Borussia Mönchengladbach Die Zeit ist reif für Führungsspieler

Meinung | Mönchengladbach · Wechselnde Systeme und wechselndes Personal in dieser Saison haben die Hierarchie im Kader von Borussia Mönchengladbach verändert. Frühere Führungsspieler spielen sportlich kaum noch eine Rolle. Nun sind neue Chefs auf dem Platz gefragt.

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Foto: dpa/Robert Michael

Lars Stindl war geständig. Er hatte die Rückkehr nach Hannover, wo er vor seinem Wechsel zu Borussia im Sommer 2015 fünf Jahre lang spielte, eigentlich nutzen wollen, um dazu beizutragen, dass sein neuer Klub bei Hannover 96 erfolgreich ist.

"Das ist mir nicht gelungen", sagte Stindl nach der 0:2-Niederlage. Er fand tatsächlich kaum statt an diesem Abend. Er war damit aber nicht allein. Sportdirektor Max Eberl nahm nach den 90 Minuten unter anderem Stindl in die Pflicht, aber auch die anderen "arrivierten Spieler": Oscar Wendt, Havard Nordtveit, Fabian Johnson und auch Raffael, der nach seinem Muskelfaserriss zurückkehrte. Sie alle sollen auch Anführer sein, und zwar gerade an Tagen, an denen es nicht optimal läuft, an denen alles etwas schwerer fällt, an denen alles erarbeitet werden muss. Wie in Ingolstadt. Und nun in Hannover.

Borussia ließ sich jeweils den Schneid abkaufen. Der Anspruch der Mannschaft, den Raffael vorab formulierte, ist, die Champions League zu erreichen. Was sie aber in Hannover zeigte, taugte nicht dazu, diesen Anspruch zu erfüllen. "Wir haben vieles vermissen lassen, was man braucht, um erfolgreich Fußball zu spielen. Und da meine ich explizit auch die Spieler, die mehr Erfahrung haben", sagte Eberl.

Er hat recht, wenn er sagt, junge Spieler wie Andreas Christensen, Nico Elvedi oder Mo Dahoud dürfe man nicht zu sehr in die Verantwortung nehmen. Alle drei waren in Hannover weit von ihrer Bestform entfernt. Aber sie bekamen keine Hilfestellung. Tatsächlich müssen es die sein, die mehr Erfahrung haben, die das Team lenken und leiten.

Was das angeht, hat Borussia durchaus ein Problem. Raffael zum Beispiel führt durch Leistung, so ist es auch bei Stindl, Wendt und Johnson. Doch sie sind keine Führungsfiguren im eigentlichen Sinn. Wie Martin Stranzl, der in seinem erst zweiten Saisonspiel noch der Borusse mit dem größten Charisma war. Oder Granit Xhaka, der in Hannover gesperrt war. Sie führen aktiv, geben Anweisungen, helfen den anderen. Das braucht ein junges Team wie das der Borussen. Wenn es bei Borussia läuft, sind Johnson, Wendt und die anderen Leistungsträger. Sie können das schöne Spiel zelebrieren. Sie können dem Spiel Struktur geben. Aber in Ingolstadt und Hannover hätten sie auch mitreißen müssen, sich aufbäumen müssen — den anderen zeigen müssen: "Wir wollen etwas bewegen! Wir wollen in die Champions League!" Das taten sie nicht. Sie reihten sich ein und ergaben sich in das gemeinsame Schicksal.

Borussias fußballerischer Stil hat sich gewandelt unter André Schubert, es wird viel probiert. Variabilität bedeutet auch immer wieder: Neuorientierung. Wechselnde Systeme, wechselndes Personal — damit verändert sich die Hierarchie im Kader. Spieler wie Stranzl, Roel Brouwers oder Tony Jantschke haben sportlich kaum eine Rolle gespielt und fehlen somit auch für die Teamsoziologie auf dem Platz. Neue Chefs müssen her. Doch ein Chef wird man nicht einfach so. Weil man 100 Ligaspiele hat. Oder, weil man 27, 28 oder 30 Jahre alt ist. Man wächst in die Rolle hinein. Und man muss sie annehmen.

Ein Gros der Achse der vergangenen Jahren gehörte zur "Generation Relegation". Man hatte zusammen das Stahlbad durchgestanden und war dann durchgestartet. Das Team, das in der vergangenen Saison Dritter wurde, war stark, weil es eine gewachsene Struktur hatte, in die sich die, die dazu kamen, bequem einfügen konnten. Das aktuelle Team sucht noch danach. Das zeigt sich gerade jetzt. Das kann ein Problem sein. Aber es ist auch eine Chance. Denn Chefs werden auch in bestimmten Situationen geboren. Dann, wenn es um Entscheidungen geht. Also in Situationen wie der aktuellen. "Zeigt euch, Führungsspieler!", möchte man sagen. Die Zeit ist reif.

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