Borussia Mönchengladbach Eberl: "Die Mannschaft hat dazugelernt"

Mönchengladbach · Im ersten Teil des großen Interviews mit unserer Redaktion spricht Sportdirektor Max Eberl über Borussias Situation, den Reifeprozess des Teams, defensive Gedankenspiele und die Zukunft von Roel Brouwers, Filip Daems und Thorgan Hazard.

 Borussias Sportdirektor Max Eberl.

Borussias Sportdirektor Max Eberl.

Foto: dpa, Andreas Gebert

Herr Eberl, die Rückrunde der vergangenen Saison fing schwierig an mit sieben Spielen ohne Sieg und nur drei Punkten. War das jetzt zum Jahresauftakt ein Thema?

Max Eberl Für uns ist das kein Thema. Man muss eine Bundesliga-Saison immer über ein Jahr bewerten. Man kann sich natürlich Teilaspekte herausnehmen, positive und negative. Aber es gibt in jeder Saison Wellentäler - bei jedem Klub. Die vergangenen Jahre sind für uns sehr gut gelaufen, wir haben uns zweimal für Europa qualifiziert. Natürlich gab es auch Perioden, die nicht so gut waren. In der vergangenen Saison war es eben zu Beginn der Rückrunde so. Da hatten wir aber eine herausragende Hinrunde gespielt. Jetzt haben wir eine sehr, sehr gute Hinrunde gespielt - aber auch mit einer Serie von drei Bundesliganiederlagen in Folge. Wir sind und bleiben sehr realistisch in der Bewertung unserer Situation. Wir wissen, dass wir nur, wenn wir in jeder Minute 100 Prozent geben, erfolgreich sein werden. Wenn wir das nicht tun, wird es schwer. Wir werden uns in den anstehenden vier Wochen gut vorbereiten, um dann in Stuttgart beim ersten Rückrundenspiel bereit zu sein.

Kann es sogar ein Vorteil sein, dass es dieses Mal kein Polster gibt, von dem man wie im vergangenen Jahr zehren kann? Es ist alles eng beisammen in der Tabelle, da muss man gleich auf der Hut sein.

Eberl Absolut. Wir träumen ja nicht. Dass wir dreimal verloren haben und die anderen Spiele knapp waren, das hat uns allen gezeigt, dass jedes Spiel in der Bundesliga ein Ritt auf der Rasierklinge ist. Die Mannschaft, die in einem Spiel mehr investiert, mehr gibt und weniger Fehler macht, die wird, normalerweise, am Ende erfolgreich sein. Das haben wir der Mannschaft noch mal mit auf den Weg gegeben. Für uns ist es wie ein kleiner Neustart - und da gilt es von Anfang an, hochkonzentriert zu sein. Wir werden zunächst nur auf das Stuttgart-Spiel fokussiert sein. Mit diesem Ansatz sind wir gut gefahren und werden dabei bleiben. Es ist kein Schlüsselspiel, aber der erste wichtige Höhepunkt, auf den wir hinarbeiten.

Trainer Lucien Favre hat im Vergleich zur Vorsaison, das hat die Hinrunde gezeigt, mehr Optionen im Kader. Ist das Team im Vergleich zu vor einem Jahr auch gereift?

Eberl Wir haben die Gruppenphase der Europa League sehr souverän gemeistert, das ist für mich ein Beleg dafür, dass die Mannschaft gereift ist. In der Winterpause darf man natürlich durchschnaufen, aber man darf die Spannung nicht verlieren und muss konzentriert bleiben. Es ist immer viel möglich in einer Halbserie, das haben wir in den vergangenen Jahren erlebt. Ich habe das Gefühl, dass die Mannschaft sehr verantwortungsvoll mit der Situation umgeht.

Borussia Dortmund schwächelt in dieser Saison und somit fällt zunächst mal ein vermeintlich Großer oben raus. Ist das eine besondere Situation, die man als Borussia Mönchengladbach ausnutzen kann?

Eberl Momentan ist es so, dass der BVB andere Probleme hat, ja. Aber für mich gibt es immer noch eine Top fünf, mit Bayern, Dortmund, Schalke, Leverkusen und Wolfsburg. Einer davon schwächelt in jedem Jahr. Aber es gibt neben uns so viele Mannschaften, die auf Augenhöhe darum kämpfen, den frei gewordenen Platz einnehmen zu können. Wir haben als Vierter einen Punkt Abstand zu Platz sieben, alle Teams, die in der Region dabei sind, bewegen sich alle in einem ähnlichen Bereich. Darum schaue ich nicht darauf, ob einer von den Top fünf schwächelt, sondern wünsche mir, dass unsere Mannschaft das abruft, was sie kann. Und wenn sie die Stabilität hat wie in der Hinrunde - da haben wir ja nur vier von 27 Spielen verloren - dann ist eine gute Platzierung möglich.

Worauf wird es in den Wochen der Vorbereitung ankommen? Wird sich das Team noch weiter entwickeln? Was ist der nächste Step?

Eberl Der nächste Step ist, dass wir stabil bleiben. Wir wollen die Phasen, der Spiele, in denen es nicht so gut läuft, möglichst kurz halten und ein gewisses Niveau immer wieder auf den Platz bringen. Dass wir das können, haben wir schon gezeigt, dass wir aber auch Spiele hatten, in denen wir das nicht geschafft haben und dann auch gleich verlieren, haben wir auch gesehen. Wir müssen einfach sehr sorgsam mit den Dingen umgehen, die wir aufgebaut haben. Wir haben Stabilität und unterschiedlich erfolgreiche Gesichter gezeigt. In Hannover ging es in der ersten Phase des Spiels nur über den Kampf, am Ende haben wir dann sehr souverän gewonnen. Gegen die Bayern haben wir defensiv sehr konzentriert gearbeitet und kaum Fehler gemacht. Das sind Sachen, die mir zeigen, dass die Mannschaft dazugelernt hat.

Eine der Säulen des Teams war in der Hinrunde erneut Martin Stranzl. Sein Vertrag wurde bereits verlängert. Wie wichtig ist er als Führungsfigur für das Team?

Eberl Dass Martin für uns eine wichtige Figur ist, zeigt die Tatsache, dass wir mit einem 34-Jährigen noch mal verlängern. In den Jahren, die er hier ist, hat er eine herausragende Rolle auf und neben dem Platz gespielt. Deswegen sind wir froh, dass wir uns schnell auf eine Vertragsverlängerung geeinigt haben.

Hat man sein Fehlen in der Schlussphase der Hinrunde bemerkt?

Eberl Natürlich fehlt ein Spieler, der vorher einer der besten Innenverteidiger der Liga war. Aber ich möchte nicht sagen: Wenn er nicht da ist, gewinnst du nicht. Das wäre zu einfach. Tony Jantschke, Alvaro Dominguez und Roel Brouwers haben gezeigt, dass sie gut stehen. Wir haben nach den Bayern die wenigsten Großchancen zugelassen - das hat auch mit der Defensive zu tun: mit Martin, aber auch mit den anderen.

Roel Brouwers hat sich in den Spielen, in denen Martin Stranzl fehlte, gut präsentiert. Wird auch sein Vertrag verlängert?

Eberl Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Wir wissen, dass Roel immer seine Leistung bringt. Aber wir müssen auch die Altersstruktur im Auge haben. Wir werden mit Filip Daems möglicherweise einen älteren Spieler verlieren, haben in Martin mit einem älteren Spieler verlängert - und nun werden wir abwarten, was mit Roel passiert. Wir halten die Augen offen, beobachten, was auf dem Markt ist, aber Roel ist immer eine hervorragende Alternative. Selbst wenn wir einen neuen Innenverteidiger holen, heißt das nicht zwangsläufig, dass wir mit Roel nicht verlängern. Wir werden uns die Zeit nehmen, den Kader für die neue Saison zu planen - und das werden wir Roel auch genauso kommuniziert.

Geplant wird aber ohne Filip Daems?

Eberl Das wird möglicherweise so sein. Aber endgültige Entscheidungen möchte ich erst mit dem Spieler besprechen.

Kann es sogar sein, dass er kurzfristig geht? In Belgien ist zu hören, dass er unter anderem in Genk ein Thema sein soll.

Eberl Nein. Von unserer Seite gibt es kein Interesse, Filip jetzt abzugeben, und auch Filip ist in der Winterpause nicht an uns herangetreten mit dem Wunsch, etwas anderes zu machen. Dass es für ihn eine Situation geben konnte, in der er weniger spielt und auch nicht immer im Kader ist, das war Inhalt bei der Verlängerung seines Vertrages. Es war besprochen, dass die Wahrscheinlichkeit da ist, dass er nicht spielt, wenn Oscar Wendt und Alvaro Dominguez bereit sind. Nichtsdestotrotz haben wir großen Respekt vor Filip. Er gibt im Training immer Vollgas und ist da. Aber es ist ja auch so, dass die Mannschaft gut gespielt hat, da ist es dann immer schwer für die, die hinten dran sind, reinzukommen.

Welche Rolle spielt Havard Nordtveit bei den Überlegungen in der Defensive? Könnte er perspektivisch Innenverteidiger sein - er spielt die Position ja auch im norwegischen Nationalteam.

Eberl Dass er die Position spielen kann, wussten wir ja schon, als wir ihn 2011 von Arsenal London geholt haben. Da hat er Innen- und Rechtsverteidiger sowie im defensiven Mittelfeld spielt. Er hat bei uns zu 95 Prozent im defensiven Mittelfeld gespielt und gute Leistungen gebracht. Aber natürlich kann sich innerhalb eines Kaders etwas entwickeln. Wenn es dann für ihn die Innenverteidiger-Position würde, wäre es eine gute Option für alle.

Thorgan Hazard hat in der Hinrunde so überzeugend gespielt, dass Sie schon daran arbeiten, ihn längerfristig zu binden, entweder über eine erneute Ausleihe oder einen Kauf. Wie ist der Stand der Verhandlungen mit dem FC Chelsea?

Eberl Thorgan hat in diesem halben Jahr unterstrichen, was wir schon wussten. Wir wollten ihn schon im letzten Sommer kaufen, aber das war nicht möglich. Die Leihe hat dazu geführt, dass wir Thorgan und auch Chelsea zeigen konnten, dass er bei uns gut aufgehoben ist. Das ist beim FC Chelsea auch genauso angekommen. Dort wird mit großem Respekt über Borussia Mönchengladbach gesprochen. Es freut mich, dass ein so großer Klub so über uns denkt. Dass wir Thorgan haben wollen, haben wir schon gesagt. Auch Thorgan hat positive Signale gesendet. Wir haben mit Chelsea gesprochen. Noch gibt es kein Ergebnis, aber es waren sehr positive Gespräche.

Spielt es in der endgültigen Entscheidungsfindung eine Rolle, ob Borussia wieder international spielt?

Eberl Ich vermute mal, für den FC Chelsea nicht. Für den Spieler spielt es natürlich eine Rolle. Denn auf internationalem Niveau kann man sich noch besser entwickeln, als nur in der Liga oder im Pokal. Aber es ist sicherlich nicht das entscheidende Kriterium.

Karsten Kellermann und Stefan Klüttermann führten das Gespräch

(RP)
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