Borussia Mönchengladbach "Überragender" Elvedi macht nur einen Fehler

Mönchengladbach · Beim 0:0 gegen den Hamburger SV hat der junge Schweizer seinen Reifeprozess untermauert - und wurde zum tragischen Helden.

Nico Elvedi verzieht aus kürzester Distanz kläglich
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Elvedi verzieht aus kürzester Distanz kläglich

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Die 10.000-Stunden-Regel besagt, dass ein Mensch mit ausreichend Übung alles erlernen kann: fließend Ungarisch sprechen, Klavierspielen, Einradfahren. Als der Psychologe Anders Ericsson die Theorie aufgestellt hat, war Nico Elvedi noch gar nicht geboren. Selbst Kritiker der 10.000-Stunden-Regel dürften nicht abstreiten, dass der junge Schweizer die Großchance zum 1:0 gegen den Hamburger SV wohl genutzt hätte, wenn er Situationen wie diese gewohnt wäre. Aber Elvedi ist eben nicht nur Verteidiger, sondern auch erst 20 Jahre alt. Sein Torschuss nach einer Ecke in der 96. Minute war sein fünfter für Borussia in der Bundesliga. "Ich muss den Ball nur unter René Adler durchspielen", analysierte Elvedi nach dem Spiel immerhin treffend.

Dass er stetig dazulernt, ist nicht zu bestreiten. Seit nicht einmal einem Jahr ist Elvedi Bundesligaspieler, und selbst wenn er heute immer noch keiner wäre, würde ihn wohl niemand als perspektivlos bezeichnen. Nach vier Kurzeinsätzen über 17 Minuten stand Elvedi gegen den FC Bayern am 5. Dezember 2015 plötzlich in der Startelf, Borussia gewann 3:1. Seitdem ist er Stammspieler, der erste richtige Schubert-Zögling, auch wenn er noch in der Ära Lucien Favre für vier Millionen Euro als Nobody vom FC Zürich kam.

Es ist als Abwehrspieler nicht einfach, positiv ins Auge zu fallen, wenn die eigene Mannschaft 65 Minuten lang in Überzahl spielt und 77 Prozent Ballbesitz hat. Zum "Spieler des Spiels" wählten Borussias Fans Torwart Yann Sommer mit überschaubaren 22 Prozent der Stimmen. Die Wahl zeugt von der Merkwürdigkeit dieses torlosen Unentschiedens - Sommer hatte keinen einzigen Ball aufs Tor bekommen. Ob Trainer Schubert online abstimmte, verriet er nicht. Eine klare Meinung hatte er dennoch. "Ich hebe nicht oft einzelne Spieler hervor, aber Nico Elvedi fand ich heute überragend", sagte Schubert. Er hat ihn mal einen "Eisvogel" genannt.

Elvedi gewann gegen den HSV 73 Prozent seiner Zweikämpfe, sogar alle in der Luft, brachte starke 93 Prozent seiner Abspiele zum Mann und untermauerte damit seinen Status als zweiter Verteidiger im Staate Borussia. Während Tony Jantschke nach dem 0:4 gegen Schalke auf die Bank musste, spielte Elvedi zum vierten Mal in Folge durch. Nur Christoph Kramer, Yann Sommer, Andreas Christensen und Lars Stindl kommen in dieser Saison bislang auf mehr Einsatzminuten.

Sein schwächstes Spiel hat der Youngster, der in der Länderspielpause sein Startelfdebüt für die Nationalmannschaft der Schweiz gab, in der Champions League bei Manchester City gemacht. Jetzt geht es wieder auf die Insel, zum Spiel bei Celtic Glasgow, das der 20-Jährige mit Blick auf die Atmosphäre mindestens wie ein 26-Jähriger einordnet. "Wir sind Profis und daran gewöhnt. Es wird ja nicht unser erstes Auswärtsspiel, in dem es etwas hitzig wird", sagte Elvedi. In Manchester wirkte er fast über 90 Minuten so nervös wie bei seiner vergebenen Großchance am Samstag gegen Hamburg. Gegen den FC Barcelona sah es schon viel besser aus, weshalb Elvedi morgen mit Startelfambitionen nach Schottland fliegt. "Celtic wird Druck machen und alles geben. Darauf müssen wir uns gefasst machen", sagte er.

Defensive Drucksituationen hatte Elvedi gegen Hamburg selten zu überstehen. Und wenn, dann erstickte er sie oft bereits in der Nähe der Mittellinie im Keim. Schlecht sah der 20-Jährige letztendlich nur einmal aus. Schon beim sechsten Torschuss der Bundesligakarriere dürfte er von der Erfahrung des fünften zehren. In der Abwehr hat Elvedi schließlich schon gezeigt, dass an der 10.000-Stunden-Regel etwas dran sein könnte.

(RP)
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