"Das ist sehr, sehr bitter" Borussia spielt 47 Minuten stark, 43 Minuten grausam

Dass Borussia Mönchengladbach gegen Bayer Leverkusen die höchste Heimniederlage seit 1998 kassieren würde, war zur Pause beileibe nicht abzusehen. Doch aus einem 1:0 mit Tendenz zum 3:0 wurde am Ende ein 1:5. Beide Trainer waren etwas perplex.

Borussia Mönchengladbach - Bayer 04 Leverkusen: die Einzelkritik
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Borussia - Bayer 04: die Borussen in der Einzelkritik

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Foto: dpa, mb gfh

Heiko Herrlich beendete seine Analyse mit einem ungewöhnlichen Satz für einen Trainer, dessen Mannschaft gerade 5:1 gewonnen hatte: "Aufgrund der zweiten Halbzeit war es ein hochverdienter, aber trotzdem glücklicher Sieg." Bayer Leverkusens Erfolg bei Borussia Mönchengladbach gab dieses scheinbare Paradoxon her. 47 Minuten lang dominierten die Gastgeber im Borussia-Park, schossen aber nur eine 1:0-Führung heraus. Dann drehte Leverkusen das Spiel und traf fast mit jeder Chance, insgesamt fünfmal. "Natürlich überwiegt die Freude, dass wir 5:1 gewonnen haben", sagte Herrlich, der damit auch das zweite Spiel als Trainer gegen seinen Ex-Verein für sich entschied. "Aber man kann nicht sagen, dass unser Plan in der ersten Halbzeit aufgegangen ist."

Gladbachs Trainer Dieter Hecking schloss sich Herrlichs Worten inhaltlich an. "So bitter es sich anhört, wir haben in der ersten Halbzeit die beste Halbzeit der Saison gespielt. Zum Teil haben wir begeisternd kombiniert und hatten drei, vier hochkarätige Torchancen. In der Pause haben wir gesagt, dass wir weiter konzentriert sein müssen, das 1:0 war angesichts des Spielverlaufs zu wenig", sagte er. Doch das war eben nur die Geschichte der ersten 47 Minuten, die folgenden 43 waren ebenso eindeutig zu analysieren: "Es kann immer sein, dass du hinten einen bekommst, wenn du vorne das Tor nicht machst", sagte Hecking. "Doch dann haben wir den Gegner eingeladen, waren etwas nachlässiger und nicht so konsequent in der Ballbehauptung. Vor den Toren zwei, drei und vier hatten wir relativ leichte Ballverluste im Spielaufbau."

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Foto: Dirk Päffgen

Mannschaft versagt in den entscheidenden Momenten

Die gingen auf das Konto von Lars Stindl, Michael Cuisance und Nico Elvedi — alle Mannschaftsteile versagten also in den entscheidenden Momenten. Zudem flog Yann Sommer zuvor bei der Ecke zum 1:1 am Ball vorbei und die Innenverteidigung um Matthias Ginter und Jannik Vestergaard ließ sich mit einfachen Pässen in die Spitze überrumpeln. Zur Pause hatte Leverkusen gewechselt, der 21-jährige Julian Brandt kam für den unsichtbaren Lucas Alario. In Folge schoss das blutjunge Offensivtrio, ergänzt vom 20-jährigen Leon Bailey und dem 18-jährigen Kai Havertz Borussias Defensive ins Delirium. Kevin Volland gab mit 25 Jahren fast schon den Methusalem.

"Das ist es, was ich der Mannschaft vorwerfen muss", sagte Hecking, nachdem die Borussen ins offene Messer gelaufen waren. "Da darf sie nicht versuchen, gleich wieder nach vorne zu spielen. Es war noch genug Zeit, wieder Druck aufzubauen. Aber so ging es in sechs, sieben Minuten dahin. Das ist sehr, sehr bitter." Auf das Fehlen von Christoph Kramer (Oberschenkelprobleme) wollte Hecking den naiven Auftritt seiner Spieler in der zweiten Hälfte aber nicht schieben. Mit Denis Zakaria und Michael Cuisance hatte er die jüngste Doppelsechs der Vereinsgeschichte von Beginn an gebracht. "Wir haben genug erfahrene Spieler auf dem Platz, die mal kurz innehalten und sagen können: Moment, jetzt erstmal stabil stehen", sagte Hecking.

Thorgan Hazard und Raffael hatten vor der Pause zwei Chancen vergeben, aus denen mindestens ein Treffer resultieren musste. Borussia hätte sich oben festsetzen können, nun ist sie wieder ein Stück abgerutscht auf den achten Platz — durch die höchste Niederlage im Borussia-Park und die höchste Heimniederlage seit dem 2:8 gegen Leverkusen vor 19 Jahren. "Nach so einem Spiel gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man sagt, man hätte gerne Zeit zum Trainieren, oder man sagt, es ist gut, dass wir Dienstag schon wieder spielen können", sagte Hecking. "Wir müssen den Mittelweg finden." Die nächste Aufgabe heißt Fortuna Düsseldorf in der zweiten DFB-Pokal-Runde. "Düsseldorf ist sicherlich momentan die herausragende Mannschaft der 2. Bundesliga. Wenn sie so in der Bundesliga spielen würden, würden sie auch ihre Punkte machen", sagte Hecking.

Kramers Einsatz in der Esprit-Arena ist ungewiss. "Er ist untersucht worden, ein Muskelfaserriss ist es nicht", sagte Hecking. "Ob er am Dienstag gegen Düsseldorf spielen kann, werden die nächsten 70 Stunden zeigen. Wir werden alles versuchen, um ihn spielfit zu kriegen, aber auch kein Risiko eingehen." Neben dem jungen Cuisance wäre Jonas Hofmann eine Option, der ihn beim Stand von 1:3 ersetzte, um Schadensbegrenzung zu betreiben — doch es kam noch schlimmer.

(jaso)
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