Ehepaar aus der Schweiz Anderthalbmal um die Welt für Borussia

Mönchengladbach · Andi Schröder und seine Frau Biggi sind so genannte Allesfahrer - 60.000 Kilometer haben beide in der abgelaufenen Saison für ihren Fußballverein zurückgelegt. Und das unter erschwerten Bedingungen - denn sie leben in der Schweiz.

 Das schönste Spiel? "Definitiv Florenz. In der Halbzeit waren wir gefühlt draußen, das Kapitel Europa League war abgeschlossen", sagt Schröder.

Das schönste Spiel? "Definitiv Florenz. In der Halbzeit waren wir gefühlt draußen, das Kapitel Europa League war abgeschlossen", sagt Schröder.

Foto: Andi Schröder

Weltumrundungen sind die bevorzugte Einheit, wenn eine enorme Strecke veranschaulicht werden soll. Andi Schröder und seine Frau Biggi haben in der vergangenen Saison jeweils eineinhalb Mal die Welt umrundet, um Borussia spielen zu sehen: mehr als 40.000 Kilometer im Auto, noch einmal 20.000 Kilometer mit dem Flugzeug. Ein paar hundert so genannte Allesfahrer gibt es in der Fanszene, nicht jeder von ihnen hat auch jedes der 51 Pflichtspiele gesehen, es aber zumindest versucht. Während Biggi es geschafft hat, musste Andi berufsbedingt zweimal passen. So kommen sie zusammen auf 100 Spiele.

 Das stimmungsvollste Spiel der Saison? "Auf jeden Fall Glasgow", sagen Andi Schröder und seine Frau Biggi, hier im Celtic Park.

Das stimmungsvollste Spiel der Saison? "Auf jeden Fall Glasgow", sagen Andi Schröder und seine Frau Biggi, hier im Celtic Park.

Foto: Biggi Schröder

"Es ist immer die Rede von der Belastung der Spieler, aber die Fans nehmen noch viel mehr auf sich", sagte Borussias Kapitän Lars Stindl im Interview mit unserer Redaktion. "Sie machen Abstriche in ihrem Privatleben, 51-mal im Jahr. Das ist auch finanziell ein Wort."

Leute wie die Schröders wird Stindl im Sinn gehabt haben, wobei das Ehepaar immerhin dieselbe Leidenschaft teilt. War Andi Schröder dennoch froh, als die Saison mit dem letzten Spiel gegen den SV Darmstadt zu Ende war? "Ganz ehrlich", sagt Schröder, "eine Woche hätte ich noch gekonnt und gewollt". Er spielt damit an auf das DFB-Pokalfinale in Berlin am 27. Mai, das Borussia auf bittere Weise gegen Eintracht Frankfurt verspielte: "Das war der schwärzeste Punkt der Saison."

Für Andi Schröder und seine Frau hätte sich ein Kreis geschlossen: 1995 bei der bislang letzten Finalteilnahme lernten sie sich kennen, führten ein paar Jahre eine Fernbeziehung, bis Biggi zu ihm zog. Das war kein kleiner Schritt: Schröder kommt aus der Schweiz, seit 20 Jahre leben beide nun zusammen in Wattwil im Kanton St. Gallen, 650 Kilometer sind es von dort bis an den Niederrhein. In Holt haben die Schröders eine Wohnung, die sie nutzen, wenn Borussia zu Hause oder auswärts bei einem anderen Klub aus Nordrhein-Westfalen spielt.

Auch mit dem Pokalfinale in Berlin hätte das gegolten, was Schröder dann doch zugibt: "So froh und müde war ich noch nie, dass Pause ist." Er erinnert sich an die "absolute Leere" auf der Heimfahrt nach dem Aus im Elfmeterschießen gegen Eintracht Frankfurt. Schröder musste am nächsten Tag arbeiten. An der Berufsschule bildet er Automechaniker aus, also fuhr er direkt vom Stadion in die Werkstatt in Winterthur, schlief dort zweieinhalb Stunden, dann begann der Unterricht.

"Mein Chef gibt mir unwahrscheinlich viele Freiheiten", sagte Schröder, der eine 80-Prozent-Stelle hat und seinen Urlaub etwas flexibler nehmen kann. Sonst wäre das Allesfahrer-Dasein nicht möglich, zumindest nicht mit einem Wohnsitz in der Schweiz.

Bern, Florenz, Glasgow

Das einfachste Spiel der Saison war das allererste, als Borussia Mitte August in den Play-offs zur Champions League bei den Young Boys Bern spielte. Das schönste? "Definitiv Florenz. In der Halbzeit waren wir gefühlt draußen, das Kapitel Europa League war abgeschlossen", sagt Schröder über das 4:2 nach 0:2-Rückstand und 0:1 im Hinspiel. Das stimmungsvollste? "Auf jeden Fall Glasgow." Die kurioseste Reise war vermutlich die nach Manchester, als das Spiel aufgrund eines epischen Regengusses um einen Tag verschoben wurde. Auch das hätte Schröder irgendwie bewerkstelligt, wenn die Partie um 18 Uhr und nicht erst um 20.45 Uhr angepfiffen worden wäre. Also musste er vorher nach Hause fliegen. Aber nach Rücksprache mit Allesfahrern konnte Schröder sagen: "Zählt trotzdem."

Die Energie, die Zeit und das Geld für eine vierte internationale Saison in Folge hätte er gerne aufgebracht. "Aber ich kann damit leben", sagt er, "wir haben viel Schlimmeres erlebt mit dem Verein." Früher galt das für ganze Spielzeiten, jetzt nur für das Ende inklusive Frankfurt-Trauma. "Wir haben Europa nicht in der Vorrunde verspielt. Wenn wir es gegen den am Ende 14., 16. und 18. nicht auf die Reihe kriegen, haben wir es nicht verdient", sagt Schröder über die abschließenden Unentschieden gegen Augsburg, Wolfsburg und Darmstadt.

So ganz ohne Besuche in Mönchengladbach verläuft sein fußballfreier Sommer aber nicht: Am Wochenende war er da und ist beim Santander-Marathon den Halbmarathon gelaufen. Das passt zum 60.000-Kilometer-Mann der Fanszene.

(RP)
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