Borussias Woche der Wahrheit Der rheinische Doppelpack

Mönchengladbach · Am Samstag empfängt Borussia in der Liga Leverkusen, am Dienstag geht es im Pokal nach Düsseldorf - zwei wichtige Nachbarschaftsduelle.

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Foto: dpa/Marius Becker

Geht man die Geschichte nach der reinen Zahlenlehre an, ist Fortuna die klare Nummer eins am Rhein in dieser Saison. Neun Siege, je ein Unentschieden und eine Niederlage, 28 Punkte - da kommt keiner der regionalen Rivalen heran. Borussia Mönchengladbach (14 Punkte) ist immerhin die Nummer zwei vor Leverkusen (9) und dem 1. FC Köln (1). Fortunas Problem ist nur: Die tolle Bilanz findet eine Etage tiefer statt als bei der Konkurrenz. So gibt es auch die natürliche Lesart von oben nach unten: Nach der ist Gladbach das beste rheinische Team in der Bundesliga, vor Leverkusen und Köln. Fortuna ist, qua Liga-Zugehörigkeit, die Nummer vier.

Die reine rheinische Tabelle ist sehr schief. Denn in dieser Spielzeit gab es erst ein nachbarschaftliches Treffen dieser Art: Gladbach gegen Köln. Borussia siegte 1:0. Der einzige Derby-Torschütze des Rheinlandes ist bisher ein Schweizer: Nico Elvedi. Nun aber nimmt das rheinische Treiben insbesondere für die Gladbacher Fahrt auf. Zwei Derbys binnen vier Tagen stehen auf dem Programm. Erst kommt am Samstag um 15.30 Uhr Bayer Leverkusen in den Borussia-Park, am Dienstag geht es im Pokal zu Fortuna Düsseldorf. Ein Doppel-Derby für die Borussen. Und in beiden Fällen sind sie als Platzhirsch am Rhein Favorit.

Borussia hat gegen Bayer ein Heimspiel, und sie hat sich vorgenommen, daheim wieder eine Macht zu werden. Da es schon die Heimpleite gegen Eintracht Frankfurt gab, gibt es nicht viel Spielraum für Dieter Heckings Team. Im Pokal reist es als Erstligist ohnehin mit dem Anspruch, sich in Düsseldorf für die nächste Runde zu qualifizieren. Verlieren kann nur einer: Gladbach.

Aber Vorsicht! Der 1. FC Köln ist zwar der ausgemachte Lieblingsgegner der Gladbacher. 56 von 120 gemeinsamen Spielen wurden gewonnen. Ansonsten jedoch tut sich Gladbach mit den Nachbarn eher schwer. Mindestens unangenehm sind Bayer und Fortuna für die Borussen oft gewesen. 25 von 70 Ligaspielen gegen Leverkusen gingen verloren, von 1989 bis 2015 gab es keinen Heimsieg gegen die "Werkself". Und die Pokalbilanz gegen Fortuna ist 100 Prozent - schlecht. Dreimal traf man sich bislang im Zeichen des "Potts", dreimal setzte sich Düsseldorf durch: 1971, 1976 und 2012.

Die Statistik lässt die Favoritenstellung der Borussen bröckeln. Zumal sich die Gegner gern auf die eigenen Gesetze berufen, die Derbys nun mal haben. Dementgegen stellen Gladbach-Freunde: Die Spiele gegen Bayer und Fortuna sind keine Derbys. Es sind Spiele mit einer kurzen Anreise (74 Kilometer sind es zur BayArena, 38 bis zur Esprit-Arena), Nachbarschaftsduelle. Der Faktor Nähe verbindet, doch das, was ein Derby wirklich ausmacht, die extreme Emotion, fehlt den Gladbachern in beiden Fällen. Leverkusen ist ein rheinisches Duell, Fortuna ein niederrheinisches, auf diese Begrifflichkeiten lassen sich die Fans mit der Raute im Herzen ein.

Doch ganz gleich, welches Etikett die Spiele haben: Beide sind für die Gladbacher richtungsweisend. Eine Heimniederlage gegen Leverkusen würde nicht ins Gesamtkonzept passen - und schon gar nicht ein frühes Pokal-Aus, das eine Fortsetzung der Negativserie gegen Fortuna nach sich ziehen würde. Borussia will besser sein als in der vergangenen Saison. Das heißt Platz acht aufwärts und eigentlich auch Pokalfinale. Denn in der vergangenen Saison ging es bis ins Halbfinale.

In beiden Fällen soll ein Zeichen gesetzt werden. Gegen Leverkusen will Gladbach klarmachen, dass der Blick nach oben gehen soll. Bayer gilt als offizieller Konkurrent im Rennen um die Europa-Ränge - und ein Sieg würde diesbezüglich interpretiert werden können. Es gibt positive Fakten, die für einen Erfolg sprechen. Während Bayer allgemein einen Vorsprung hat, spricht der jüngste Trend für Gladbach: Die letzten drei Heimspiele wurden gewonnen: 3:0, 2:1 und 2:1. Und auch die letzten drei Spiele in Folge: 2:1, 2:1, 3:2. Wobei gerade das 3:2 in der BayArena im Januar wegweisend war: Wäre dieses Spiel, in dem Borussia schon 0:2 zurücklag, verloren gegangen, hätte es vermutlich eine Rückrunde mit ständigem Abstiegskampf gegeben. Stattdessen blieb Borussia sorgenfrei und spielte trotz der nur 17 Hinrunden-Punkte bis zuletzt um Europa mit. Leverkusen war ein Trendwende-Spiel.

Nun geht es gegen Bayer darum, keine Wende des Trends zuzulassen. Die jüngste Heimserie gegen Bayer soll ausgeweitet werden, auch die generelle Siegesserie gegen die "Werkself". Die Formel für heute ist also: Vierter Heimsieg gegen Bayer in Folge gleich fünfter Sieg in Serie gegen Leverkusen gleich dritter Heim-Dreier in Serie nach dem 2:0 gegen Stuttgart und dem 2:1 gegen Hannover.

Was Düsseldorf angeht, gibt es keine hoffnungsspendenden Konstellationen. Neben der Null-Bilanz im Pokal ist da ein weiterer beängstigender Fakt: 2012, als Borussia zuletzt ausschied gegen Fortuna, hatten die Gladbacher in der Saison zuvor das Halbfinale erreicht, da gab es gegen den FC Bayern das Aus - vom Punkt wie gegen Frankfurt in der letzten Pokalsaison. Dann kam in der folgenden das Zweitrunden-Spiel in Düsseldorf und das 0:1. Nun ist es wieder die zweite Runde und erneut kommen die Gladbacher als Vorjahres-Halbfinalist in die Esprit-Arena - mit ähnlicher Vorgeschichte, siehe Elfmeter-Aus im Halbfinale. Für Pessimisten ist das ein Fest. Zumal erschwerend hinzukommt, dass der Pokal eigene Gesetze zu haben pflegt, die sich meist gegen den Favoriten anwenden lassen.

Also ist der Auftrag, mit dem die Borussen ins zweite Spiel des rheinischen Doppelpacks gehen, das Gegenteil von dem im ersten: eine Trendwende. Dreimal das Aus gegen Düsseldorf sollte genügen. Und das Halbfinale-Elfmeter-Zweite-Runde-Düsseldorf-Problem müssen sie eben lösen. Denn wer in die Hauptstadt will zum Pokalfinale, sollte nicht schon in der NRW-Landeshauptstadt scheitern. Da würden dann Anspruch und Wirklichkeit arg auseinanderklaffen.

Der rheinische Doppelpack ist für die Borussen auch eine Art Selbstergründung: Können sie den eigenen Ansprüchen gerecht werden? Sind sie bereit für mehr als Durchschnitt? Wer den Anspruch hat, viel zu schaffen, muss Liga-Heimspiele gewinnen und sich im Pokal gegen Underdogs durchsetzen. Rheinische Befindlichkeiten sind Nebensächlichkeiten, wenn es um Europa und Berlin geht. Dass sich Gladbach aber deutlich positionieren kann als Nummer eins im Rheinland, ist ein schöner Nebeneffekt.

(kk)
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