Borussia Mönchengladbach Eberl: "Müssen auf dem Transfermarkt nicht hektisch werden"

Mönchengladbach · Im zweiten Teil unseres Interviews spricht Borussias Sportdirektor Max Eberl über Wintertransfers, Mo Dahoud, Granit Xhaka, den Videobeweis und seine Vorgänger im Amt.

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Das ist Max Eberl

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Foto: dpa/Uwe Anspach

Herr Eberl, wie unterscheidet sich eigentlich Kaderplanung mit André Schubert von der mit Lucien Favre. Ist es nun für Sie einfacher?

Eberl Es ist genauso wie vorher. Es ist konstruktiv, wir diskutieren genauso über Spieler. Mit Lucien war es ein Gerangel, so wie es mit André auch ein Gerangel sein wird, weil Trainer eben ihre eigenen Vorstellungen haben. Und der Verein hat eben seine. Diese beiden müssen nicht immer deckungsgleich sein. Wichtig ist, dass die Diskussion zielführend und erfolgreich ist.

Was steht denn als Ergebnis der näheren Kaderplanung?

Eberl Es gibt bei der Planung immer den Wunsch, es gibt die Realität, und es gibt die Machbarkeit. Wir sind bekannt dafür, dass wir Transfers machen, die eine gewisse Mittel- und Langfristigkeit beinhalten. Die meisten Wintertransfers, die wir getätigt haben, waren darauf ausgelegt. Dass es aber auch der Markt manchmal hergibt, dass du den Spieler, den du haben willst, langfristig gar nicht bekommst, weil kein Verein im Winter gerne gute Spieler abgibt, kann eben auch mal zu einer sinnvollen Kurzfristigkeit bei Transfers führen.

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Foto: afp, agz

Wenn die verletzten Spieler auf einige Zugänge treffen, kann der Kader plötzlich auch zu groß sein.

Eberl Ja, das stimmt. Wir werden deswegen auch nichts machen, was zu einer Unwucht im Kader führen kann, sonst hast du auf einmal Spieler, die vorher Leistung gebracht haben, als Unzufriedene draußen stehen. Man muss in dem Zusammenhang ja auch einfach sehen, dass wir in der Rückrunde - leider - keine Dreifachbelastung mehr haben werden. Und was noch hinzukommt: Was die Qualität, den Charakter, die Emotionalität betrifft, ist der Kader gut aufgestellt. Von daher müssen wir nicht zu hektisch werden.

Sind Schuberts Personalvorstellungen gänzlich andere?

Eberl Nicht ganz andere, aber dass jeder Trainer seine Vorstellungen hat, ist doch klar. Unter Lucien Favre haben wir sehr strukturiert verteidigt, haben gut die Passwege zugestellt. Bei André Schubert stehen wir sehr hoch und verteidigen an der Mittellinie auch schon mal Mann gegen Mann. Also muss bei Innenverteidigern Schnelligkeit mehr im Vordergrund stehen, weil der Raum hinter ihnen größer ist. Jeder Trainer hat seinen eigenen Ansatz, und der verändert natürlich auch den Spielertyp, den er bevorzugt. Unter Lucien hätte ich zum Beispiel nie ein Bundesligaspiel gemacht. Ich komme aber trotzdem auf 104, insofern bin ich ja froh, dass es auch andere Trainer gibt.

Das angesprochene höhere Verteidigen unter Schubert zieht mehr Zweikämpfe nach sich und mehr Sprints. Ist die Mannschaft heute physisch mehr gefordert als unter Favre?

Eberl Natürlich hat sich die Belastung verändert, weil wir nun sehr viele Sprints ziehen, während wir unter Lucien viel über Ballbesitz geregelt haben. Aber: Beide Systeme haben uns Erfolg gebracht. Und es gibt halt nicht nur den einen Königsweg im Fußball. Entscheidend ist, dass Vorbereitung im Training und Umsetzung im Spiel funktionieren. Und das machen beide Trainer sehr, sehr gut.

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Hat Schubert sich in Ihren Augen schon von Favre emanzipiert?

Eberl Erstens: Wir reden über gerade einmal knapp drei Monate, die André Schubert im Amt ist. Zweitens: Ja, er hat trotzdem schon eigene Akzente gesetzt. Generell finde ich es aber unfair, jetzt schon einen Vergleich zu ziehen. André hatte ja noch nicht wirklich die Chance und Zeit, mal nicht nur im Drei-Tages-Rhythmus zu denken, sondern auch mal strategisch zu planen.

Wird die Balance zwischen druckvollem Vorwärtsgang und wieder sichererem Verteidigen Schuberts erste große Aufgabe für 2016?

Eberl In der Vorbereitung kann er jetzt erstmals gezielter an Dingen arbeiten, und natürlich muss er — wie jeder andere Trainer — Wert darauf legen, diese Balance hinzukriegen. Aber ich glaube, da hat er genug Ideen, um das umzusetzen.

Sind die Veränderungen im Spiel unter Schubert letztlich einfach die logische Weiterentwicklung des Favre-Stils?

Eberl Unser Stil unter Lucien hatte sich ja auch schon entwickelt. Mit Reus, Herrmann, Arango und Hanke haben wir ja überragend auf Konter gespielt. Dann aber haben wir über zwei Jahre hinweg mehr Ballbesitz in unserem Spiel etabliert und in der vergangenen Saison den Gegner ja auch wirklich ausgespielt. Und das ist das Schwerste im Fußball schlechthin. Dieses Ausspielen noch zu perfektionieren, wäre gar nicht mehr gegangen, da waren wir für uns am Limit angekommen. Insofern war die Veränderung unter Schubert ein guter Schritt.

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Foto: Wiechmann

Ein Schritt, den er trotz Verletzungen mit einem qualitativ breiten Kader vollziehen konnte.

Eberl 2010 hatten wir auch fünf, sechs verletzte Stammspieler. Jetzt ist es wieder ähnlich, und wir haben trotzdem eine Qualität auf dem Platz, die zeigt, dass wir solche Ausfälle inzwischen auffangen können.

Auch weil ein Talent wie Mo Dahoud durchgestartet ist.

Eberl Sicher. Als wir Lars Stindl verpflichtet haben, war unser Kalkül ja das, dass er die Zehn spielen kann, aber auch die Acht oder den Part auf den Flügel, um eben den Platz für einen Mo Dahoud oder einen Marvin Schulz nicht zu blockieren. Hätte ich neben Granit einen Top-Sechser geholt, wäre Mo Dahoud heute nicht da, wo er ist, und wir hätten ein Top-Talent verloren. Denn wir können einem wie ihm ja nicht zwei Jahre lang glaubhaft versichern, dass Borussia für ihn der beste Verein ist, um Spielpraxis zu bekommen und sich zu entwickeln, und ihm dann immer einen Neuen vorsetzen.

These: Dahouds Entwicklung ist für Borussia vor allem deswegen wichtig, um einen möglichen Abgang von Granit Xhaka in der Zukunft besser aufzufangen.

Eberl Die These kann ich ein Stück weit nachvollziehen. Ich bin froh, dass wir Dahouds Kreativität bei uns haben, aber er ist auch ein guter Zweikämpfer und geschickter Balleroberer. Er ist endlich verletzungsfrei, ist stabil geworden und spielt schon jetzt jedes Spiel auf hohem Niveau. Dabei gilt: Granit ist selbstverständlich noch eine andere Persönlichkeit.

Glauben Sie daran, dass Xhaka seine Unbeherrschtheit irgendwann mal komplett in den Griff bekommt - Oder muss man das bei ihm einfach in Kauf nehmen?

Eberl Manche Spieler müssen technisch lernen, andere müssen taktisch lernen, er muss emotional lernen. Er darf nicht der komplett Ruhige werden, er darf sich aber auch nicht solche Dinge erlauben wie jetzt gegen Darmstadt, weil er sich damit nicht nur sich, sondern auch der Mannschaft und dem Verein schadet. Das weiß er selbst am besten. Er sollte sich mit seiner Emotion nicht im Weg stehen. Wenn er das besser hinkriegt, wird er ein Top-Spieler bei einem Top-Verein werden, wenn nicht, wird ihn immer dieser Makel begleiten.

Bleibt er "dank" dieses Makels womöglich ein bisschen länger in Gladbach, weil die Top-Vereine seine Entwicklung in diesem Punkt erst noch abwarten wollen?

Eberl Ich kann nicht beurteilen, wie andere Vereine solche Kriterien wie bewerten. In England wird eine solche Thematik zum Beispiel nicht so hoch gehandelt wie in Deutschland. Man muss ja fairerweise auch sagen: Gegen Darmstadt hat sich Granit jetzt zum ersten Mal zu einer Tätlichkeit hinreißen lassen - zum ersten und hoffentlich auch zum letzten Mal. Ansonsten geht es für mich eher darum, dass er lernen muss, sich auf dem Platz zuweilen cleverer zu verhalten. Er hat halt wie jeder 23-Jährige noch etwas zu lernen.

Talentierte Spieler mit "Makel" sind doch perfekt für Borussia, oder?

Eberl Wenn die Spieler schon relativ komplett sind, bekommen wir sie nicht. Aber bei uns werden entwicklungsfähige Spieler besser. Das ist unser Weg, das ist unsere Überzeugung. Wir wollen Spieler, die noch nicht perfekt sind, aber hungrig darauf, irgendwann mal bei einem ganz großen Verein zu spielen. Für solche Spieler ist Gladbach der perfekte Verein.

Genau dieses Image hat Borussia nun auch durchs Champions-League-Europa transportieren können. Wie nutzt der Verein diesen Schwung für seine internationale Vermarktung?

Eberl Die Internationalisierung ist ein großes Thema — für uns wie für alle Vereine. Wir müssen unsere Wahrnehmung in Europa aber auch erstmal nachhaltig gestalten, da sind uns andere Vereine voraus. Wir haben auf jeden Fall noch Luft, international noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen.

Bayer Leverkusens Geschäftsführer Michael Schade hat vor einiger Zeit mal gesagt, ein chinesischer Nationalspieler im Verein wäre vermarktungstechnisch absolut wünschenswert.

Eberl Ich würde erst über so einen Spieler nachdenken, wenn er auch die sportliche Qualität hätte, bei uns Stammspieler zu werden. Wenn es mit dem Vermarktungsaspekt in einem Zielmarkt verbunden werden kann, wie jetzt bei Bayer 04 mit Chicharito und Mexiko, ist ein solcher Transfer super, aber die sportliche Überlegung ist immer noch die erste.

Überlegungen, den Fußball weiterzuentwickeln, gibt es auch in technischer Hinsicht. Die Torlinienkamera gibt es schon, nun wird über den Videobeweis diskutiert. Wie viel Technik verträgt die Romantik-Sportart Fußball?

Eberl Die Torlinientechnik finde ich sehr gut, denn im Fußball geht es elementar um die Entscheidung "Tor oder kein Tor". Dem Videobeweis stehe ich noch sehr skeptisch gegenüber, weil ich hier noch keine Praktikabilität sehe. Wie und wann kann es im Spiel angewendet werden, ohne den Fluss des Spiels zu zerstören? Ich habe darauf auch keine Antwort.

Pep Guardiola braucht sich mit dieser Frage nicht mehr auseinanderzusetzen. Er verlässt den FC Bayern nach drei Jahren. Verliert die Bundesliga mit ihm eine Persönlichkeit, die ihr gut getan hat?

Eberl Ich glaube, dass die Wahrnehmung der Bundesliga durch Guardiola gestiegen ist, gerade international. Das Renommee der Liga ist durch ihn einfach gestiegen. Und durch Guardiola wird in Deutschland mehr über den Fußball unter taktischen Gesichtspunkten diskutiert und nicht mehr nur als großes Ganzes.

Guardiolas Karriereplanung sieht also einen neuerlichen Wechsel des Vereins vor. Wie sieht Ihr Karriereplan aus?

Eberl Genauso wie bei jungen Spielern: den nächsten Schritt gehen, hungrig sein, den größtmöglichen Erfolg zu haben. Wo das dann endet, das weiß ich heute nicht. Ich bin jetzt schon sieben Jahre Sportdirektor hier, und als ich anfing, hatte ich mir insgeheim das Ziel gesetzt, wenn ich mal in einem Satz mit Grashoff und Rüssmann genannt werde, dann habe ich was geschaffen. Jetzt habe ich meinen Vertrag schon zum dritten Mal verlängern dürfen bei diesem großartigen Verein, das ist doch etwas.

KARSTEN KELLERMANN UND STEFAN KLÜTTERMANN FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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