Borussia Mönchengladbach "Davon soll ich mir die Laune verderben lassen?"

Sevilla · Etwa 2000 Borussia-Fans werden am Abend dabei sein, wenn im Stadion des FC Sevilla die Champions-League-Hymne erklingt. Für den historischen Moment soll die Krise in der Bundesliga in den Hintergrund rücken.

"Bayern Munchengladback?", fragt Paolo und bemerkt den Fauxpas anhand der aufgerissen Augen seines Gesprächspartners. Er komme aber sowieso aus Italien, was ihm die Aussprache nicht unbedingt erleichtere, versichert der Cafebesitzer. Dagegen schreibt ein spanischer Pay-TV-Sender auf seinen Plakaten nur von "Borussia M.", auch Platzgründe könnten dabei eine Rolle spielen.

Dennoch mangelt es nicht an Wertschätzung, wenn Spaniens größte Sportzeitung "Marca" schreibt: "Trotz aller Krisen hat die Borussia ihren mythischen Heiligenschein bewahrt." Wobei der Artikel vor allem Jahreszahlen zwischen 1970 und 1979 enthält. Die große Epoche der Gladbacher Vereinsgeschichte zieht auch in Europa hervorragend. Zum kapitalen Fehlstart in der Bundesliga bringt "Marca" dagegen das oft gelesene Argument dieser Tage, dass gerade die vermeintliche Chancenlosigkeit die Mannschaft von Lucien Favre so gefährlich mache für den FC Sevilla.

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Foto: Screenshot Sport1

Auch wenn im Borussia-Forum jemand schreibt, er habe seine DVD mit dem Film "Die Elf vom Niederrhein" abbestellt, überwiegt bei den Fans die Vorfreude auf den ersten Auftritt in der Gruppenphase der Champions League. "Ich bin zweimal abgestiegen, habe 1992 das Pokalfinale verloren und stehe jetzt auf dem letzten Platz — davon soll ich mir die Laune verderben lassen?", fragt Carsten Jüttner offensichtlich rhetorisch. Der Fanklub "Block B" aus Berlin begegnet der Diskrepanz aus Bundesliga-Krise und größer Königsklassen-Bühne mit Sarkasmus: "So weit sind wir für ein Vorbereitungsspiel noch nie gefahren!"

Fans hoffen an die Wende

So lebt bei den mitgereisten Fans die Hoffnung, dass das Wort "ausgerechnet" — ansonsten auf dem Index — nach dem Spiel Hochkonjunktur haben wird. "Ausgerechnet" im ersten Champions-League-Spiel beim aktuellen Europa-League-Sieger soll die Wende zum Guten gelingen.

Mit 1800 Tickets hat die Borussia nicht das komplette Kontingent verkauft. Für Kurzentschlossene wäre es kein Problem gewesen, Karten zu ergattern — viel einfacher als bei den kommenden Fahrten nach Turin und Manchester. Doch nur gut zwei Wochen zwischen Auslosung und Anpfiff haben dafür gesorgt, dass die große Pilgerfahrt diesmal ausbleibt.

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Einen zentralen Treffpunkt vor dem Spiel gibt es in Sevilla nicht. Rund 80 Borussia-Fans sahen der U19 bei der 2:4-Niederlage in der Youth League zu. Die meisten anderen schlenderten im Sog der Touristen durch die Stadt, auffällig viele davon mit dem schwarzen Champions-League-Trikot ausgestattet. Damit übertrumpften sie optisch vorerst die Anhänger des Gegners, der sich mit Rivale Betis um die Vorherrschaft balgt.

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Foto: AFP

Überhaupt ist Sevilla keine Stadt, in der vor lauter Vorfreude die Bürgersteige vibrieren. Fahnen in den Fenster oder Aufkleber auf den Autos sind eine Seltenheit. Aber spätestens am Abend im Estadio Ramon Sanchez Pizjuan wird Gänsehautstimmung garantiert sein. Wobei sich Borussias Fans sicherlich auf eine andere Hymne noch viel mehr freuen als auf die des FC Sevilla:

(rpo)
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