Borussias "Maestro" in der Krise Raffael in Schieflage

Mönchengladbach · Borussias Brasilianer ist weiter auf der Suche nach sich selbst. Bei seinem Ex-Klub Hertha hofft er auf ein Erfolgserlebnis - wenn er spielt.

Raffael: Rückblick auf seine Zeit bei Borussia Mönchengladbach
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Das ist Raffael

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Foto: imago sportfotodienst

Da steht er nun, der gute Raffael Caetano de Araújo, kurz Raffael genannt, und er sieht überhaupt nicht glücklich und zufrieden aus. Sein Körper ist in einer Schieflage, seine Finger sind weit auseinandergespreizt, und dann dieser Blick: Irgendwo zwischen leer und genervt kann man den ansiedeln, "Das darf doch nicht wahr sein" wäre ein passender Text dazu.

Es ist das Foto eines Unzufriedenen, eines Mannes, der mit sich selbst hadert. Entstanden ist es im Spiel der Borussen gegen Leverkusen, beim 1:5. Dass jemand da genervt schaut, ist nachvollziehbar, doch ist dieses Foto ein Symbolbild dieser Raffael-Saison, die so gar nicht die seine ist bisher. Drei Tore hat er geschossen und damit zwei wichtige Siege klar gemacht für die Borussen. Zunächst erzielte er das 2:1-Siegtor im Pokal bei Rot-Weiss Essen, dann machte er mit seinen beiden bisherigen Bundesliga-Treffern den 2:0-Heimsieg gegen den VfB Stuttgart möglich. Das war am 19. September. Wenn die Borussen am Samstag bei Hertha BSC Berlin antreten, ist der "Maestro", wie ihn seine Mitspieler ob seiner Ballfertigkeit anerkennend nennen, aber wieder zwei Monate torlos.

Wer Raffael beobachtet im Spiel, der spürt: Er ist auf der Suche nach sich selbst, nach dem Raffael, der ihm selbst Spaß macht, dem Raffael, dem das Spiel leicht vom Fuß geht, der Inspirator und Vollstrecker ist, ein sportlicher Anführer, der seinem Team hilft, weil er seiner größten Freude frönt: dem Fußball. Derzeit ist das Spiel eine Belastung für ihn, er scheint nicht recht bei der Sache zu sein, wirkt unkonzentriert, auch zuletzt gegen Mainz, als er freistehend zum Abschluss kam, den Ball aber nicht richtig traf und die Chance versemmelte.

Dass der Raffael, den er selbst sucht, den Kollegen fehlt, war gegen Mainz spürbar, insbesondere bei Lars Stindl, der seinen Kombinationsfußball nicht wie gewohnt spielen konnte. Borussia mit Raffael ist anders - mit dem Raffael, der mit sich selbst im Reinen ist. Der ist das geistige Zentrum des Spiels. Oder hat sich das Spiel, das mehr auf schnelles Umschalten ausgelegt ist und nicht mehr ein Tiki-Taka-Stafetten-Spiel, von Raffael weg entwickelt? Doch ist er auch einer, der Bälle "klauen" kann, um dann blitzschnell die Richtung zu ändern, der aus Reaktion Aktion machen kann. Dass sein Körper inzwischen 32 Jahre alt ist, spricht nicht in allen Punkten gegen die Hoffnung, dass Raffael sich wieder findet. Es ist zweifellos der "späte Raffael", doch wird Raffael sehr daran gelegen sein, glaubhaft nachzuweisen, dass er nicht der "alte" Raffael ist,

Ein guter Ort für die Wende wäre Berlin. Während der sechs Jahre dort bei der Hertha hat er sich zu voller sportlicher Größe entfaltet. Berlin ist für Raffael noch immer ein Sehnsuchtsort, insbesondere am Samstag: Er hofft, nun wieder ein Erfolgserlebnis zu haben. Wie Ende Oktober 2015, als er beim 4:1-Sieg das 2:0 machte. Raffael hat sich viel vorgenommen für die Saison, die vergangene war für ihn nicht schön, zu oft war er verletzt. Sieben Tore und keine Vorlage, das war keine Bilanz, die seinen eigenen Ansprüchen genügte. Er will es erzwingen, das ist spürbar, darum wirken manche seiner Aktionen fast trotzig. Doch lässt ihn das überhastet werden und ungenau. In seinen ersten drei Spielzeiten als Borusse hat er jeweils zweistellig getroffen, das war zuvor nur Günter Netzer gelungen. Und nun die Flaute, erneut, denn drei Tore in fast 1000 Einsatzminuten sind nicht genug für Raffael.

Nach dem Doppelpack gegen Stuttgart schien er wieder "on fire" zu sein, doch war es bis hierhin nur ein kurzes Aufflackern des Raffaels, der den Unterschied machen kann. In Berlin kennen sie diesen Raffael nur zu gut, und sie werden entsprechend respektvoll sein, wenn die Borussen kommen mit dem "Maestro". Indes: Beim letzten Auswärtsspiel bei 1899 Hoffenheim spielte nicht er, sondern Thorgan Hazard neben Stindl im Sturmzentrum. Borussias siegte ohne Raffael 3:1, es war ein starkes Spiel, gerade von Hazard. Lange war es ein Drama, wenn Raffael fehlte, das ist nun anders. Eben weil er in Schieflage geraten ist. In Berlin, seiner alten Heimat, bietet sich ihm die nächste Gelegenheit, sich auszuloten.

(kk)
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