf stehen ...

Wendt Das hoffe ich. Für mich ist es sehr wichtig, den Rhythmus zu haben, ich brauche das.

Sie sind also, der Anti-Roel Brouwers. Der ist immer sofort auf 100 Prozent, wenn er reinkommt, auch wenn er lange warten musste.

Wendt Vielleicht.

Mit Ihren Leistungen tragen Sie derzeit aktiv dazu bei, dass Borussia wohl wenigstens den vierten Platz belegt. Aber eigentlich soll es sicher Platz drei werden.

Wendt In meinem Kopf ist drin, dass wir alles tun werden, um so hoch wie möglich in der Tabelle zu kommen. Wir werden alles tun, um den dritten Platz zu behalten. Aber es sind noch sechs Spiele, da kann viel passieren. Wir werden bis zum Ende kämpfen müssen.

Zuletzt lief es gerade gegen spielstarke Teams sehr gut. Ist es da ein Vorteil, dass die meisten der letzten sechs Gegner spielstark sind?

Wendt Im Moment haben wir das Selbstvertrauen, dass wir jede Mannschaft schlagen können. Und das sind nicht nur Worte, sondern es ist ein Gefühl, das tief in uns allen drin ist. Es wird natürlich schwer am Freitag in Frankfurt, wir haben dann noch drei schwere Heimspiele gegen Wolfsburg, Leverkusen und Augsburg, wir müssen noch nach Berlin und Bremen - das sind sechs komplizierte Spiele. Aber ich bin mir sicher, dass wir alle besiegen können. Wir werden versuchen, das zu tun.

Im Hinspiel gab es gegen Frankfurt die einzige Heimniederlage ...

Wendt Hoffentlich können wir uns revanchieren. Im Pokal haben wir in Frankfurt gewonnen und ich hoffe, wir schaffen das am Freitag auch.

Damit würde Borussia dem Traum von der Champions League einen Schritt näher kommen. Die Meisterliga dürfte Ihre nächste große Leidenschaft sein.

Wendt Das ist natürlich ein Traum für jeden Spieler. Wenn ich mir vorstelle, ein Heimspiel im Borussia-Park in der Champions League zu haben - wow! Es ist sicher noch mal was anders, in der Gruppenphase ein Spiel haben, als im Play-off. Dann sind wir richtig dabei. Erst mal müssen wir das aber schaffen. Darum denke ich noch nicht an die Champions League, sondern nur an die Spiele, die noch kommen. Und das ist erst mal das in Frankfurt. Danach kommt Wolfsburg und so weiter. Wir wissen, dass wir eine gute Chance haben, in die Champions League zu kommen. Aber der Weg dahin ist noch lang.

Dass Sie aber in der nächsten Saison wieder international Kaffee ausprobieren dürfen, steht wohl fest.

Wendt (grinst) Das stimmt.

Wo gab es bei den Europa-Reisen mit Borussia den besten Kaffee?

Wendt In Istanbul, würde ich sagen. Der war richtig schön stark.

Dazu gibt es Kautabak?

Wendt Das ist kein Kautabak, sondern Tobak. Das sind meine Vitamine. Ich bin regelrecht abhängig. Warum ich das mache? Eine gute Frage. Aber ich habe irgendwann damit angefangen und jetzt ist es ein Teil von mir. Jeder braucht so etwas.

Was braucht Borussia für den Erfolg?

Wendt Dass wir als Team auftreten. Das macht uns wirklich stark. Und natürlich die taktische Grundordnung. Die haben wir immer -und das macht es für jeden Spieler leicht, seine Leistung abzurufen. Jeder weiß, was er zu tun hat - und die Maschine läuft.

Wie macht Lucien Favre das?

Wendt Wir trainieren immer wieder die taktischen Details. Alle Spieler sind offen, immer etwas zu lernen, und finden es wichtig, das zu tun. Wenn das so ist, macht das viel aus. Wir wissen alle, dass das unsere Basis ist, darum ist das tief drin in jedem Spieler.

Wie trichtert Favre das dem Team ein?

Wendt Unser Trainer ist natürlich ein guter Pädagoge und bringt uns die Dinge so bei, dass wir sie verstehen. Aber entscheidend ist auch, dass die Spieler lernen wollen. Wenn das nicht so ist, kann der Trainer sprechen so viel er will, dann kommt nichts an. Bei uns stimmt der Mix. Der Trainer sagt: Du musst das so machen oder so in der Situation, und alle saugen das auf.

Das klingt ganz einfach. Der Trainer erklärt und die Spieler lernen.

Wendt Klar ist das einfach und logisch. Aber manchmal sind die einfachen Dinge die schwersten.

Ist Favres Detailversessenheit manchmal auch nervig.

Wendt Nein. Er will nur das Beste für uns, für jeden Spieler und für das Team. Darum kann so etwas nie nerven, nicht in meiner Welt. Wenn ein Trainer das Beste für die Spiele und das Team will, ist es doch optimal. Hier in Gladbach sind die Bedingungen optimal, sich zu entwickeln - wenn man offen ist. Wir haben alles hier: Ein super Stadion, ein super Trainingsgelände, alle wollen das Beste für alle.

Ihr Vertrag läuft noch bis 2016 - und soll dann aber nicht enden?

Wendt Hoffentlich nicht.

Gibt es schon Gespräche?

Wendt Nein, noch nicht. Aber ich habe schon in meinen ersten Tagen hier gesagt, dass ich so lange wie möglich hier bleiben will. Es ist schwer, einen anderen Platz im europäischen Fußball zu finden, an dem es alles gibt wie hier in Gladbach: das Stadion, die Fans, die Mannschaft. Ich finde alles super hier. Ich habe alles richtig gemacht, als ich hierhergekommen bin.

(RP)
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