Borussia Mönchengladbach Der "junge Weg" und der "Wunderwuzzi"

Mönchengladbach · Borussia hat sich entschieden, auf viele Talente zu setzen. Das kann holprig sein. Vor allem, wenn ein Haudegen wie Martin Stranzl fehlt. Seine jungen Vertreter zahlten viel Lehrgeld. Heute absolviert der Kapitän einen Härtetest.

 Martin Stranzl: Der Kapitän absolviert heute gegen den FC Sion einen Härtetest.

Martin Stranzl: Der Kapitän absolviert heute gegen den FC Sion einen Härtetest.

Foto: imago

Es ist nur ein Testspiel. Doch es hat einen gewissen Reiz für die Borussen. Denn nach drei Niederlagen in der Bundesliga können sie sich heute im schweizerischen Biel, wo das Treffen mit dem FC Sion stattfindet, mal wieder das wohlige Gefühl eines Sieges verschaffen. Zumindest die, die nicht auf Länderspielreise sind. Für Nico Schulz, der vor gut zwei Wochen aus Berlin geholt wurde, wird es der erste Tag sein, an dem er für den neuen Klub spielt. Und dann ist da noch Martin Stranzl. Der Abwehrchef wird den Härtetest absolvieren.

Er hat zuletzt schmerzfrei trainiert, nun wird sich zeigen, ob es auch nach der Spiel-Belastung so bleibt. Ist es so, wird der Abwehrchef wohl am 11. September gegen den Hamburger SV sein Comeback feiern. Viele Fans sehen in ihm den Heilsbringer, er aber warnt: "Ich bin auch kein Wunderwuzzi."

Stranzls Platz als gesetzter Abwehrspieler hatte bislang überraschend ein ganz junger Mann inne: Marvin Schulz. Das Eigengewächs machte als einziger Innenverteidiger alle vier Pflichtspiele mit. Er machte keinen schlechten Job. Und doch zahlte er viel Lehrgeld, ebenso wie im ersten Ligaspiel in Dortmund der junge Däne Andreas Christensen, der seither Ersatz ist.

Branimir Hrgota trifft in der Nachspielzeit
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Joker Hrgota trifft in der Nachspielzeit

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20 und 19 Jahre sind die beiden Herren alt, und sie gehören zu dem, was Sportdirektor Max Eberl als "den jungen Weg" bezeichnet. Borussia setzt auf Talente und vertraut ihnen. Beide, und auch der Schweizer Nico Elvedi, der bislang nur in der Regionalliga-Mannschaft Spielpraxis sammelte, gehören zum Champions-League-Aufgebot, das Borussia benannt hat. Auch Mo Dahoud kann auf Champions-League-Einsätze hoffen. Trainer Favre hält ihn für außergewöhnlich begabt. Zuletzt beim 1:2 in Bremen brachte er Dahoud, um Ordnung ins defensive Mittelfeld zu bringen. Das sei dem 19-Jährigen gelungen, befand Favre. Nun steht Dahoud zumindest in dem Verdacht gegen den HSV sein Startelf-Debüt feiern zu dürfen. Denn wegen der Ampelkarte, die sich Granit Xhaka einhandelte, ist ein Platz vor der Abwehr frei.

Das wäre wieder der "junge Weg". Dass dieser unter Umständen holprig sein kann, wussten Borussias Macher. Ihr Plan war auch ein anderer: Schulz, Christensen und Elvedi sollten behutsam herangeführt werden an die großen Aufgaben. Als Backup für gestandene Spieler wie Stranzl, die dem Nachwuchs zudem eine Hilfestellung sein sollten. Doch Stranzls Verletzung war hartnäckiger als gedacht. Zudem spielte der Rücken von Alvaro Dominguez nicht mit. Auch der Spanier fehlt, er war eine Zeit lang in seiner Heimat zur Reha, nun ist er wieder da, übt aber noch individuell. Bei Dominguez wird es noch dauern.

Der "junge Weg" beinhaltet gewisse Unwägbarkeiten. Leistungsschwankungen natürlich. Unerfahrenheit. Einem Haudegen wie Stranzl wäre der Elfmeter, den Marvin Schulz in Bremen verursachte, weil der abgezockte Anthony Ujah erfolgreich den Kontakt suchte, vielleicht nicht passiert. Doch Spieler wie Schulz für die bisherige Null-Bilanz der Borussen in die Pflicht zu nehmen, wäre falsch. Denn das, was Stranzl für das Team so wichtig macht, ist neben seiner Routine etwas, in das man hereinwachsen muss: Er ist ein Anführer. Einer, der die anderen zusammenstaucht, wenn es in die falsche Richtung läuft, der die richtigen Kommandos gibt, der ordnet und lenkt. So einer hat bislang gefehlt. "Es ist eine Entwicklung. Ich war auch nicht mit 22 oder 25 so weit, dass ich eine Führungsrolle oder Verantwortung übernehmen konnte", sagt Stranzl.

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Eben das ist einer der Stolpersteine auf Borussias "jungem Weg". "Es wurde ja bewusst gesagt, auf junge Spieler zu setzen und einen Umbruch einzuleiten. Da ist es dann ein Stück normal, dass man mal keine guten Ergebnisse erzielt. Wenn du so viele junge Spieler drin hast, die lernen müssen, fängst du wieder bei null an, sie müssen sich erst eingewöhnen", sagt Stranzl, verweist aber auch darauf, dass "wir in den letzten Jahren am Anfang nicht so gut ins Laufen gekommen sind. Der Unterschied ist, dass wir da noch glücklich Punkte geholt haben. Dieses Jahr ist es nicht so. Und wenn du so einen Negativlauf hast, fängt jeder an nachzudenken."

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Stranzl hat solche Negativsituationen oft erlebt. Junge Spieler wie Schulz, der wie Dahoud aktuell beim U20-Nationalteam ist, nicht. Darum ist heute ein wichtiger Tag für Borussia. Besteht Stranzl den Test, ist eine baldige Rückkehr wahrscheinlich. Dann hätte Borussia wieder einen Anführer. Und die Jungspunde einen, der hilft, dirigiert und coacht auf dem Platz. "Der eine nimmt die Ratschläge an, der andere nicht. Es sind elf Spieler auf dem Platz und jeder muss dazu beitragen, dass man als Einheit funktioniert." Ob alt, ob jung. Und "jung" muss aufsaugen, Persönlichkeit entwickeln, lernen, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. "Irgendwann", sagt Stranzl, "bin ich auch nicht mehr da. Jeder Spieler ist ersetzbar, und da müssen wir hinkommen." Das will Borussia. Auf dem "jungen Weg". Mit Stranzl als Leitwolf. Und vielleicht sogar als "Wunderwuzzi".

(RP)
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