Borussia Mönchengladbach Die Sehnsucht nach einem Duell mit Liverpool

Mönchengladbach · Der eine oder andere Borussen-Fan dürfte am Mittwochabend etwas wehmütig sein. Dann nämlich, wenn die TSG 1899 Hoffenheim im zweiten Play-off-Spiel zur Champions League an der Anfield Road beim FC Liverpool antritt.

 Ungläubiger Blick von Berti Vogts (rechts) hoch zu Liverpools Kevin Keegan, der laut dem Gladbacher "das Spiel seines Lebens" machte.

Ungläubiger Blick von Berti Vogts (rechts) hoch zu Liverpools Kevin Keegan, der laut dem Gladbacher "das Spiel seines Lebens" machte.

Foto: Imago

Zum einen, weil die Gladbacher ihr Team selbst gern im internationalen Wettbewerb gesehen hätten. Zum anderen, weil die Hoffenheimer bei ihrem Europa-Debüt das Los bekommen haben, nach dem sich so viele Borussen jahrelang gesehnt hatten: die "Reds".

Den Gladbachern war in den vier Europa-Jahren seit 2012 dreimal ein Gegner von der Insel vergönnt, doch die Liverpool-Sehnsucht wurde nicht gestillt. Die letzte Tour ging nach Glasgow in der Gruppenphase der Champions League, immerhin, schließlich ist der "Celtic Park" auch ein Kult-Tempel des Fußballs, und auch dort sangen alle Fans zusammen selig das "You'll never walk alone", den Song, der in der Version von Gerry Marsden und den Pacemakers zur inoffiziellen Vereinshymne des FC Liverpool wurde. 2010 sang Marsden den Song live im Borussia-Park. Die beiden anderen Britannien-Reisen führten die Gladbacher nach Manchester, und zweimal war der Gegner "City". Nicht wenige Gladbach-Fans indes bezogen ihr Quartier im knapp 60 Kilometer entfernten Liverpool und reisten von dort am Spieltag nach Manchester.

Regelmäßige Besuche der Fans

Denn da ist diese spezielle Verbindung zwischen Borussia und den "Reds" aus Liverpool, die Jahr für Jahr ausgelebt wird in gegenseitigen Besuchen. Seit 1992 reisen Gladbach-Freunde nach Liverpool, seit 2007 kommen Liverpool-Anhänger in den Borussia-Park. Im Stadionheft des FC Liverpool zum Hoffenheim-Spiel wird diese außergewöhnliche Fan-Freundschaft ausführlich beschrieben. Eine Geste der Borussen-Fans, die 1991 nach der Stadion-Katastrophe von Hillsborough 21.000 Mark für die Familien der Opfer sammelten und nach Liverpool brachten, war ein Ursprung dieser innigen Beziehung. Ein anderer sind die großen Spiele beider Klubs in den 70er Jahren (damals spielte Hoffenheim noch in der B-Klasse Sinsheim Nord). Zusammengefasst heißt es in Borussias Chronik zum Thema: "Liverpool ist Borussias Trauma." Denn was Hoffenheim möglicherweise heute bevorsteht, ein Scheitern gegen die Mannschaft von Jürgen Klopp, hat Borussia schon dreimal auf höchster Ebene erlebt.

1973 gab es das erste Treffen in den beiden Uefa-Cup-Finals. Genau genommen waren es jedoch zweieindrittel Spiele. Denn wegen sintflutartiger Regenfälle wurde das erste Spiel in Liverpool beim Stand von 0:0 nach 28 Minuten abgebrochen. Borussia ging dann tags darauf beim zweiten, mithin vollständigen, Versuch an der Anfield Road 0:3 unter. "Angriffslawine führte zum Sieg", titelte die Rheinische Post damals und staunte über den überragenden Kevin Keegan. Das Rückspiel gewann Borussia 2:0, doch das reichte nicht trotz des taktischen Schachzugs von Hennes Weisweiler, seinen Star Günter Netzer quasi als "Sechser" aufzubieten, als vorgezogenen Libero vor der Abwehrkette, um im Mittelfeld ein Übergewicht zu haben.

Gladbachs größtes Spiel der Vereinsgeschichte

1977, vor 40 Jahren also, war Liverpool dann Borussias Gegner im größten Spiel der Vereinsgeschichte: im Finale des Landesmeisterwettbewerbs in Rom. Mit Manndeckung und rasantem Konterspiel wollte Borussia die "Reds" besiegen, doch die Briten kauften ihnen den Schneid ab. Erneut spielte Kevin Keegan überragend und jubelte am Ende mit seinem Team. Nach dem 1:3 titelte die Rheinische Post: "Der Cup geht nach Liverpool."

Ein Jahr später gab es das bislang letzte Pflicht-Meeting der Klubs, und zwar erneut im Landesmeister-Wettbewerb. Borussia durfte in dem Fall daheim (besser: in Düsseldorf) vorlegen und tat das mit einem Knaller: Rainer Bonhofs Freistoß-Hammer kurz vor Schluss stellte den 2:1-Sieg sicher und hinterließ bei Liverpools Torwart Ray Clemence einen bleibenden Eindruck. "Bonhof schießt schneller als Wyatt Earp", sagte er. Doch die Einschüchterung reichte nicht für das Rückspiel. Erneut gab es an der Anfield Road ein 0:3. "Die Borussia wurde von einer Urgewalt niedergewalzt", schrieb die RP. Dieses Mal war es Kenny Dalglish, den die Gladbacher nicht aufhalten konnten. Weil das 12:0 gegen Dortmund nicht zur Meisterschaft reicht im Fernduell mit dem 1. FC Köln und es im Pokal im Viertelfinale ein 2:3 gegen Bremen gibt, bleibt Gladbach in der Saison erstmals seit 1974 ohne Titel. Und Liverpool ist jetzt erst recht Borussias internationaler Angstgegner.

Nun könnte man meinen, dass eben darum das Los Liverpool eines aus der Kategorie "igitt" wäre für die Gladbach-Fans. Doch ist da dennoch die Sehnsucht nach Liverpool, nach Anfield. Um zu Gast bei Freunden zu sein, um die Seele des Fußball zu fühlen, wenn man durch das Tor mit dem Schriftzug "You'll never walk alone" schreitet, aber ein bisschen vielleicht auch, um vielleicht endlich eine sportliche Revanche nehmen zu können. Indes sind die Borussen, was das Stadion in Liverpool angeht, in guter Gesellschaft. Die 14 Versuche anderer deutscher Teams, dort zu gewinnen, scheiterten ebenfalls in der Arena, über die es heißt: "Beim FC Liverpool schießt manchmal sogar das Stadion die Tore."

Borussia hat den Wahrheitsgehalt dieses Mythos selbst zu spüren bekommen. Nun versucht Hoffenheim mit einigen Ex-Borussen (Havard Nordtveit, Lukas Rupp, Eugen Polanski und Nico Schulz) die traurige deutsche Serie in Liverpool zu beenden.

(kk)
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