Borussia Mönchengladbach Die Psychologie der Kapitänsbinde

Mönchengladbach · Im DFB-Team bleiben alle betont entspannt in der Kapitänsfrage. Bei Borussia spornte André Schubert in der Vorsaison Granit Xhaka an, indem er ihm die Binde gab. Möglich, dass er in der neuen Spielzeit auf einen ähnlichen Effekt bei Lars Stindl setzt.

 Lars Stindl könnte Granit Xhaka beerben.

Lars Stindl könnte Granit Xhaka beerben.

Foto: Dieter Wiechmann

André Schubert hat in seiner ersten Saison als Bundesliga-Trainer viele richtige Entscheidungen getroffen. Eine davon gefiel dem früheren Bundesliga-Profi Marco Streller besonders gut. "Das war die, Granit Xhaka zum Kapitän zu machen", befand der Schweizer mal. Schubert traf die Wahl vermutlich mit einem gewissen Kalkül: Xhaka brauchte keine Binde, um ein Chef zu sein, doch sein heißblütiges Wesen brauchte die Binde, um ein besonnener Chef zu sein.

Xhaka ging voran

Xhaka gab an, er sei sich der Verantwortung der Binde bewusst. Es war keine Bürde, sondern Ansporn, Motivation - und die Ernennung zum Kapitän machte den Spieler Xhaka ein Stück erwachsener. Es brauchte etwas, bis der Effekt wirklich eintrat, doch am Ende der Saison war er ein Vorzeige-Kapitän: Xhaka ging voran, führte die anderen, motivierte sie, riss sie mit — als leistungsstarker Anführer.

Es war natürlich auch ein Marketing in eigener Sache, denn seine Interpretation des Amtes wird auch in London nicht verborgen geblieben sein. Weswegen sich André Schubert zur neuen Saison einen neuen Kapitän suchen muss. Denn Xhaka ist dann nicht mehr da, er ist für 43 Millionen Euro zum FC Arsenal gewechselt. Auch andere, die in den vergangenen Spielzeiten das grüne Stoffstück am Arm trugen, sind weg: Martin Stranzl, Roel Brouwers und Havard Nordveit.

Die Kapitänsdebatte rund um das deutsche Nationalteam könnte den Gedanken aufwerfen, dass es eigentlich keine große Sache ist mit der Binde. Die deutschen Spieler jedenfalls betonen gern, dass sie nicht von sonderlicher Relevanz sei. Gegen die Ukraine übernahm Manuel Neuer das Amt. Nach dem Spiel hatte er sein Trikot längst verschenkt, die leuchtend gelbe Binde aber hing noch an seinem Arm. Als wertvolles Andenken?

Jedenfalls ist zu vermuten, dass die Fußballer mit der Nonchalance zu diesem Thema durchaus kokettieren. Denn wenn sie die Binde tragen, sind plötzlich doch große Gefühle da. Xhaka beispielsweise tat kund, dass er "sehr stolz" sei, Borussias Kapitän zu sein. Gleichlautendes gab es von seinen Vorgängern im Amt zu hören. Nun, auch im aktuellen Borussen-Team wird keiner lauthals die Beförderung fordern, doch Schubert wird, wie bei Xhaka, vermutlich erneut auf die Psychologie der Binde setzen und seinen Kapitän zielgerichtet auswählen.

Torwart-Variante ist denkbar

Klar ist: Borussia sind einige Typen abhandengekommen. Ersatz ist da: Christoph Kramer und Jannik Verstergaard sind zwei, denen viel Präsenz im Team zuzutrauen ist. Doch Neuankömmlinge (auch, wenn sie wie Kramer Rückkehrer sind) zum Kapitän machen, dürfte nicht Schuberts Weg sein. Zumal beide auch ohne Binde führen können. Ein weiteres Auswahlkriterium dürfte sein, dass der künftige Kapitän meistens auf dem Platz stehen sollte.

Tony Jantschke muss sich nach seiner Verletzung den Stammspielerstatus erst wieder erarbeiten. So ist es auch bei Alvaro Dominguez. Einer, der ein Typ ist und die nötige Reife hat, ist Oscar Wendt. Auch die Torwart-Variante wie nun beim DFB ist denkbar: Yann Sommer könnte den Job machen, keine Frage. Das gilt auch für Andreas Christensen, der soeben von den Fans zu Borussias Spieler der Saison gekürt wurde.

Doch gibt es einen, der eigentlich prädestiniert ist, (wieder) Kapitän zu sein: Lars Stindl. Er trug in Hannover die Binde und war dort im Abstiegskampf der große, große Anführer. Schwarz-weiß-grün war das Stoffstück bei 96 — das würde perfekt passen bei Borussia. Der Stürmer Stindl war ein kongenialer Teil des Angriffs der Vorsaison, kein Bundesliga-Stürmer schaffte mehr gewinnbringende Pässe als er, keiner war eine so wichtige Anspielstation, und keiner schaffte so geschickte Balleroberungen. Sieben Tore und elf Vorlagen produzierte Stindl. Eine ganz starke Bilanz.

Und doch war da das Gefühl: Es fehlt die unwiderstehliche Präsenz, die er in Hannover hatte, es gibt noch Luft nach oben in Sachen Leader. Möglich, dass die Kapitänsbinde das aus Stindl herauskitzeln könnte. Fraglos wird er in Schuberts Gedankenspielen um die Kapitänsbinde eine Rolle spielen. Für Granit Xhaka jedenfalls war die Entscheidung, ihn zum Kapitän zu machen, psychologisch Gold wert.

(RP)
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