Borussia Mönchengladbach Rente mit mehr Kaffee als Fußball

Mönchengladbach · Allan Simonsen, ehemaliger Superstar bei Borussia und Barca, unterbricht sein ruhiges Leben um am Mittwoch in Mönchengladbach dabei zu sein.

Allan Simonsen schießt Borussia 1979 per Elfmeter zum Uefa-Cup-Sieg.

Allan Simonsen schießt Borussia 1979 per Elfmeter zum Uefa-Cup-Sieg.

Foto: Imago

"Ich habe nichts mehr mit Fußball zu tun. Und zwar absichtlich" - so antwortet am anderen Ende der Telefonleitung etwas trocken ein Mann, der eine Fußball-Legende ist. Man könnte meinen, diese Legende habe nicht besondere Lust auf ein Gespräch, doch dabei handelt es sich vielmehr um einen Abwehrmechanismus, denn in diesen Tagen erwarten ihn eine Menge solcher Anrufe. Allan Simonsen, 63, ist einer der von vier Spieler, die sowohl für Borussia als auch für Barcelona gespielt haben: Simonsen eben, Marc-André ter Stegen, Patrik Andersson und Robert Enke. Beide sind heute im Stadion. Der eine auf dem Feld, der andere auf der Tribüne. "Wie viel Zeit brauchen Sie für das Gespräch? Zehn Minuten? Ich habe viel zu tun", macht Simonsen deutlich. Seine Antworten sind kurz. Er möchte schnell vorankommen, wie in seiner Zeit als Top-Torjäger. Er möchte, dass ihn nichts in seinem Leben als Vorruheständler aus der Ruhe bringt.

"Allan", wie er sich nennen lässt, bittet direkt, dass man ihn duzt. Er ist und bleibt eine Fußball-Legende, aber gleichzeitig möchte er ein normaler Mitbürger sein, der die einfachen Dinge des Lebens schätzt. Wie beispielsweise seinen Café Americano mit Rohrzucker oder den argentinischen Rotwein, die er im Latino-Viertel von Vejle trinkt. Dort ist es sehr "hyggelig", wie die Dänen sagen, gemütlich. In seiner Heimatstadt verehren sie den einzigen skandinavischen Fußballspieler, der den Ballon d´Or gewonnen hat. Er gewann ihn 1977 als Gladbacher.

Das Titelbild von France Football, jener Zeitschrift, die den Preis verlieh, ziert eingerahmt eine Wand des dänischen Cafés La Loca in Vejle, einem niedlichen Café im Ambiente von Buenos Aires der 20er und 30er Jahre. Seine Besitzer, die Argentinierin Mariana Andrea Soria und ihr Mann Heini, scherzen hier jeden Tag mit ihrem Kunden, Nachbarn und Freund Allan. Hier hat er alle Zeit der Welt, um sich zu entspannen. "Er hat das Herz am rechten Fleck. Alle Welt möchte mit ihm über Fußball reden und manchmal ist es einfach zu viel. Er möchte abschalten, ein ruhiges Rentnerleben führen", beschreibt Mariana.

Als sie sich kennenlernten erzählte Allan weder etwas von seiner Berühmtheit noch davon, dass er Spanisch spricht. Sie musste es selbst herausfinden. "Er hat es nicht nötig, mit seiner Bekanntheit hausieren zu gehen. Allan ist eine sehr bescheidene Person", betont Mariana. In einem argentinischen Lokal darf eine Dekoration rund um Fußball nicht fehlen. Simonsen überließ La Loca einen goldenen Fußballschuh, den er als bester Torjäger in Dänemark erhielt, eine Trophäe aus seiner Zeit bei Barca sowie diverse Fotografien.

Und es gibt viele davon, von seiner glorreichen Zeit in Mönchengladbach mit Udo Lattek, zuvor mit Hennes Weisweiler, die auch beide Trainer in Barcelona waren. "Weisweiler war fantastisch. Er konnte hervorragend mit jungen Spielern arbeiten", erinnert sich Simonsen. "Das Training bei ihm war allerdings hart. Ich war es gewohnt in Dänemark zweimal die Woche zu trainieren und trainierte dann bei Gladbach zweimal am Tag. Welch ein Unterschied!", erinnert sich Simonsen jetzt lachend am anderen Ende der Telefonleitung.

Als er mit 19 Jahren nach Mönchengladbach kam, scherzte Günter Netzer über Simonsens kleine, schlanke Statur. "Verpflichten wir jetzt schon Kindergartenkinder?", rief er aus. "Mit der Zeit bekam ich mit, dass man sich etwas über mich lustig machte, allerdings nicht in meiner Gegenwart. Ich hatte nie ein Komplex oder derartiges. Ich wusste stets um mein großes Talent und, dass es eine Frage der Zeit sein würde, dass es explodieren würde", erläutert Simonsen.

Mit Gladbach gewann er drei Bundesligatitel, einen DFB-Pokal, zwei Uefa-Cups und wurde Vizemeister des Europapokals der Landesmeister 1977. Der kleine große Däne ist der einzige Fußballer der Geschichte, der jeweils ein Tor in den Finals des Uefa-Cup, des Europapokal der Landesmeister und des Pokal der Pokalsieger (1982 mit dem FC Barcelona) schoss. "Das Erfolgsgeheimnis war, dass ich Spaß am Spiel hatte. Ich liebte das Spiel", erklärt Simonsen bescheiden.

Zurückgezogen vom Fußball nähert er sich heutzutage nur in Ausnahmesituationen dem Ball. Heute wird er im Borussia Park sein. Ohne den kleinen Allan Simonsen wären weder Borussia noch Barca so groß geworden. Er hingegen schätzt seit längerem die kleinen Dinge des Lebens. Wie Kaffee mit Rohrzucker.

(RP)
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