Interview mit Markus Aretz "Die Berichterstattung ist explodiert"

Mönchengladbach · Borussias Pressesprecher über die Veränderungen in der Medienwelt seit seinem Einstieg im Jahr 1999, die heutigen Anforderungen an seine Abteilung, die"Fohlenphilosophie", die Internationalisierung sowie das geplante Museum.

1999 war er Einzelkämpfer, heute leitet er bei Borussia eine 16-köpfige Abteilung: Markus Aretz, dienstältester Mediensprecher der Bundesliga.

1999 war er Einzelkämpfer, heute leitet er bei Borussia eine 16-köpfige Abteilung: Markus Aretz, dienstältester Mediensprecher der Bundesliga.

Foto: Imago

Markus Aretz ist der dienstälteste Mediensprecher der Fußball-Bundesliga, seit Markus Hörwick beim FC Bayern aufgehört hat. Der gebürtige Mönchengladbacher, inzwischen Direktor Unternehmenskommunikation, macht den Job seit 1999. Karsten Kellermann sprach mit Aretz über die Veränderungen, die es seither gegeben hat. Zusammengefasst: Borussia ist nicht nur sportlich, sondern auch medial in einer neuen Welt angekommen.

Herr Aretz, Sie haben vor 17 Jahren angefangen. Es ist viel passiert seitdem. Sportlich, aber natürlich auch, was die Medienwelt angeht.

Aretz Das stimmt. Man kann sagen: Sie hat sich komplett gedreht. Die neuen Medien, die Online-Medien, haben die Welt der Kommunikation komplett verändert, unsere Arbeit ist eine ganz andere als damals.

Angefangen haben Sie als, sagen wir mal, One-Man-Show.

Aretz Richtig, das war damals noch in der Zweiten Liga. Erst nach dem Aufstieg 2001 kam der zweite Mitarbeiter dazu. Danach ist die Abteilung mit den wachsenden Anforderungen stetig gewachsen. Erst das Internet und die vereinseigene Homepage, dann der Stadionbau und der Bedarf nach Fernsehtechnik und einem eigenen Stadionfernsehen, später das Fohlen.TV und schließlich die Entwicklung im Social-Media-Bereich. Die gleiche Entwicklung hat es in den großen Medienhäusern gegeben, entsprechend sind auch unsere Aufgaben als Dienstleister für die Medien gewachsen. Um das alles zu bedienen, haben wir inzwischen 16 Mitarbeiter, die sich nur um die Medienarbeit kümmern.

Das ist ein starker Kader.

Aretz Das liegt auch daran, dass wir alles aus eigener Hand machen. Einige Vereine lagern bestimmte Themen aus, wie zum Beispiel Klub-Publikationen. Allerdings werden es immer mehr Klubs, die alles in Eigenregie machen, weil das eben viele Vorteile hat. Wir sind gut aufgestellt, aber es gibt Vereine, die auch in diesem Bereich deutlich größer sind als wir.

Wie wichtig ist der große Name Borussia Mönchengladbach medial?

Aretz Die Bedeutung des Vereins spielt eine große Rolle. Gemerkt haben wir das vor allem in der Zweiten Liga, da waren wir so etwas wie das Bayern München und daher meist in der Rolle des Gejagten. So war auch die öffentliche Wahrnehmung, wir waren der Verein, über den am meisten berichtet wurde. Aber damals natürlich alles auf dem Niveau der Zweiten Liga. Jetzt, im oberen Drittel der Bundesliga und mit der Teilnahme an den internationalen Wettbewerben, ist es noch mal eine ganz andere Hausnummer. Die Berichterstattung, generell über den Fußball, aber auch über Borussia, ist explodiert.

Der Begriff "Fohlenelf" ist seit einigen Jahren quasi das Label des Klubs geworden. Er steht auch für das Selbstverständnis und die Philosophie des Vereins. War das ein wesentlicher Schritt für den Aufschwung der vergangenen Jahre?

Aretz Es ist ein wichtiger Teil der Entwicklung der letzten Jahre. Nach dem Umzug in den Borussia-Park, der für Borussia so etwas wie eine Zeitenwende war, haben wir uns Gedanken gemacht, wofür wir stehen, wie wir wahrgenommen werden wollen. Wir haben damals ein Leitbild entwickelt. Am Ende stand der Oberbegriff "Fohlenphilosophie". So wurde der Begriff "Fohlenelf" unser Claim, weil er am besten unserer Philosophie entspricht. Es ist generell wichtig, dass man klare Strukturen hat und deutlich erklären kann, wofür man steht. Das ist auch wichtig für die vielen Menschen, die sich mit dem Verein identifizieren. So können sie sagen: Das ist mein Klub. Borussia steht für das junge, mutige, hungrige, aber auch familiäre und anfassbare. Idealerweise zieht sich das durch den gesamten Klub und die Arbeit in allen Abteilungen. Am schwierigsten ist es sicherlich, im Sport so einen abstrakten Gedanken auf das Spiel auf dem Platz zu transportieren. In den vergangenen Jahren aber, denke ich, ist das sehr erfolgreich gelungen.

Wie hat sich die Berichterstattung über Borussia in den vergangenen 17 Jahren verändert?

Aretz Sehr. Als ich 1999 anfing, wurden Nachrichten neben dem Radio und dem Fernsehen hauptsächlich durch die Zeitung am nächsten Tag verbreitet. Durch das Internet hat sich die Geschwindigkeit in den Medien total verändert. Wenn heute eine Nachricht auf dem Markt ist, zählt jede Minute, ja jede Sekunde. Leider geht dabei oft die Recherche in die Tiefe ein wenig unter, es wird schnell etwas rausgehauen. Dadurch wird häufig eine mediale Lawine losgetreten, weil viele Medien die Nachricht einfach übernehmen. Allerdings haben wir Klubs durch die neuen Medien heute auch viel bessere Möglichkeiten selber zu kommunizieren als früher. Da gab es nur die Pressemitteilung, die an die Redaktionen gefaxt wurde. Was daraus gemacht wurde, wussten wir nicht, und auch nicht, wer es am Ende liest. Durch die Online-Medien kann man heute die Nachrichten selber verbreiten, und das auch noch zielsicher an den Personenkreis, der einem wichtig ist. Aus unserer Sicht ist das natürlich ein Vorteil.

Ein Teil Ihres Aufgabenfeldes ist die Internationalisierung. Das klingt nach Zukunft.

Aretz Es ist für die ganze Bundesliga ein großes Thema und damit auch für jeden einzelnen Klub. Die Medienarbeit ist dabei so etwas wie die Speerspitze. Wenn man einen neuen Markt erschließen will, setzt das ja voraus, dass man Borussia Mönchengladbach dort kennt. Also versuchen wir, Borussia auf möglichst vielen verschiedenen Märkten bekannt zu machen.

China zum Beispiel.

Aretz Genau. Das geht vor allem über soziale Medien und unsere Online-Medien. Darum haben wir verschiedene Online-Kanäle und fremdsprachliche Versionen unserer Homepage: englisch, spanisch, niederländisch, chinesisch. Speziell in China haben wir zum Beispiel zwei Social-Media-Kanäle, über die wir Neuigkeiten von Borussia verbreiten. Die Chinesen sind sehr Fußball-affin und sehr interessiert an der Bundesliga. Wir haben eine digitale Reichweite von über zwei Millionen Menschen, mehr als die Hälfte davon leben im Ausland.

In der realen Welt soll es in dem geplanten neuen Gebäudekomplex auf dem Stadiongelände ein Borussia-Museum geben. Was erwartet die Fans dort?

Aretz Wir werden versuchen, dort die ganze Welt von Borussia zu zeigen. Wir werden es auch ganz bewusst nicht "Museum" nennen, weil wir nicht nur die Vergangenheit in Vitrinen ausstellen wollen. Die Besucher sollen Borussia erleben: die Historie, die Gegenwart, vielleicht ein Blick in die Zukunft. Jeder soll seine persönlichen Erlebnisse haben. Das ist eine große Herausforderung - und soll so gestaltet sein, dass jeder, der einmal da war, nachher sagt: Ich komme wieder, es gibt viel zu sehen, und ich werde immer wieder etwas Neues erleben.

(RP)
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