Borussia Mönchengladbach Ganz unten angekommen

Mönchengladbach · Es gibt Partys, auf die man überhaupt keine Lust hat. Borussia Mönchengladbach hat am Dienstag so eine Party: das erste Champions-League-Spiel der Klubgeschichte beim FC Sevilla. Die Party-Laune ist den Gladbachern vergangen.

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Gladbach - Hamburg: Einzelkritik

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Vier Spiele in der Bundesliga, vier Niederlagen, 2:11 Tore, Platz 18. Dass es eine schwierige Saison werden würde nach dem Höhenflug auf Platz drei, das hatten sie am Niederrhein geahnt. Doch dass die Geschichte ein solches Ausmaß annehmen würde, damit hat kein Experte gerechnet. Das 0:3 gegen Hamburg war ein Desaster, sportlich und mental.

Sportdirektor Max Eberl hatte schon zuvor klar gestellt, dass Trainer Lucien Favre "unrauswerfbar" sei. Daran wird sich nichts ändern. Favre hat sich viel Kredit erarbeitet und verdient. Eberl nahm nach dem HSV-Spiel vielmehr das Team in die Pflicht. "Wenn der Kopf nicht funktioniert, wird es auch fußballerisch schwierig. Wir haben uns sehr kindlich und ängstlich angestellt. Ich verstehe nicht, woher diese unfassbare Angst kommt", sagte er.

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Foto: dpa, a jai

Borussias Spiel ist auf Ballbesitz ausgelegt. Doch wie soll das funktionieren, wenn die Spieler Angst haben vor dem Ball, wenn sie die Verantwortung sofort weiterschieben, hektisch statt in Ruhe? Dann diese unfassbaren Fehler von Spielern, die sonst verlässlich sind.

Borussia hat ein regelrechtes Gebirge von Problemen. Eines der Probleme: Martin Stranzl, in dessen Rückkehr viel Hoffnung gesetzt wurde, hat sich wieder schwer verletzt, er fällt sechs bis acht Wochen aus. Der 35-Jährige war als Anführer eingeplant. Nachkaufen geht nicht mehr, andere müssen die Rolle übernehmen. Davor haben sie sich bisher gedrückt.

Nach dem Wunder der Vorsaison erlebt Gladbach jetzt eine Horrorshow. Und nun beginnen die englischen Wochen. Wer aber am Boden ist, der zieht aus allem das Positive, um überhaupt etwas Positives zu haben. "Wir müssen jetzt zusammenrücken und uns aus dieser Situation befreien. Es gilt, unsere Stabilität wiederzufinden, die uns in der Vergangenheit so stark gemacht hat. Am besten fangen wir schon in Sevilla damit an", sagte Eberl. Mutig sein müssen die Borussen in der wilden Atmosphäre in Sevilla, sie müssen kämpfen und dagegenhalten, das sind die wesentlichen Dinge des Spiels, die man immer abrufen kann.

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Foto: Dirk Päffgen

Auch Favre ist gefragt. Er muss in aller Eile ein passendes Krisenkonzept erarbeiten. Er muss das Team stabilisieren, ihm eine Struktur geben, aus der die Spieler wieder Sicherheit ziehen können. Auch Favre muss im Zuge seiner größten Herausforderung als Gladbach-Trainer mutig sein. Personell hat er fast alles durchprobiert. Vielleicht sind extremere Denkansätze gefragt. Wie ein Systemwechsel. Da das bewährte Schema in Unordnung geraten ist, ist es ohnehin nicht das nötige Korsett. Warum also nicht 4-3-3 oder 4-5-1 statt 4-4-2? Es gibt viele Spielmachertypen im Kader, das könnte die Masse kanalisieren, zudem könnte ein dichteres Mittelfeld das Zentrum in der Rückwärtsbewegung standhafter machen.

Die Party in Sevilla ist vielleicht sogar ein guter Moment für einen Neuanfang. Oft sind ja die Partys, auf die man keine Lust hat, richtig gut. Die Champions League als Sanatorium? "Es kann eine Chance sein. Viele glauben, dass wir da hin fahren und die Punkte abliefern. Was haben wir also zu verlieren? Nichts", sagte Eberl. Es klingt ein wenig paradox, das gibt er zu. Doch es klang vor ein paar Wochen auch paradox zu sagen: Gladbach ist nach vier Spielen punktloser Letzter und hat elf Gegentore bekommen.

(RP)
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